Maskenball in München: VfB-Profi Carlos Gruezo Foto: Baumann

Es ist keine Schande, 0:2 beim FC Bayern zu verlieren. Dennoch war der Auftritt des VfB Stuttgart bedenklich – im Spiel und noch mehr danach. Statt Leidenschaft herrscht zuweilen ein fataler Hang zur Sofa-Mentalität.

München - Den gruseligsten zahlreicher gruseliger Auftritte von VfB-Vertretern in München hatte Moritz Leitner nach dem Schlusspfiff. Da schlurfte der Mittelfeldspieler im Schneckentempo Richtung Bus, den Kapuzenpullover weit über den Kopf gezogen, sein Handy in der Hand, den Blick starr auf das Display gerichtet. Voll cool, Alter! Nur die Äuglein, die er im letzten Moment zur wartenden Medienschar rollte, passten nicht zur demonstrativen Abgeklärtheit. Fragt mich bloß was, baten sie – aber nicht flehend, sondern provokativ. Prompt bäffte Leitner, als er angesprochen wurde, zurück: „Da gibt es Ältere, die können besser sprechen.“ Weg war er.

Vedad Ibisevic konnte er damit nicht gemeint haben. Der Torjäger a. D. blieb wie im Spiel auf Tauchstation und schwieg beharrlich. Andere sprachen dann tatsächlich, was nicht minder schaurig war als Leitners Lausbuben-Nummer. Sven Ulreich etwa fand, der VfB habe es „über weite Strecken sehr gut“ gemacht. Das Fazit des Torhüters: „Das war schon besser als gegen Köln.“ Na, dann geht es ja aufwärts. Manager Fredi Bobic freute sich, „wie sich die Jungs in jeden Ball reingestürzt haben“. Florian Klein betonte dreimal, der VfB könne positive Erkenntnisse aus dem Spiel ziehen. Was genau? „Andere Mannschaften liegen in München zur Pause schon 0:4 zurück“, gab der Österreicher zum Besten, „aber wir sind nicht abgeschossen worden.“ Wenn das der neue Anspruch ist, hätte sich mancher Fan gewünscht, der VfB hätte ihn schon auf dem Bestellformular für die Dauerkarten so klar formuliert.

Defensiv stand der VfB solide

Diese Selbstzufriedenheit verstellt den Blick für die Realität: Platz 17 ist prekär, die Perspektive bedrohlich. Defensiv stand der VfB solide, kassierte aber zwei Tore gegen einen FC Bayern, der sich im Trainingsmodus befand. Offensiv bot er eine Leistung, die mit harmlos noch euphorisch umschrieben ist. Bayern-Keeper Manuel Neuer musste keinen einzigen Ball abwehren. Danke für nichts!

Früher sind im Südderby die Fetzen geflogen, da war Feuer drin und Leidenschaft, und der Siegeswille des VfB wuchs über das Stadiondach hinaus. Am Samstag drohten die Fans sanft zu entschlummern, weil viele sich nicht einmal mehr über die endlosen Ballverluste, Abspielfehler und andere technische Mängel aufzuregen vermögen. Beispiele? Gotoku Sakai, der Verteidiger, hat einen Stammplatz auf den Außenpositionen – aber warum? Er spielt rechts wie links das, was er kann. Dem VfB genügt das. Sollte sich tatsächlich auf allen Kontinenten keine einzige bessere Alternative zu ihm finden lassen, dann steht der Untergang des Weltfußballs bevor.

Christian Gentner, der Kapitän, war ebenso ein Ausfall wie Ibisevic und Martin Harnik. „Sie wollen ja“, sagte Bobic. Folglich können sie es nicht (mehr) besser, was zu der Erkenntnis führt, dass der personelle Schnitt vor der Saison nicht tief genug war. Die sogenannten Führungsfiguren beim VfB sind gar keine, wie sie beim Fast-Abstieg in der vergangenen Saison schon nachgewiesen hatten. Die Neuzugänge, meist jung und der Unterstützung bedürftig, müssen allein zusehen, wo sie bleiben. Filip Kostic etwa zeigte gute Ansätze, ging dann aber auch im Einerlei unter.

Besserung ist nicht in Sicht

So geht alles weiter wie gehabt, Besserung ist nicht in Sicht. So wirkte es wie ein Erweckungserlebnis, dass sich wenigstens einer der lähmenden Lethargie widersetzte. Antonio Rüdiger wirkte so, als müsse er sich auf die Zunge beißen, dennoch fand er deutliche Worte. „Wenn das so weitergeht, wird diese Saison wie die vergangene“, warnte er, „dagegen muss jeder etwas tun. Wir müssen gegen jeden Gegner 100 Prozent geben, das muss jedem klar sein.“ Ist es aber wohl nicht.

Dabei ist dieser Satz beim VfB seit Jahren zu hören, genau wie die stereotype Schutzhaltung für manchen Spieler, die da lautet: „Er braucht noch Zeit.“ Bayern-Trainer Pep Guardiola entlarvte sie am Samstag, als er über die blitzschnelle Eingewöhnung von Xabi Alonso sagte: „Die Guten brauchen keine Zeit. Dass sie noch Zeit brauchen, ist nur eine Ausrede der Schlechten.“ Darüber lohnt es sich, länger nachzudenken.