In der Cannstatter Kurve macht man sich auch zu politischen Themen Gedanken. Foto: Baumann

Für den VfB Stuttgart ist seine politische Neutralität ein hohes, schützenswertes Gut. Daher hat der Club die Verteilung einer Broschüre zum bayerischen Polizeiaufgabengesetz durch Teile seiner Fans anlässlich des Hoffenheim-Spiels untersagt.

Stuttgart - Teile der Stuttgarter Fanszene, vor allem die Ultra-Gruppierungen beim Fußball-Bundesligisten VfB in der Cannstatter Kurve, beschäftigt dieser Tage neben dem Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen 1899 Hoffenheim ein politisches Thema. Dabei geht es um einen Gesetzesentwurf der bayerischen Landesregierung zu einem neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG), den man am 15. Mai im Landtag in München mit der absoluten Mehrheit der CSU verabschieden will. Wird das neue PAG durchgewunken, würde die Polizei weiter gehende Kompetenzen erhalten.

Für viele Experten sind diese Neuerungen überfällig. Es sei einfach nicht mehr zeitgemäß, dass die Polizei bislang etwa nur Handydaten auf dem Speicher des Geräts, aber nicht auf dessen Cloud auswerten dürfe. Diese Unterscheidung würde künftig wegfallen. Es gibt allerdings auch die andere Seite. Viele Experten, darunter Datenschützer, halten die geplanten Änderungen für viel zu weitreichend und sehen darin einen gefährlichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte. Die Fraktion der Grünen in Bayern hat gegen den Gesetzesentwurf gar Klage eingereicht. Sie hält den dort verwendeten Begriff der „drohenden Gefahr“ für verfassungswidrig.

VfB verbietet Flyer der Ultras

Vorgesehen ist unter anderem auch, dass bei der Fahndung oder der Suche nach Vermissten oder Terroristen künftig auch Drohnen mit Video- oder Wärmebildkameras einsetzt werden dürfen. Auch eine Lockerung der Bestimmungen für das polizeiliche Abhören von Telefongesprächen ist geplant. Es gehe darum, die Polizei mit ordentlichen und zeitgemäßen Befugnissen auszustatten, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann.

Nicht nur in Bayern sehen viele Menschen im PAG allerdings eine künftige persönliche Bedrohung. So auch viele organisierte Fußballfans, die den zurückliegenden Spieltag als Aktionsspieltag gegen das PAG nutzten. In vielen Stadien waren Spruchbänder zu sehen, auch in Leverkusen, wo der VfB 1:0 siegte. „Heute Bayern, morgen Deutschland“ – so lautet ihr Slogan, denn sie befürchten eine Ausweitung der neuen Polizeibefugnisse. „Insbesondere die aus dem Gesetz resultierenden Eingriffs- und Überwachungsmöglichkeiten erregen Protest“, heißt es unter anderem in einer sechsseitigen Broschüre des Schwabensturms, welche die Fans unter der Überschrift: „Das neue PAG in Bayern – auch wir Fußballfans sind betroffen!“ am Samstag beim Hoffenheim-Spiel in der Cannstatter Kurve verteilen wollten.

Daraus wird nun nichts. Denn der VfB, dem man den Flyer vorab zum Gegenlesen schickte, untersagte dessen Verteilung. „In Fußballstadien sind unterschiedliche Menschen und Gruppen aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen mit verschiedenen politischen Hintergründen versammelt“, heißt es in einer Presseerklärung, mit der dieser Schritt erklärt wird: „Der VfB Stuttgart ist satzungsgemäß ein politisch neutraler Verein. Deshalb kann keiner Interessensgruppe zugestanden werden, VfB-Veranstaltungen für politische Statements zu nutzen.“