Unsere VfB-Taktiktafel analysiert das aktuelle Spiel des Clubs mit dem Brustring. Foto: STZN

Der VfB zeigt einen holprigen Auftakt in die Saison. In der Offensive fehlt es an Kreativität und die Abläufe auf den Flügeln zeigen sich noch nicht stabil genug. Erst die Einwechslung von Alexandru Maxim bringt die entscheidenden individuellen Vorteile.

Stuttgart - Jos Luhukay entschied sich zum Pflichtspielauftakt für ein 4-2-3-1-System, welches durch das Aufrücken von Christian Gentner stark in Richtung 4-1-4-1 tendierte. Den Stuttgarter Kapitän zog es vor allem auf die Seiten, wo er die flügellastige Offensivanlage seiner Mannschaft ins Rollen bringen sollte. Da auch Debütant Berkay Özcan eher nach außen tendierte, litt darunter jedoch die Besetzung des Mittelfeldzentrums. Gerade in der Anfangsphase präsentierte sich der VfB zudem ein bisschen unentschlossen und blieb immer wieder in halbgaren und schlecht abgestimmten Aufbauversuchen hängen. St. Pauli konnte sich dann nach Ballgewinn häufig in die offene Mitte lösen.

Von dort aus spielten sie einige starke Angriffe über die Flügel, wobei sie vor allem ihre weit ausweichenden Spitzen Fafà Picault und Aziz Bouhaddouz ins Spiel brachten. Vor allem der schnelle Picault suchte bevorzugt den Raum hinter Insúa und verwickelte Stephen Sama oder den zurückeilenden Linksverteidiger in Eins-gegen-Eins-Situationen. Teilweise sah man sogar beide Stürmer gemeinsam einen Flügel überladen. Mit diesem einfachen, aber effektiven Mittel konnten die St. Paulianer immer wieder ihre Geschwindigkeitsvorteile ausspielen. Durch einen solchen Angriff nach einem Ballverlust des VfB fiel auch der Führungstreffer für die Gäste durch Bouhaddouz.

Untermauert wurde dieser Fokus in St. Paulis Offensivspiel dadurch, dass Bouhaddouz und Picault weit vorne auf die Umschaltsituation lauern durften, wenn der Rest der Mannschaft nach hinten gedrängt wurde. Dadurch gingen zwar Lücken zwischen Mittelfeld und Sturm auf, aber das fiel zunächst kaum ins Gewicht, da der VfB selten den Ball in diesen Zwischenraum brachte. Vielmehr versuchten die Stuttgarter sehr direkt über die Flügel anzugreifen und wurden dabei mitunter hektisch und ungenau.

Mehr Durchschlagskraft durch Maxim

Erst gegen Ende der ersten Halbzeit besserte sich das ein wenig. Die Hamburger wurden gegen den Ball etwas abwartender, während der VfB seine Abläufe auf den Flügeln besser durchbekam. Gerade Zimmer und Klein hatten nun etwas mehr Szenen und positionierten sich einige Mal gut zueinander. Vermehrt sorgte Rechtsverteidiger Klein für Präsenz in der Mitte, während Jean Zimmer an der Seitenlinie für Breite sorgte. Auf diese Weise kam der VfB besser in die offenen Räume vor St. Paulis Viererreihen und entwickelte ein bisschen mehr Spielkontrolle.

Die zweite Halbzeit sollte deutlich ungeordneter werden als die erste und war von zahlreichen Umschaltsituationen geprägt. Beide Teams versuchten offensiv zu spielen, aber keinem von ihnen gelang es dabei, die Spielkontrolle an sich zu reißen. Die vertikalen Abstände wurden auf beiden Seiten etwas größer. St. Pauli rückte offensiv weiter mutig auf, ging aber nach Ballverlust nicht konsequent und strukturiert genug ins Gegenpressing. Die Abwehr zog sich eher zurück, während vorne individuell nachgesetzt wurde. Dadurch öffneten sich Räume hinter St. Paulis Mittelfeld – Räume, die vor allem der eingewechselte Maxim zu nutzen wusste. Der Rumäne brachte naturgemäß mehr Präsenz und Durchschlagskraft auf die Zehnerposition als der erst 18-jährige Özcan. Meist forderte er halblinks die Bälle, suchte in Kontersituationen Dribblings und setzte seine Mitspieler im Kombinationsspiel in Szene. In der 67. Minute sorgte er per Konter für den Ausgleich.

Überraschende Wechsel bei St. Pauli

Im Anschluss nahm Ewald Lienen seine ersten Wechsel vor. Überraschend wechselte er beide Stürmer aus und bracht Jeremy Dudziak als Zehner und den eigentlichen Flügelspieler Ryo Miyaichi als einzige Spitze. Am taktischen Fokus änderte das entsprechend wenig, da Miyaichi sich ebenfalls viel auf den Flügel bewegte. Dudziak sollte für zusätzliche Ballsicherheit und mehr Stabilität im Spiel der Hamburger sorgen.

Angesichts des größer werdenden Drucks entschied sich Lienen wenig später dafür, mit Sören Gonther einen zusätzlichen Innenverteidiger zu bringen und auf ein defensives 5-4-1 umzustellen. Die Gäste igelten sich nun in der eigenen Hälfte ein und brachten kaum noch Entlastungsangriffe zustande. Zwar blieben sie damit weitestgehend stabil, machten dann aber einen entscheidenden Fehler, indem sie Insúa vor dem 2:1 im Rückraum freiließen. Die geschenkte Offensivpräsenz verwertete der VfB so mit einer gesunden Portion Glück zum Siegtreffer.

Fazit

Es war noch viel Sand im Getriebe beim VfB. Die Mechanismen greifen noch nicht optimal und generell gibt es spielerisch viel Luft nach oben. Der Spielaufbau und vor allem die Einbindung von Hosogai funktionierten noch gar nicht. Den Engpass auf den offensiven Flügelpositionen löste Luhukay indessen eher konservativ und ging mit den gelernten Außenverteidigern Heise und Zimmer wenig Risiko. Obwohl es für einen knappen Sieg reichte, gibt es insgesamt noch viel Verbesserungspotential. Durch weitere Zugänge und zunehmende Eingespieltheit könnte es allerdings auch schon bald deutliche Fortschritte geben.

Ein klares Lob verdient sich hingegen Ewald Lienen, der seiner Mannschaft mit einer durchaus offensiven Ausrichtung und den richtigen taktischen Vorgaben lange Zeit Oberwasser verschaffen konnte. Letztlich war die Absicherung bei den Hamburgern jedoch nicht gut genug und so konnten sie die individuelle Klasse des Gegners nach der Pause nicht mehr gänzlich eindämmen. Dementsprechend kurios ist es eigentlich, dass das entscheidende Tor ausgerechnet dann fiel, als St. Pauli anfing, sich extrem zurückzuziehen. Nichtsdestotrotz besitzt das Team von Ewald Lienen das Potential, eine der positiven Erscheinungen dieser Zweitligasaison zu werden.