VfB-Präsident Bernd Wahler ist für einen Kurztrip nach Belek gereist Foto: Baumann

Das Projekt ist aufs Engste mit seinem Amt und seinem Namen verbunden: Die Umwandlung des VfB Stuttgart in eine Fußball-AG. Wir haben uns mit Präsident Bernd Wahler über Chancen und Risiken unterhalten.

Belek - Auch wenn das Zutrauen in den neuen Trainer zunächst unerschütterlich ist, so beruhigt es das Gewissen und festigt die Zuversicht doch ungemein, wenn der Chef selbst ein Auge auf die praktische Umsetzung der gemeinsamen Ziele hat. Deshalb ist Bernd Wahler von Beginn an dabei im Trainingslager in Belek, und weil sechs Augen mehr sehen als zwei, hatte der VfB-Präsident bis Donnerstag die beiden Aufsichtsräte Martin Schäfer und Hartmut Jenner im Schlepptau.

Wohlmeinend verfolgte das Trio von der Tribüne des hoteleigenen Stadions aus, wie Jürgen Kramny unten auf dem Rasen die Spieler anleitet. Und sie erkannten nichts, was die optimistische Perspektivhaltung des Dreigestirns gestört hätte. „Unser Ziel bleibt ein gesicherter Mittelfeldplatz“, sagt Wahler – und schöpft seine Zuversicht nicht zuletzt aus dem Sieg gegen den scheinbar übermächtigen VfL Wolfsburg kurz vor Weihnachten: „Dieses Spiel müssen wir zum Maßstab nehmen.“ Was einfacher gesagt als getan ist bei einer Mannschaft, die nicht ohne Grund auf Platz 15 der Tabelle steht. „Mit unserer Punktzahl könnten wir auch 18. sein“, räumt Wahler selbst ein. Doch da sind ja noch die zwei neuen Jungs auf dem Platz.

Die beiden Neuzugänge Kevin Großkreutz und Artem Kravets verkörpern die Sehnsucht, dass der ersehnte Höhenflug auch bitte schön umgehend einsetze. Und dass der VfB sportlich endlich in ruhigeres Fahrwasser gerate. „Ich bin jetzt zweieinhalb Jahre im Amt, aber wir hatten nie eine Phase, in der bei zwei Niederlagen in Folge nicht das Gefühl aufgekommen wäre, wir seien in höchster Abstiegsgefahr.“ Weshalb Wahler an diesem Freitag flugs nach Stuttgart an seinen Schreibtisch im VfB-Clubzentrum zurückkehrt

Regionalversammlungen starten am Montag

Dort wartet am Montag nebenan in der Soccer Lounge der Mercedes-Benz-Arena die erste von elf Regionalversammlungen, die den Mitgliedern die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Kapitalgesellschaft schmackhaft machen sollen. Die Umwandlung, daran lässt der VfB seit Monaten keinen Zweifel, ist für den künftigen sportlichen Erfolg so entscheidend wie Tore und Siege. Nur so lässt sich frisches Geld erwirtschaften, damit der Verein im Wettstreit mit längst hochkapitalisierten Rivalen überhaupt wieder den Anschluss findet. „Da gibt es einiges vorzubereiten“, weiß Bernd Wahler, den eine Herkulesaufgabe an Überzeugungsarbeit erwartet. „Ich freue mich auf den Austausch mit den Mitgliedern“, sagt er – wohl wissend, dass die Vorbehalte nach wie vor immens groß sind. Der nötigen Satzungsänderung müssen bei der Abstimmung im Sommer 75 Prozent der anwesenden Mitglieder zustimmen. Diese Quote ist nicht annähernd in Sicht. „Das ist ein relativ aufwendiger Prozess“, sagt Wahler.

Aber einer, der sich lohnen soll, wenn der VfB erst einmal die veranschlagten 50 bis 80 Millionen Euro auf dem Konto haben wird. Weshalb Wahler mit kühlem Kopf in die heiße Findungsphase geht, aber auch um die Risiken weiß: Scheitert das Projekt, scheitert auch er. Schon vor gut einem Jahr hatte der Verein den geplanten Schritt zu einer VfB Stuttgart 1893 GmbH verschieben müssen, weil ihm die Mitglieder die Gefolgschaft zu versagen drohten.

Die verweigerte Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat bei der letzten Mitgliederversammlung war ein weiterer Schuss vor den Bug. Was Wahler nicht davon abhält, an seinem Zeitplan festzuhalten. Auf die elf Regionalversammlungen folgen am 28. Februar eine Zukunftswerkstatt mit Fanvertretern und danach elf weitere Regionalversammlungen, im Sommer kommt es dann zum Schwur. „Wir ziehen den Prozess der Vereinsentwicklung durch“, stellt Wahler klar. Eine weitere Verschiebung der Ausgliederung wird es demnach nicht geben, wobei der VfB offen ist für Varianten zu einer AG – sofern sie überzeugend sind.

Überzeugender jedenfalls als der momentane sportliche Ist-Zustand. „Wir können das so rational angehen, wie wir wollen“, weiß Wahler, „das wird auch eine emotionale Entscheidung.“ Und damit, auf Tabellenplatz 15, eine reichlich unwägbare.