VfB-Stürmer Julian Schieber will gegen seine alten Kollegen vom 1.FC Nürnberg drei Punkte holen. Foto: Pressefoto Baumann

VfB-Stürmer Julian Schieber zögert vor Spiel gegen Ex-Verein Nürnberg mit Vertragsverlängerung.

Stuttgart - Es war fast schon ein bisschen rührend, was sich da im vergangenen Jahr Mitte Februar in der Mercedes-Benz-Arena ereignete. Ein Stürmer der Gäste hatte VfB-Innenverteidiger Serdar Tasci kurz vor Spielende gefoult, und beim gemeinsamen Aufstehen gab es nicht etwa nur eine kurze Entschuldigung. Nein, der Angreifer redete auf seinen Gegenspieler ein, als sei es ein Mitspieler: „Auf geht’s, Serdar, komm, weiter, weiter, auf geht’s“, sagte der Stürmer. Dabei wusste er, dass seine warmen Worte nicht mehr viel bringen würden. Es stand 4:1 für sein Team, und er selbst hatte Tasci zuvor nicht nur gefoult, sondern auch ein paarmal schwindelig gespielt. Obendrein schoss er noch ein Tor und bereitete eins vor. Der VfB, er war am Boden.

Aber der Stürmer irgendwie auch.

Es war der 1. FC Nürnberg, der in der vergangenen Rückrunde 4:1 in Stuttgart gewann. Und der Mann, der sich nicht so recht freuen wollte ob seines Treffers und des Auswärtssiegs, war Julian Schieber. Für ein Jahr war er damals vom VfB an den Club ausgeliehen. Das Eigengewächs der Roten setzte sich zum Ziel, im Sommer 2011 nicht mehr als kleiner Jugendspieler zum VfB zurückzukehren, sondern als gestandener Bundesligaprofi. Und das gelang ihm eindrucksvoll. In 29 Partien für Nürnberg schoss er sieben Tore und gab neun Vorlagen. Er beeindruckte mit seiner Wucht und seiner Dynamik. Er spielte eine starke Saison.

Und den VfB, den düpierte er im Rückrundenspiel fast im Alleingang. Dass er sich darüber nicht freute und stattdessen eine Miene aufsetzte, als hätte er sechs Eigentore geschossen, sagt dabei einiges aus über die Beziehung Schiebers zum VfB. Die Roten steckten mitten im Kampf gegen den Abstieg, da war an Jubel eben nicht zu denken. „Da konnte ich mich einfach nicht freuen“, sagt Schieber. Der VfB ist sein Verein, und selbstredend sagt Schieber vor dem Duell mit seinen alten Kollegen vom 1. FC Nürnberg an diesem Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Liga total), dass er dieses Mal sehr wohl jubeln wolle, wenn ihm ein Tor gelinge: „Das hat dann auch nichts mit Respektlosigkeit zu tun.“ Punkt.

Schiebers Stellenwert im Verein

Die Beziehung zwischen Schieber (23) und dem Club, das ist eben eine ganz andere Kiste als die zwischen Schieber und den Roten. Der VfB sei sein Zuhause, sagt der Stürmer, der aus Backnang kommt und dessen Eltern in Weissach im Tal eine Baumschule haben.

Aber wie es manchmal so ist – in Beziehungen verläuft nicht immer alles reibungslos. Es knatscht hier und da, und manchmal steckt die Partnerschaft in einer Krise. Zwischen Schieber und dem VfB hakte es zuletzt in der Winterpause, als ihm Trainer Bruno Labbadia sagte, er solle mehr aus sich herausgehen und nicht so verhalten auftreten.

Schieber hatte sich nach einer langwierigen Verletzung (Muskelbündelriss) zum Ende der Hinrunde wieder ans Team herangekämpft – doch wirklich angekommen war er noch nicht. Und als er im DFB-Pokal gegen den FC Bayern (0:2) im Februar von Beginn an randurfte, aber wie so viele seiner Mitspieler schwach spielte, saß er in der nächsten Partie prompt wieder draußen. Erst bei 1899 Hoffenheim (2:1) durfte er wieder von Anfang an ran, allerdings das nur wegen der Verletzung von Shinji Okazaki. All das wirft durchaus Fragen auf nach Schiebers sportlicher Perspektive – und nach seinem Stellenwert im Verein.

Labbadia: „Mehr Vertrauen kann man nicht bekommen“

Der Stürmer, dessen Vertrag bis 2013 läuft, sagt, dass er gerade nicht über eine Verlängerung reden wolle. Er sagt aber auch, dass er gerne verlängern würde – wenn die Perspektive passt. Beim VfB wird ja immer davon geredet, dass man in Zukunft vermehrt auf junge Spieler setzen will und mit Eigengewächsen den Stuttgarter Weg beschreiten will. Kritiker im Umfeld bemängeln aber, dass diese jungen Spieler keine Rückendeckung genießen. Als Beispiel dafür dient Schieber, der nach einem schwachen Spiel gegen den FC Bayern auf der Bank schmorte.

Der Stürmer wartet nun auf ein Signal vom Verein – ein Signal, das es laut Trainer Bruno Labbadia längst gegeben hat. In der Vorrunde, als Schieber noch verletzt war, bot ihm der VfB eine Vertragsverlängerung an. „Mehr Vertrauen kann man nicht bekommen“, sagt Labbadia. Schieber sagt, dass er nicht verlängern wollte, weil die Situation wegen seiner Verletzung unpassend gewesen sei.

Jetzt ist er wieder fit, und er kann gegen Nürnberg Eigenwerbung betreiben. Stürmer Vedad Ibisevic fehlt gelbgesperrt, der linke Offensivmann Okazaki fällt verletzt aus. Schieber wird spielen. Ob im Sturmzentrum oder wie in Hoffenheim auf links, ist ihm egal: „Der Sturm ist meine Lieblingsposition, aber links zu spielen macht mir auch Spaß. Da nimmt man mehr am Geschehen teil.“ Hauptsache, er spielt. Und zwar bei seinem Verein, dem VfB Stuttgart.