Soll den Unterbau des VfB stärken: Rainer Adrion Foto: Baumann

Früher produzierte der VfB Stuttgart Talente am Fließband. Diese führende Position im Nachwuchsbereich will der Fußball-Bundesligist möglichst bald wieder einnehmen. Die Schlüsselrolle kommt dem ehemaligen Trainer der deutschen U-21-Natonalmannschaft, Rainer Adrion, zu.

Stuttgart - Chefscout Ralf Becker nahm rechts von Jochen Schneider Platz. Links neben dem VfB-Sportdirektor saß der Mann, der der Talentschmiede auf dem Wasen wieder zu neuem Glanz verhelfen soll: Rückkehrer Rainer Adrion. „Die Nachwuchsarbeit ist wichtig und zeitintensiv. Ein Ergebnis unserer Saisonanalyse war es, uns noch mehr zu spezialisieren“, sagte Schneider bei der Präsentation des früheren DFB-Trainers. Und auch Ralf Becker machte keinen geknickten Eindruck, weil er seine Doppelfunktion nun los ist. „Wir hinterfragen uns ständig kritisch, und es gibt immer Dinge zu optimieren“, sagte er. Becker wird sich künftig komplett aufs Scouting konzentrieren. Adrion übernimmt die sportliche Leitung des Drittligateams sowie der Nachwuchs-Bundesliga-Mannschaften U 19 und U 17. „Der VfB hat in diesem Bereich gemeinsam mit dem FC Bayern München die professionellsten Strukturen. Ich will mithelfen, diese zu optimieren“, sagte der 60-Jährige.

Alexander Hleb, Kevin Kuranyi, Andy Hinkel, Ioannis Amanatidis, Mario Gomez, Timo Hildebrand, Serdar Tasci, Christian Gentner oder Sami Khedira formte Adrion einst in der zweiten Mannschaft des VfB. Diese Talente schafften nicht nur den Sprung in die Bundesliga, sondern auch in die Nationalmannschaft. Es ist auffallend, dass seit Adrions Weggang 2009 mit den Eigengewächsen nicht mehr so viel Staat zu machen war. Timo Werner und Antonio Rüdiger sind aktuell die leuchtenden Ausnahmen. Ansonsten haben viele Spieler, die in der Jugend große Erfolge gefeiert haben, in ihrer Entwicklung stagniert. Die Österreicher Raphael Holzhauser oder Kevin Stöger sind zwei Beispiele. Auch Rani Khedira und Manuel Janzer machten keine entscheidenden Fortschritte. Jetzt wechselten sie zu Zweitligisten, wie in den Monaten zuvor andere VfB-Talente auch. Irgendetwas muss in den vergangenen Jahren schief gelaufen sein. Woran das liegt? Diese Frage treibt die VfB-Strategen um.

Es gibt Stimmen, die behaupten, dass durchaus noch intensiver und härter auf dem Platz an den Schwächen der Spieler gearbeitet werden könnte. Dass es für die Asse von morgen nicht mehr selbstverständlich ist, ans Maximum zu gehen, und sie zu schnell zufrieden sind. Die eine oder andere Fehleinschätzung, was die Qualität von Spielern betrifft, kam hinzu. Die Beförderung von Jungs aus dem eigenen Stall hatten zum Teil mehr mit PR und Effekthascherei zu tun, als mit dem Können der Kicker. Auch kein Vorteil: Die Kommunikation von Schlüsselfiguren untereinander war bisweilen mangelhaft. Zwischen Jürgen Kramny, dem Trainer der Drittligamannschaft, und Ralf Becker fand sie gar nicht statt.

Das alles soll Rainer Adrion mit all seiner Erfahrung und Diplomatie nun wieder ordnen, überwachen und in die richtige Richtung lenken. Er selbst will sich über die Vergangenheit gar nicht groß auslassen. Der gebürtige Stuttgarter, der im Remseck lebt, blickt lieber nach vorne. „Kontinuität ist sicher ein wichtiger Aspekt“, betont Adrion. Durch die Abgänge von Marc Kienle, Frieder Schrof und Thomas Albeck im Nachwuchsbereich wussten Spieler und Eltern lange Zeit nicht, wem sie auf dem Wasen vertrauen sollten. Und andere Vereine schlafen nicht. „Durch die verbindliche Einführung der Nachwuchsleistungszentren geben alle Clubs Gas, viele haben aufgeholt, manche haben uns überholt“, weiß Sportdirektor Jochen Schneider.

Er setzt auf die neue Struktur. Auf Adrions Expertise. Auf Beckers Auge. „Es ist kein Zufall, dass ein Carlos Gruezo aus Ecuador bei uns gelandet ist. Das ist auch Ralfs Verdienst“, lobt Schneider. Und das Scouting soll weiter verbessert werden. Der VfB will noch stärker auf die Einschätzung und das Netzwerk von ehemaligen Spielern bauen, die dem Club verbunden sind – vor allem in Mittel- und Südamerika. „Giovane Elber und Pavel Pardo sind wichtige Ansprechpartner für uns“, betont Schneider.

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass aus diesem Raum noch ein Neuzugang zur Mannschaft von Trainer Armin Veh stößt? Schneiders trockene Antwort: „Die liegt bei 36,35 Prozent.“ Es sieht so aus, als wisse der VfB ganz genau, was er in Zukunft will.