VfB-Aufsichtsratschef Martin Schäfer: Auf der Suche nach den neuen Häuptlingen. Foto: Baumann

Die Suche nach Führungspersonal beim VfB wird zur heiklen Mission. Wenige Tage vor dem Trainingsauftakt zur Zweitliga-Saison ist nur eines klar: Büßen müssen für den Abstieg die Mitarbeiter der Geschäftsstelle.

Stuttgart - Die letzten beiden Mohikaner aus dem Vorstand des VfB Stuttgart baten zur Betriebsversammlung. Und wer im Presseraum der Mercedes-Benz-Arena mit am Ball war, mag sich an Christoph Daum erinnert haben, der den stolzen Club 1992 zur deutschen Meisterschaft führte: mit der Apachen-Überfalltaktik. Die Gegner wurden von Guido Buchwald und den Seinen einfach überrumpelt. Finanzchef Stefan Heim beschrieb jedenfalls minutenlang mit düsterer Sprachgewalt die Lage „auf dem sinkenden Schiff“, ehe er von den 170 Vereins-Mitarbeitern kurzerhand deren Beitrag verlangte, um nicht vollends in den Tiefen der Verdammnis zu verschwinden. Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind gestrichen, befristete Arbeitsverträge werden größtenteils nicht verlängert, für Mitarbeiter in der Probezeit ist mit dem Abstieg wohl die Geschäftsgrundlage entfallen. Sogar ein Privileg des altgedienten Personals wird zum Opfer der Umstände: der Essenzuschuss von 1,50 Euro pro Tag. Das fühlte sich an, als sei der VfB Stuttgart noch einmal abgestiegen. Und daran änderte sich auch nichts, als Heim und Röttgermann hoch und heilig versicherten, dass vor allem die Gutverdiener ab 5000 Euro aufwärts künftig weniger nach Hause tragen werden.

Verpflichtung von Thomas Hitzlsperger stellt Fachwelt vor ein Rätsel

Weshalb es nicht unerheblich gewesen wäre, ein wenig mehr darüber zu erfahren, wer denn nun in schweren Zeiten den leckgeschlagenen Kahn zurück an die Gestade der Bundesliga lotsen soll. Aber auch in dieser Hinsicht baten die leitenden Sparkommissare um Verständnis. Man bemühe sich. Was bedeutet, dass es im Cannstatter Fußball-Unternehmen bis auf Weiteres dabei bleibt: Wir stellen ein. Einen Sportchef und einen Präsidenten. Die Branche zerreißt sich schon die Münder. Wenn die Geschichtsbücher des Fußballs nicht erhebliche Lücken aufweisen, ist der VfB der erste Club der Liga-Geschichte, der nach einen Abstieg so ziemlich alles anders macht. Vor allem die Verpflichtung von Thomas Hitzlsperger stellt die Fachwelt vor ein Rätsel. Er soll die Brücken zwischen Mannschaft und dem künftigen Sportvorstand bauen. Womit sich die Frage stellt, ob der bisherige Teammanager Günther Schäfer künftig nur noch als gehobener Zeugwart fungiert. Und was, wenn der noch zu benennende Sportvorstand den Novizen „The Hammer“ so sehr leiden kann wie Bauchweh? Kommt er mit den Scouts von Robin Dutts Gnaden klar? Was passiert mit Rainer Adrion, der nach Ablauf seines Vertrags als Sportlicher Leiter (U17 bis U23) ursprünglich als Architekt eines Scouting-Netzes für Südamerika eingeplant war. Gibt es neue Aufgaben für Rainer Mutschler? Sein Projekt Ausgliederung liegt bis auf Weiteres auf Eis. Darf Joachim Cast, Dutts rechte Hand, bleiben? Oder muss der VfB nach den Abfindungen für Zorniger, Dutt, Kramny und Wahler (rund drei Millionen Euro insgesamt) noch ein Milliönchen drauflegt?

Wer kommt für den VfB in Frage?

„Der VfB zäumt das Pferd komplett von hinten auf, das ist ziemlich riskant“, wundert sich ein Personalberater, der die Liga aus dem Effeff kennt, aber nicht mit Namen genannt werden will. Wer für den VfB in Frage kommt? Er zuckt mit den Achseln, sagt nur: „Zuletzt wurde beim VfB viel über Konzepte geredet, es sollte aber auch ein Pragmatiker sein.“ Jochen Sauer, RB Salzburg, nach Informationen unserer Zeitung ganz oben auf der Kandidatenliste des VfB, wäre in seinen Augen jedenfalls eine gute Wahl. Im Gespräch sind noch immer: Stefan Reuter (FC Augsburg), Dirk Dufner (zuletzt Hannover 96) und neuerdings auch Marc Arnold (Eintracht Braunschweig).

Zwar bestätigt Aufsichtsratschef Martin Schäfer unserer Zeitung sogar schriftlich, nicht die hilfreichen Geister einer Personalberatung in Anspruch zu nehmen, aber zumindest in der Präsidentenfrage ist davon auszugehen, dass die Strippenzieher des deutschen Fußballs den einen oder anderen Steilpass gen Cannstatt spielen. Der Ludwigsburger Rechtsanwalt Christoph Schickhardt steht nach Empfehlungen wie Armin Veh und Bernd Wahler zwar auf dem VfB-Index, möglich aber, dass Ewald Manz, Headhunter bei den renommierten Personalberatern von Odgers Berndtson, den Chefsuchern ein wenig zur Hand geht. Er ist in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und im Deutschen Fußball-Bund (DFB) bestens vernetzt. Auch im Hause Daimler muss er an der Pforte wohl nicht erst den Personalausweis vorlegen. Jedenfalls prüfte er nach Recherchen unserer Zeitung vor Jahresfrist im Auftrag der ehemaligen VfB-Bosse Bernd Wahler und Joachim Schmidt (ehemals Mercedes-Benz) die Kandidaten, als der neue VfB-Finanzvorstand erkoren wurde. Am Ende machte Stefan Heim das Rennen. Man sieht sich eben immer zweimal im Leben.

Die Suche nach dem Präsidenten scheint schwierig

Während angeblich realistische Chancen bestehen, dass der neue Sportchef sein Büro bezieht, noch ehe Heim und Röttgermann das Rentenalter erreichen, ist die Suche nach dem Präsidenten offenbar schwieriger als jedes Sodoku. Die wichtigsten Kriterien nannte der Aufsichtsrat dieser Tage in der Mitgliederzeitschrift: „Der Kandidat muss über eine mindestens zehnjährige Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in einer hohen Management-Position oder einer vergleichbaren Führungsposition verfügen.“ Bewerber müssen bis spätestens 9. Juli ihre Unterlagen einreichen, denn am 9. Oktober soll die Mitgliederversammlung den neuen Manitu wählen. Zwar nennt der Flurfunk die üblichen Verdächtigen (Südwestbankchef Wolfgang Kuhn, Finanz-Unternehmer Wolfgang Dietrich, Franz Reiner Chef der Mercedes-Bank, Thomas Haas, Vermögensverwalter), aber wenn nicht alles täuscht, hirnt die Troika im VfB-Aufsichtsrat (Schäfer, Hartmut Jenner, Wilfried Porth) bisher noch darüber, ob eher ein hauptamtlicher Präsident die Antworten auf Fragen der Zukunft geben kann oder ein ehrenamtlicher.

Und die Stimmen mehren sich, die der Variante mit der unentgeltlichen Dienstleistung den Vorzug geben. „Der VfB muss einen unabhängigen Chef suchen, der frei von allen Zwängen entscheiden kann. Keinen Komfortzonen-Verteidiger, der aus Angst um seinen Job opportunistisch agiert“, sagt der Personalberater mit Insider-Wissen und verweist auf Beispiele wie Borussia Dortmund, Mainz 05 oder den SC Freiburg. „Der VfB braucht Menschen, die dem Verein dienen und nicht solche, die sich an ihm bedienen wollen.“

Am kommenden Mittwoch, 18 Uhr, beginnt der VfB Stuttgart mit der Vorbereitung auf die neue Saison. Der Trainer heißt Jos Luhukay. Er ist der Zwölfte seit dem Titelgewinn 2007.