Neuer Mann im VfB-Tor: Der polnische Keeper Przemyslaw Tyton Foto: Getty

Sven Ulreich geht als Ersatzmann für Manuel Neuer zum FC Bayern, der VfB Stuttgart wagt auf der Torhüterposition ebenso einen Neuanfang – mit dem Polen Przemyslaw Tyton. Abschließend geklärt ist das Torwartthema damit allerdings noch lange nicht.

Stuttgart - Wenn der Blick zurück nicht trübt, hat der VfB eine gute Entscheidung getroffen – und sich nicht nur einen neuen Torhüter geangelt, sondern auch göttlichen Beistand. Denn wenn Przemyslaw Tyton im Kasten steht, kann es schon mal sein, dass auch der Erzbischof von Krakau die Hände faltet. „Mit meinem ganzen Herzen waren meine Gebete bei ihm“, sagte Stanislaw Dziwisz einst – und stellte erleichtert fest, dass sein Draht nach oben funktioniert: „Zum Glück hat der Himmel unsere Mannschaft unterstützt.“

Gut, das war damals nicht irgendein Club, sondern das polnische Nationalteam im Eröffnungsspiel der EM 2012. Es stand 1:1, Stammkeeper Wojciech Szczesny war gerade vom Platz geflogen, und der eingewechselte Ersatzmann hielt gegen Griechenland den Elfmeter. Es war Przemyslaw Tyton – der nach Informationen unserer Zeitung vorbehaltlich der medizinischen Untersuchung und letzter zu verhandelnder Details ab der kommenden Saison Torhüter in Stuttgart ist, Sven Ulreich damit aber keine Konkurrenz macht. Denn der hat andere Pläne.

"Wir verlieren eine Persönlichkeit und ein Gesicht des VfB"
Robin Dutt

„In Sven verlieren wir eine Persönlichkeit und ein Gesicht des VfB“, sagte Robin Dutt am Dienstag zum Wechsel des Keepers zum FC Bayern, „dennoch kommen wir seinem Wunsch nach einer sportlichen Veränderung nach.“ Was dem Sportvorstand vermutlich weniger schwer gefallen ist, als sich dies in den Worten zum Abschied anhört.

So ganz zufrieden waren sie auf dem Wasen mit der jüngsten Entwicklung der langjährigen Nummer eins schließlich nicht mehr gewesen, das Torwartthema wäre wohl so oder so angegangen worden. Dazu kam, dass auch Ulreich den Wunsch nach einem Neuanfang verspürte. Zwar sagte er erst am vergangenen Donnerstag: „Ich fühle mich hier wohl.“ Er gab aber auch zu: „Es waren keine leichten Jahre, da gibt es schon Überlegungen, ob man mal was anderes macht.“

Viel Druck und immer wieder der Sündenbock

Zu wenig Wertschätzung und Vertrauen, viel Druck, die stets wiederkehrende Rolle als Sündenbock, die sportlich überschaubare Perspektive – und natürlich die Aussicht auf Titel und eine satte Gehaltserhöhung lassen den Keeper nun in Kauf nehmen, nicht mehr regelmäßig auf dem Platz zu stehen. Was einerseits überrascht.

„Es ist erstaunlich, dass er die Position als erster Torhüter freiwillig aufgibt“, sagt Ex-VfB-Keeper Helmut Roleder. Der Meister von 1984 weiß andererseits aber auch: „Ein Verein wie der FC Bayern ist immer interessant. Und vielleicht hatte Sven Ulreich ja Signale, dass er künftig nicht mehr unangefochten ist.“ So oder so: Sven Ulreich räumt nach fünf Jahren als Nummer eins im VfB-Tor und 17 Jahren im Verein das Feld.

„Ich habe nach vielen Jahren in Stuttgart eine neue Herausforderung gesucht“, sagt er, „da bin ich hier beim FC Bayern genau an der richtigen Adresse.“ Obwohl klar ist, dass er in den kommenden drei Jahren hinter Manuel Neuer und in Konkurrenz zu Tom Starke höchstens die Nummer zwei sein wird. „Ich werde immer da sein, wenn ich gebraucht werde“, verspricht der gerade einmal 26 Jahre alte Torhüter. Das erwarten sie in Stuttgart künftig auch von Przemyslaw Tyton (gesprochen: Pschemuslav Titon mit einem weichen i am Ende des Nachnamens).

Dank Ausstiegsklausel nur etwa eine Million Euro für Tyton

Den 28-Jährigen Polen kauft der VfB in den kommenden Tagen dank einer Ausstiegsklausel für etwa eine Million Euro aus seinem Vertrag beim PSV Eindhoven (Ulreich bringt rund 3,5 Millionen Euro) und stattet ihn mit einem Dreijahresvertrag aus. Der Kontakt besteht wohl schon eine Weile, schließlich ist Tytons Berater in Stuttgart kein Unbekannter: Es ist Maikel Stevens, der Sohn von Ex-Coach Huub Stevens.

In Eindhoven war der 1,95 Meter große Keeper zunächst Stammtorhüter, ehe er sich 2011 eine Kopfverletzung zuzog. Danach war er meist Reservist, ehe er vor der vergangenen Saison an den spanischen Erstligisten FC Elche ausgeliehen wurde, wo er 32 Ligaspiele machte und durch seine starken Reflexe beeindruckte. In der polnischen Nationalmannschaft ist der eher zurückhaltende Tyton hinter Wojciech Szczesny (FC Arsenal), Lukasz Fabianski (FC Swansea) und Artur Boruc (AFC Bournemouth) die Nummer vier, am Dienstag gehörte er zum Kader für das Testspiel gegen Griechenland.

In seiner Heimat halten sie den Schlaks für einen zuverlässigen Keeper mit Stärken auf der Linie, der sich kaum Patzer erlaubt und eine gute Elfmetern-Quote hat. Strafraumbeherrschung und schnelle Spieleröffnung würden dagegen nicht zu seinen ausgewiesenen Stärken zählen. Ähnlich wurde auch Ulreich eingeschätzt, dabei mahnt Roleder: „Es ist wichtig, dass der neue Torhüter von Beginn an Souveränität ausstrahlt.“

Für eine stabile Saison ist das notwendig, weshalb es möglich ist, dass der VfB das Thema Torhüter weiter beackert. Tyton wird wohl nicht als klare Nummer eins in die Vorbereitung gehen. Sollte Thorsten Kirschbaum den Club noch verlassen, würde ein anderer Konkurrent für den Polen verpflichtet – allein auf den jungen Odisseas Vlachodimos als Herausforderer will man sich nicht verlassen.