Eckt mit Äußerungen über seine Spieler an: Trainer Alexander Zorniger Foto: Getty

Beim 2:2 in Hoffenheim galt: Ergebnis geht vor Erlebnis. Das darf sich Alexander Zorniger zugute schreiben. Was nichts daran ändert: Gegen den Trainer baut sich intern eine Front auf. Es brodelt gewaltig beim VfB Stuttgart.

Sinsheim - Manche Szenen verfolgen einen Fußballprofi ein Leben lang, und nicht immer hebt die Erinnerung das Wohlbefinden. Timo Werner jedenfalls wird die Situation in Hoffenheim, als er Sekunden vor dem Ende der Nachspielzeit den möglichen Siegtreffer versemmelte, noch ein paar Tage beschäftigen. Mehr noch als seine Grätsche ins Leere aber dürften dem Stürmer die Worte und Gesten seines Trainers nachhallen, aus denen der ganze Frust über den verpassten Dreier sprachen. „Den Ball konnte Timo nicht reinmachen“, sagte Alexander Zorniger, „er war ja noch so mit Küsschen verteilen nach dem 2:2 beschäftigt.“ Bei seinem Ausgleichstor kurz zuvor hatte Werner auf seinem Weg zurück zur Mittellinie Kusshändchen ins Publikum verteilt. Als er dann den Ball aus kurzer Distanz am Tor vorbeischob, bekam Zorniger an der Seitenlinie einen Wutanfall und warf voller Sarkasmus seinerseits Kusshände ins Publikum.

Bitte, das ist legitim. Klug ist es nicht.

Zumal für einen Trainer, der nach sechs Niederlagen aus acht Spielen nicht die besten Argumente auf seiner Seite hat, die Zweifel der Anhänger an seinem Wirken mit jeder Partie nährt – und auch intern aktiv daran mitwirkt, zur sportlichen Krise weitere Brandherde zu legen und zusehends Kredit zu verspielen. Denn die süffisante Reaktion auf Timo Werner ist kein Einzelfall: Reihenweise bringt Zorniger die Spieler gegen sich auf – so sehr, dass seine Schützlinge nun gegen ihn aufmucken und ihn zuletzt zum Rapport gebeten haben. Motto: Mehr Respekt bitte! „Wir haben intern mit ihm gesprochen“, bestätigt Daniel Didavi, „und dabei hat der Trainer zu erkennen gegeben, dass er die eine oder andere Aussage hinterfragt hat.“ Auswahl gab es ja genügend.

Martin Harnik: Erst Reservist, dann Kapitän

Erst zählte Zorniger seine Reservisten pauschal an. Dann machte er Front gegen Innenverteidiger Georg Niedermeier, der bei ihm nur noch Reservist ist: „Wir haben ja kein brutales Eins-gegen-eins-Monster auf der Bank“, sagt er über die VfB-Defensive, „und kommt mir jetzt nicht mit Georg.“ Niedermeiers Berater Roman Grill war fassungslos: „Einen Spieler, der so lange im Verein ist, zu vernichten, ist dumm.“ Martin Harnik setzte Zorniger zuletzt aus sportlichen Gründen auf die Ersatzbank. In Hoffenheim musste der Österreicher plötzlich die Kohlen aus dem Feuer holen und lief nach dem Ausfall von Christian Gentner sogar als Kapitän auf, was ziemlich schräg wirkte. Und dann ist da noch der Fall Didavi.

Dem Spielmacher bescheinigte der Trainer vor dem Spiel in Hoffenheim „eine deutliche Problematik im Kniegelenk, und die strahlt aus“. Nun ist es kein Geheimnis, dass Didavi im Training immer wieder kürzertritt, seit Wochen aber kein Spiel verpasst hat. Deshalb provozierte Zorniger mit seiner Äußerung Unverständnis, vor allem bei Daniel Didavi selbst, der seinen Unmut kaum verbirgt. „Der Trainer hat etwas gesagt. Ob ich das so sehe oder nicht, ist zweitrangig. Ich kann nur sagen: Mir geht es gut“, erklärte er in Hoffenheim sichtlich verschnupft.

So tritt der Coach von einem Fettnäpfchen ins andere. Warum? Weil ihm die Mannschaft zu ruhig ist und er um des Erfolges willen einzelne Spieler anstacheln will, sagen seine Fürsprecher. Die anderen, intern wie extern, rümpfen pikiert die Nase über den Wüterich auf der Trainerbank. „Zorniger ist ein Mini-Mourinho“, sagte Sky-Experte Stefan Effenberg am Wochenende, „in seinen Interviews haut er schon mal richtig drauf. Aber es ist natürlich immer wichtig, wie man sich öffentlich äußert und wie ein Spieler das dann aufnimmt.“

In Hoffenheim zieht Zorniger Plan B aus der Tasche

Die Gefahr, dass er den einen oder anderen Akteur bei seiner Suche nach Erfolg verliert, ist groß. Dabei hat Zorniger gerade gegen Hoffenheim gezeigt, dass er nicht der Sturkopf ist, der auf Teufel komm raus an seiner Taktik festhält. Nicht vogelwild, sondern mit kontrollierter Offensive trat der VfB auf. Statt immer noch eine und noch eine Torchance herauszuarbeiten, ging die Mannschaft auf Nummer sicher und federte so die Vorstöße des Gegners ab. Und wenn das 2:2 am Ende den Sturz auf den letzten Tabellenplatz auch nicht verhinderte, so spricht der Einsatz von Plan B zunächst für Zorniger. Allerdings: Wer sein System aus Pressing und Gegenpressing wochenlang als alternativlos und als taugliches Mittel gegen jede Mannschaft der Welt bezeichnet hat, muss sich ein paar gute Argumente bereitlegen, um das Abrücken plausibel zu begründen.

Es ist nicht der einzige Punkt, der beim VfB erklärungsbedürftig ist. Antworten müssen die Chefs am Sonntag geben: Nach den Spielern bitten dann die Fans bei der Mitgliederversammlung zur Aussprache.