Für Tobias Werner ist der Fußball zur Nebensache geworden. Foto: dpa

Mit der Totgeburt seines Sohnes musste Tobias Werner einen schweren Schicksalsschlag einstecken. Jetzt schaut der VfB-Neuzugang wieder nach vorne – und gleichzeitig auf bewegende Weise zurück.

Stuttgart - Manchmal kennt das Schicksal kein Erbarmen, auch nicht mit erfolgsverwöhnten Fußballprofis. Mal schießen sie am leeren Tor vorbei und werden ausgepfiffen; mal reißen sie sich die Bänder und müssen ein paar Wochen pausieren. Es sind die üblichen Sorgen von jungen Männern, die ansonsten auf der Sonnenseite des Lebens stehen – nichts im Vergleich zu dem, was Tobias Werner widerfahren ist. Bei ihm hat das Schicksal auf besonders brutale Weise zugeschlagen.

„Die letzten zwei Wochen waren die dunkelsten in meinem Leben“, sagt Tobias Werner, ein zurückhaltender und bescheidener Fußballspieler im Alter von 31 Jahren. „Das lässt sich gar nicht richtig in Worte fassen.“ Er versucht es trotzdem – und berichtet mit fester Stimmer und bewegender Offenheit von dem Moment, in dem der Fußball zur unwichtigsten Nebensache der Welt geworden ist.

Es ist ein Mittwoch, als der Neuzugang vom FC Augsburg sein erstes Training beim VfB absolviert. Frohgemut gibt er danach ein Interview und erzählt, wie sehr er sich auf die neue Aufgabe freue, wie motiviert er sei. Abends trifft er sich mit einem alten Freund in der Stadt – morgens um halb vier klingelt in seinem Hotelzimmer das Telefon. Es gibt Komplikationen bei seiner hochschwangeren Frau.

Der Anruf kommt morgens um halb vier

Tobias Werner setzt sich sofort ins Auto und fährt nach Augsburg. Er hofft und glaubt, es werde alles nicht so schlimm sein – bis er den Kreißsaal des Krankenhauses erreicht. Seine Frau Chris bringt einen toten Jungen zur Welt. Dabei sei es bis dahin „eine perfekte Schwangerschaft“ gewesen. Werner bleiben ein paar Tage bei seiner Frau im Krankenhaus, sie beerdigen ihren Sohn – dann muss das Leben weitergehen, allein schon wegen der gemeinsamen Töchter, Emily (5) und Carla (2). „Am zweiten Tag haben sie mich wieder zum Lachen gebracht“, sagt Werner: „Wir sind stark und werden eine glückliche Familie bleiben.“

Nicht nur seine Kinder helfen ihm, neuen Mut zu fassen – sondern auch sein Beruf. „Ich bin froh, dass ich den Fußball habe. Er hat mich ins Leben zurückgeholt.“ Seine neuen Mitspieler schicken ihm schon kurz nach dem Schicksalsschlag eine emotionale Videobotschaft und empfangen ihn mit offenen Armen, als Werner nach einer Woche wieder das Training aufnimmt. „Ich war froh, dass in der Kabine viel gelacht wurde“, sagt er. Das lenkt ihn ab und bringt ihn auf andere Gedanken. „In ruhigen Momenten hat man viel mehr daran zu knabbern, als wenn etwas los ist.“

Beim Projekt Wiederaufstieg ist Werner als Führungskraft eingeplant

Im zweiten Saisonspiel in Düsseldorf (0:1) wird Werner eingewechselt und gibt sein Debüt im VfB-Trikot; beim Pokalsieg in Homburg steht er erstmals von Beginn an auf dem Platz. Beim Auswärtsspiel in Sandhausen dürfte es am Freitag (18.30 Uhr) nicht anders sein. Er ist dabei, in den Rhythmus zu kommen und seine Rolle zu finden – mit seiner langjährigen Bundesliga- und Zweitligaerfahrung ist er beim Projekt Wiederaufstieg als Führungskraft fest eingeplant. Der Flügelspieler, ältester Profi im VfB-Team, weiß, wie das geht: Mit dem FC Augsburg hat er gemeinsam mit Jos Luhukay schon einmal den Sprung geschafft.

Vorerst aber fährt Werner auch weiter so oft es geht zurück nach Augsburg, um seine Frau zu unterstützen, seine Kinder zu sehen und gemeinsam die Trauer zu bewältigen. Augsburg wird ihr Lebensmittelpunkt bleiben, die Werners haben dort viele enge Freunde, die Kinder ein intaktes Umfeld, was gerade jetzt besonders wichtig sei. Doch bezieht das Familienoberhaupt an diesem Mittwoch eine Zweitwohnung in Stuttgart, um sich nun auch in seiner neuen Heimat zu integrieren und endgültig bei seinem neuen Club anzukommen. Es ist der nächste Schritt auf dem Weg vom Dunkeln zurück ans Licht. „Über die erste ganz große Trauer bin ich so langsam hinweg“, sagt Tobias Werner.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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