Emotional und engagiert: Mainz-Trainer Martin Schmidt Foto: Getty

Martin Schmidt – der Name klingt gewöhnlich. Doch dahinter steckt ein erstaunlicher Lebenslauf. Nun ist der Schweizer Bundesliga-Trainer in Mainz – und hat dem FSV wieder die alt bekannten Stärken verordnet.

Mainz - Es gibt außergewöhnliche Geschichten von Martin Schmidt. Zum Beispiel diese, die davon erzählt, wie er vor fast einem Jahr mit seiner Freundin Jana Azizi durch die Mainzer Innenstadt schlenderte und den Comedian Sven Hieronymus traf. Der führte Video-Interviews für eine Tageszeitung und befragte die Passanten zum Rücktritt des FSV-Coaches Thomas Tuchel – und obwohl Edelfan der 05er, erkannte er Schmidt nicht. Also erklärte der damalige U-23-Coach der Mainzer, er würde mit seiner Freundin nicht über Tuchel, sondern „über unsere Liebe“ reden. Dann grinste Schmidt.

Wie gesagt: Die Geschichte ist außergewöhnlich. Aber noch lange nicht das Erstaunlichste in der Vita des aktuellen Trainers, der an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) mit dem FSV beim VfB Stuttgart antritt.

Bereits damals hatte FSV-Manager Christian Heidel überlegt, den Schweizer zu Tuchels Nachfolger zu machen, entschied sich dann aber für den Dänen Kasper Hjulmand. Als die Mainzer dann nur noch einen Punkt Vorsprung auf Platz 17 hatten und ihr Markenzeichen, das aggressive Spiel gegen den Ball, längst abhandengekommen war, korrigierte Heidel seinen Fehler. Am Rosenmontag musste Hjulmand gehen, einen Tag später, am Fasnachtsdienstag, gab Schmidt in einer emotionalem Pressekonferenz mit heiserer Stimme verbal bereits Vollgas.

„Ich bin ein spezieller Typ“

„Ich habe Mainz 05 aufgesogen und versuche, das zu leben. Ich bin ein lauter Trainer und will versuchen, Emotionen, Leidenschaft und Feuer hereinzubringen“, sagte der Walliser zu dieser weiteren ungewöhnlichen Wendung seines Berufslebens.

Das hat ihn bereits zum Almhirten, Extrem-Skifahrer, Mechaniker in der DTM, Chef einer Tuning-Firma und Besitzer eines Textilunternehmens gemacht – bevor er im Alter von 34 Jahren dann unbedingt Fußballtrainer werden wollte. Nun ist er 48, in der Bundesliga angekommen und sagt über sich: „Ich bin ein spezieller Typ.“

Das wurde deutlich, als er bei seinem Debüt gegen Eintracht Frankfurt (3:1) von seinem Vater, den fünf Schwestern, seinem Bruder, vielen Freunden und von Kuhglockengeläut begleitet wurde. Aber auch seine Krankenakte belegt Schmidts Selbstbild. In der sind sieben Kreuzbandrisse dokumentiert – drei davon zog sich der ehemalige Schweizer Zweitligaspieler beim Fußball zu, zwei beim Skifahren, zwei beim Downhill-Mountainbiken. „Mein Arzt sagt, ich stecke sie weg wie andere eine Erkältung“, sagt Schmidt, der sich auch schon zwei Halswirbel gebrochen hat. Was er allerdings nicht ganz so locker weggesteckt hat, ist die öffentliche Aufmerksamkeit in der Bundesliga. „Darauf war ich nicht vorbereitet“, gibt er zu. Seine erfrischende Offenheit ist inzwischen der Diplomatie gewichen. Nacktfotos, wie er sie als Zweitliga-Coach beim FC Raron machen ließ, um für eine Behindertenwerkstatt Geld zu sammeln, wird es also wohl nicht mehr geben.

Beim FSV sind sie dennoch froh, dass Tuchel den Schweizer 2010 nach Mainz gelotst hat. Bei einem Turnier in Ergenzingen besiegte Schmidt mit der U 21 des FC Thun Tuchels Mainzer A-Junioren. Danach hat „Thomas mich mit seinem Fieber angesteckt“, sagt Schmidt, der den FSV ins gesicherte Mittelfeld geführt hat. „Er hat frischen Wind reingebracht und vermittelt Vollgas. Wir spielen ähnlich wie unter Tuchel, weil er weniger Wert auf Ballbesitz legt, sondern auf schnelles Umschaltspiel setzt“, sagt Abwehrspieler Nico Bungert. Heidel meint: „Viele Spieler haben diese Spielweise zurückgesehnt.“ Also stattete der Manager Schmidt unlängst mit einem Vertrag bis 2018 aus – was selbst den Coach verwunderte: „Bei langfristig habe ich an zwei Jahre gedacht, aber der Chef hat drei vorgeschlagen, und da wollte ich nicht widersprechen.“