An vielen Fronten gefordert: VfB-Sportvorstand Robin Dutt Foto: Baumann

Die sportliche Krise und die langfristigen Planungen fordern Robin Dutt derzeit in besonderem Maße. Dazu kommt: Der Sportvorstand des VfB muss noch immer zahlreiche Skeptiker überzeugen.

Stuttgart - Mit Quervergleichen war den Protagonisten der Fußballbranche noch selten gedient. Mit Blicken in die Vergangenheit verhält es sich meist ähnlich. Glauben Sie nicht? Dann fragen Sie mal Robin Dutt.

Seit 67 Tagen ist der 50-Jährige nun Sportvorstand des VfB Stuttgart – und weil der Club dank des sportlichen Niedergangs derzeit so vertrauenswürdig daherkommt wie ein Gebrauchtwagen ohne Tüv-Plakette, kämpft auch Robin Dutt mehr als zwei Monate nach seinem Amtsantritt nicht nur um das Vorankommen auf fußballerischem Parkett – sondern auch mit der Skepsis zahlreicher Begleiter.

In Bremen, sagen sie über Dutts vorherigen Arbeitgeber, laufe es blendend, seit der Leonberger entlassen worden ist – Werder hat sich unter Trainer Viktor Skripnik längst aus dem Tabellenkeller verabschiedet. Und weiter: Sportdirektor will dieser einstige Vollbluttrainer im Grunde doch gar nicht mehr sein. Schließlich habe er diesen Posten beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) einst bewusst verlassen, um wieder Coach zu sein. Es sind diese Fakten der Vergangenheit, die Dutts „Herkulesaufgabe“ beim VfB noch erschweren. Dabei sagt der Leonberger doch: „Ich bin ein Gegenwartsmensch.“ Mit Blick für die Zukunft.

Das war schon immer so, sagen Menschen, die Robin Dutt kennen, seit er als junger aktiver Fußballer bei der SVGG Hirschlanden aktiv war. Die seine erstaunliche Trainerkarriere verfolgt haben, die in der Kreisliga (TSG Leonberg) begann und nach nur vier Vereinswechseln in der Champions League bei Bayer Leverkusen ihren vorläufigen Höhepunkt fand.

Er musste mehr leisten als andere

Die erlebt haben, wie Dutt stets konzeptionell dachte und Spieler mit Argumenten zu überzeugen versuchte. Die registrierten, wie der Sohn eines Inders und einer Schwarzwälderin – wohl wissend, dass er ohne eine glanzvolle Profikarriere im Rücken mehr leisten musste als andere – die Ausbildung zum Fußballlehrer als Lehrgangsbester abschloss, früh auf die Karte Fußball setzte, sein Netzwerk zügig erweiterte und Chancen konsequent nutzte. Die Weiterentwicklung war stets ein Dutt’sches Prinzip. Und nun? Begleitet er ehrenvoll den Niedergang des VfB Stuttgart?

So war das nicht gedacht, als Dutt auf dem Wasen sein Büro bezog, und so soll es nach wie vor nicht sein, obwohl die sportliche Misere sich eher noch verschärft hat, seit der ehemalige offensive Mittelfeldspieler in den VfB-Vorstand berufen worden ist. Unabhängig davon soll Dutt Strukturen schaffen und Konzepte umsetzen, die den Club wieder zu einem Erfolgsmodell werden lassen. Er soll das Wirken Einzelner einen, als Basis dafür aber auch den Nichtabstieg sichern. Und manch einer fragt noch immer: Kann Robin Dutt das schaffen?

Herausforderungen gewohnt

Ja, versichert der Vater eines Sohns, verweist auf seine Erfahrungen in allen Leistungsbereichen des Fußballs und gibt den Optimisten: „Wir haben alles in der eigenen Hand.“ Die Frage aber könnte auch anders beantwortet werden: Robin Dutt muss es schaffen. Oder: Wer, wenn nicht er, soll es hinbekommen. „Die wichtigste Personalie“, hat VfB-Präsident Bernd Wahler schließlich gesagt, „ist der Sportvorstand.“ Und Dutt ist Herausforderungen gewohnt.

Zwar feierte er seine größten Erfolge in Clubs, denen ein familiäres Umfeld nachgesagt wird. Einfach waren die Aufgaben bei den Stuttgarter Kickers (mäßiges Team, kaum Geld) und beim SC Freiburg (Nachfolger von Volker Finke, gespaltenes Umfeld) aber keineswegs. Und selbst bei Bayer Leverkusen, Gegner des VfB an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky), waren die Bedingungen trotz großer sportlicher Qualität und gefüllter Clubkasse nicht wirklich einfach.

„Dutt kam zum falschen Zeitpunkt“

„Robin Dutt kam zum falschen Zeitpunkt“, sagt der damalige Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhauser rückblickend, weil der geplante Umbruch überstürzt wurde. Der Ex-Coach gibt aber auch zu: „Ich habe Fehler gemacht.“ Und sich nicht nur Freunde. Nicht zum ersten Mal wurde ihm seine durchaus selbstbewusste Art als Arroganz ausgelegt, Gesprächspartner fühlten sich belehrt, im medialen Miteinander versuchte Dutt schon immer, die Spielregeln aufzustellen. Dennoch ließ er Raum für Spekulationen und Missverständnisse.

Auch in Stuttgart wurde man zuletzt nicht immer schlau aus seinen mehr oder minder glaubhaften Bekenntnissen zu Trainer Huub Stevens. Steht er wirklich zum Chefcoach? Oder spielt er ein falsches Spiel, weil in Alexander Zorniger schon ein Nachfolger parat steht? Das Vertrauen zwischen Trainer und Sportchef soll dennoch groß sein. Aber nicht nur deshalb sind sie an der Mercedesstraße überzeugt, dass es richtig war, den Fußballlehrer zum Rollentausch zu bewegen.

Er lebt Fleiß und Akribie

Dutt hat mit klugen Konzepten und fundierten Präsentationen überzeugt, die seine Vorgänger in dieser Art nicht bieten konnten. Prozesse aus der Welt der Wirtschaft sind dem gelernten Industriekaufmann nicht fremd. Er eint Arbeitsbereiche, verzahnt und steuert sie in eine gemeinsame Richtung. Er lebt Fleiß und Akribie vor, repräsentiert den Verein – abgesehen von seiner Äußerung zu den Doping-Enthüllungen – in einer angenehmen Art und Weise, und: Dutt strahlt mehr und mehr aus, dass ihn sein neuer Job auch wirklich erfüllt. Das Gefühl, als Pendler zwischen Spielfeldrand und Schreibtisch, zwischen Gegenwart und Zukunft etwas bewegen zu können, wärmt das Herz des Strategen und Pragmatikers Robin Dutt.

Sein erster wichtiger Teilerfolg wäre der Klassenverbleib in dieser Saison – der auch manchen Geist der Vergangenheit vertreiben könnte.