Florian Klein, Lukas Rupp und Serey Die Foto: Bm

Glück braucht der Mensch. Und Glück hatte der VfB Stuttgart: Denn das Siegtor von Daniel Didavi zum 1:0 (0:0) gegen den FC Ingolstadt war irregulär. Egal: Die Roten haben die Abstiegsplätze verlassen.

Stuttgart - Die letzten Minuten zogen sich so zäh dahin wie ein lange malträtierter Kaugummi. Quälend langsam tickte die Uhr hinunter, und als Schiedsrichter Guido Winkmann auf vier Minuten Nachspielzeit entschied, setzte er alle Beteiligten einer Nervenprobe aus, die keiner benötigte. Immerhin: Der VfB ließ nichts mehr anbrennen, und als die Qualen endlich ein Ende hatten, blieb ein Bild in den Köpfen der Fans hängen: Przemyslaw Tyton und Daniel Didavi, die sich erleichtert in die Arme fielen.

Tyton, Didavi: die Gesichter des Sieges.

Tyton, der Torhüter, hielt hinten dicht. Didavi hielt vorn den Schlappen hin und gab mit seinem Stollen dem Ball den womöglich entscheidenden Kick. Allerdings stand er im Abseits, doch das Tor zählte. 1:0, der Siegtreffer (59.). Er war es auch deshalb, weil Tyton sein bisher bestes Spiel im VfB-Trikot hinlegte – nicht nur, weil er schon nach vier Minuten einen allerdings schwach geschossenen Foulelfmeter von Mathew Leckie parierte. Martin Harnik hatte zuvor die Beine von Benjamin Hübner getroffen.

Serey Dié fehlt nach Gelb-Rot beim Spiel in Leverkusen

Ein wenig Glück war also in beiden Szenen dabei, doch das störte Alexander Zorniger nicht. „Wir müssen uns nicht schämen für diesen Sieg“, sagte der VfB-Trainer nach zuvor vier Heimniederlagen in Folge: „Wir sind froh, dass wir erst mal kurz durchatmen können.“ Kurz, denn leichter wird es nicht. Nächsten Samstag tritt der VfB bei Bayer Leverkusen an, allerdings ohne Serey Dié, der mit neuer Frisur (ohne den weißen Mittelstreifen) einen verkürzten Arbeitstag erlebte. Nach wiederholtem Foulspiel handelte er sich Gelb-Rot und eine Sperre ein (86.).

Es war einer der weniger Aufreger in einem Spiel, das nicht gerade als Spektakel in die Annalen eingehen wird. Der VfB war zwar die meiste Zeit am Drücker, doch vom mitreißenden Angriffsfußball der ersten Partien war nicht mehr viel zu sehen. Das Niveau erreichte allenfalls Mittelmaß, viele Aktionen waren allzu berechenbar und bieder. Es gab wenig Rotation auf den Positionen und kaum überraschende Spielzüge. Was auch an den verletzungsbedingten Personalwechseln lag. Lukas Rupp ist nun mal kein Christian Gentner, und der äußerst unglücklich agierende Timo Werner hat eben (noch) nicht die Qualität von Daniel Ginczek. Alexandru Maxim fremdelt noch etwas mit seiner neuen Position im linken Mittelfeld und ist ein anderer Typ als Filip Kostic, der mit seinen Vorstößen auf dem Flügel Lücken reißt und Gefahr heraufbeschwört. Und Maxims rechtes Pendant Martin Harnik war nur ein Schatten jenes gleichnamigen Profis, der zum Ende der vergangenen Saison zur Höchstform aufgelaufen war.

Am Sonntag fiel das nicht weiter ins Gewicht, weil der bisherige Tabellenletzte den Dreier dennoch eingefahren hat – nach der Devise: Hauptsache gewonnen. „Heute haben wir mal eine schlechte Statistik, aber dafür drei Punkte. Das ist mir sehr recht“, sagte Alexander Zorniger und hob das entscheidende Plus hervor: „Wir wollten den Sieg vielleicht mehr als in den bisherigen guten Heimspielen.“

Robin Dutt: „Die Balance im Spiel hat sich verbessert“

Unspektakulär, aber endlich erfolgreich: Wenn das der Weg ist, der aus dem Keller führt, soll es allen recht sein.

„Am neunten Spieltag gibt es noch nichts zu feiern“, wehrte Sportvorstand Robin Dutt die Glückwünsche zum Sieg ab. Ein bisschen stolz war er aber doch. „Ich erkenne einen Reifeprozess in der Mannschaft“, sagte er, „wir haben die wichtigsten Elemente unserer Spielidee wie das aggressive Anlaufen des Gegners und das schnelle Umschalten bewahrt, aber diesmal haben wir auch nach hinten schneller umgeschaltet. Die Balance zwischen Offensive und Defensive ist deutlich besser geworden.“

Bitte, beides muss noch besser werden. Hinten blieb erneut die eine oder andere Schrecksekunde nicht aus, und vorn hätte Timo Werner dreimal jubeln können, als er jeweils allein aufs Ingolstädter Tor zulief – und den Ball dreimal nicht unter Kontrolle brachte. Was Zorniger ihm nachsah: „Timo war am Ende platt.“ Platt – und überglücklich. Es hatte ja auch so zum Sieg gereicht.