Die Anspannung ist groß. Ist der VfB Stuttgart stark genug, um die Klasse zu halten? Ausgerechnet jetzt gibt es Stress. Mitten drin: Sportvorstand Jan Schindelmeiser. Es mehrt sich die Kritik an seiner Arbeitweise und Einkaufspolitik.
Stuttgart - Sie würden sich beim VfB Stuttgart lieber die Zungen abschneiden lassen, als mitten in der Vorbereitung auf die Bundesliga-Saison öffentlich etwas zu sagen, was den Erfolg der Mission gefährden könnte. Zu sehr wirken die Glücksmomente nach, die ihnen die Feierlichkeiten um den Wiederaufstieg bescherten. Aber Unzufriedenheit, Ärger und Sorgen messen sich nicht allein in Worten. Manchmal reichen Körpersprache, unzweideutige Gesten und eingefrorene Blicke, die signalisieren, dass nicht alles so reibungslos läuft, wie es die hausinterne PR-Maschine gern Glauben macht.
Wirre Personalpolitik
Ins Zentrum der problematischen Schwingungen gerät ausgerechnet der, an dessen Geschick maßgeblich die sportliche Perspektive des Bundesliga-Rückkehrers hängt: Jan Schindelmeiser. Zwar doziert der VfB-Sportvorstand öffentlich gern und ausgiebig über neue Pfade, Prozesse, Schwierigkeiten und Komplexität der Transferpolitik, aber seine Neigung, die Dinge zuvorderst mit sich selbst auszumachen, stößt auf wachsendes Unverständnis im Team, das ihn umgibt. Die Vorwürfe wiegen schwer und erinnern an die letzte Phase seines Wirkens bei 1899 Hoffenheim: Die Personalpolitik sei vogelwild, lasse kein Konzept erkennen. Und ein Jahr nach seinem Dienstantritt liefen die strukturellen Veränderungen im Sportbereich weiter schleppend. Ein Kaderplaner etwa wird schmerzlich vermisst.
So oder so: Man fühlt sich nach dem Wiederaufstieg im weiß-roten Raumschiff vom Sportchef nicht mitgenommen auf die Reise, die neue Herausforderungen und Abenteuer verspricht. Manch einer hält das Manifest von Präsident Wolfgang Dietrich, wonach es im sportlichen Bereich keine Ein-Mann-Show mehr geben darf, schon jetzt für ein geduldiges Stück Papier. Jugendkoordinator Marc Kienle sollte mit in die Kaderplanung eingebunden werden, ebenso wie Ex-Profi Thomas Hitzlsperger, Berater des Vorstands. Doch seit Ende vergangenen Jahres, murren die Kritiker, sei Schindelmeiser zum Einzelgänger mutiert. Er rennt mit seiner unkooperativen Art immer öfter ins Abseits. Wolfgang Dietrich bestellte ihn angeblich schon zum Rapport. Aber der Sportchef weist jede Kritik von sich.
Gestandene Abwehrspieler gesucht
„Wir erarbeiten unsere Entscheidungen im Team, sind im permanenten Austausch. Am Ende muss aber jemand die Verantwortung für diese Entscheidungen übernehmen. Das werde ich sein. Daraus ergibt sich selbstverständlich eine Richtlinienkompetenz. Es ist meine Aufgabe, diesen roten Faden zu artikulieren und darauf zu achten, dass wir uns gemeinsam auch daran orientieren“, lässt Jan Schindelmeiser mitteilen.
Womöglich ist genau diese Sichtweise das Problem. Denn die Orientierung sorgt zusehends für Falten auf der Stirn aller, die sich mit dem Ja zur Ausgliederung in die AG vor allem eines versprochen haben: mehr Qualität fürs Team. Davon ist bisher eher wenig zu erkennen. WM-Torhüter Ron-Robert Zieler (28/Leicester City) wird die notleidende Defensive zweifelsohne verstärken. Aber die Position des Torhüters war nicht die eigentliche Schwachstelle. Einen defensiven Abräumer im Mittelfeld, einen Innen- und am besten gleich zwei Außenverteidiger, links und rechts, hat der VfB dagegen so nötig wie der Ball die Luft. Und wenn möglich solche, die schon bewiesen haben, dass sie in der Bundesliga mithalten können. Die bisherigen Neuzugänge, überwiegend ohne Bundesliga-Erfahrung, sind Optionen ohne jede Sicherheit.
Didavi zurück? Kein Interesse!
„Diese Spieler betrachten wir als Herausforderer für die Etablierten“, sagt Schindelmeiser, als dessen größter Sündenfall der Weggang von Alexandru Maxim nach Mainz gilt – ausgerechnet zu einem designierten Rivalen im Kampf um den Klassenverbleib. Und ohne Ersatz zu haben. Offenbar gab es Signale aus Wolfsburg, dass sich Daniel Didavi eine Rückkehr an seinen früheren Dienstort hätte vorstellen können. Schindelmeiser war nicht interessiert.
Es ist ja nicht so, dass man über die Qualitäten des trickreichen Rumänen stets einig sein müsste, auch nicht über eine mögliche Didavi-Rückkehr, doch offenbar war eine andere Meinung als die des Sportchefs gar nicht gefragt. Wohl auch nicht sonderlich die des Trainers: Hannes Wolf schlängelte sich nach der Rückkehr aus dem Urlaub durch den Fragen-Parcours der Journalisten zwar so geschickt wie ein Slalomläufer, teilweise aber mit mühsam verborgenem Unbehagen. Der Kader, den er zum Trainingsauftakt vorfand, entsprach wohl nur bedingt seinen Vorstellungen.
Schwierige Geschäfte
Und als böte das nicht schon genug Stoff für Diskussionen, weckt in der Szene neuerdings noch eine Causa Argwohn, die sich an den angeblich zu engen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Spielerberater Artur Beck (Aka Global GmbH), Sportvorstand Jan Schindelmeiser und der Schorndorfer Medienagentur spirit Kommunikation stört. Beck ist ein Freund der Macher bei spirit, die Agentur berät neben Beck auch Jan Schindelmeiser und Neuzugang Ron-Robert Zieler in Medienangelegenheiten. Artur Beck ist der Bruder des ehemaligen VfB-Verteidigers Andreas Beck (Besiktas Istanbul), der seit seiner Zeit bei 1899 Hoffenheim mit Jan Schindelmeiser befreundet ist.
Beck brachte auch Hannes Wolf zum VfB und berät überdies den Coach. Angeblich allerdings nicht bei dessen Verhandlungen über die Vertragsverlängerung bis 2020, die demnächst bekannt gegeben werden soll. Bei den Profis war Beck zuletzt in die Transfers von Orel Mangala (RSC Anderlecht) und Benjamin Pavard (OSC Lille) mit eingeschaltet. In der U 23 ist er Berater des aus Bochum gekommenen Talents Hayk Galystyan. Der Armenier war mit im Trainingslager der Profis in Grassau.
Was Artur Beck nach eigener Aussage eher „amüsiert“, sorgt inner- und außerhalb des Vereins zumindest für Nachdenklichkeit: Ist das alles noch im grünen Bereich? Beim VfB heißt es, Präsident Wolfgang Dietrich pflege seine Laufwege intensiv und mit ausgefahrenen Antennen. Er lobt, ungeachtet aller Einwände, den „gesamten Vorstand“ über den Schellenkönig: „Sie alle haben im vergangenen Jahr sehr viel zum Wiederaufstieg beigetragen. Um unsere im Vorstand für alle gemeinsam definierten Ziele zu erreichen, müssen wir auch im Sportbereich unsere Strukturen und Prozesse optimieren.“ Was bedeutet, dass es künftig einen Kaderplaner, Teamarbeit und klar definierte Mitspracherechte geben wird für alle, die im Sportbereich Verantwortung tragen. Um die Konkurrenzfähigkeit der Mannschaft macht sich der VfB-Chef zumindest öffentlich noch keine Sorgen: „Wir werden uns sinnvoll verstärken.“