Zweikampf unter Neuzugängen: Konstantin Rausch (li.) und Moritz Leitner rangeln beim VfB-Training um den Ball. Foto: dpa

Wenn junge Menschen von sich behaupten, dass sie große Qualitäten haben, kann das auf manche hochnäsig wirken. Bei Moritz Leitner (20) ist das ein wenig anders – womöglich, weil er es von Kindesbeinen an gewohnt ist, auf sich aufmerksam zu machen.

Stuttgart - Wenn Moritz Leitner (20) über sich und seine Fähigkeiten spricht, wird schnell klar: An Selbstvertrauen mangelt es dem Neuzugang des VfB nicht. „Ich bin ein frecher Spieler, der durchaus seine Qualitäten in der Technik hat“, sagt der Mittelfeldmann und grinst dabei wie ein Lausbub.

Für zwei Jahre ist der gebürtige Münchner von Borussia Dortmund an den VfB ausgeliehen. Leitner sagt, dass er helfen wolle, seinen neuen Club nach vorne zu bringen.

Ernst Tanner (46) sagt, dass Moritz Leitner genau das gelingen wird.

Tanner, der frühere Bundesliga-Manager von 1899 Hoffenheim, ist seit Sommer vergangenen Jahres Nachwuchschef bei Red Bull Salzburg. Er sei zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt, sagt er, die Aufgabe mache ihm großen Spaß. Talente auf ihrem Weg nach oben zu begleiten: Das war irgendwie immer schon sein Ding – vor allem damals als Nachwuchskoordinator bei 1860 München. Dort, wo Moritz Leitner von 2004 bis 2009 unter Tanners Führung die Jugendmannschaften durchlief.

Stark in der Technik

„Moritz Leitner ist mit Sicherheit kein normaler, kein gewöhnlicher Spieler“, sagt Tanner, „er ist ein frecher junger Bursche, der mit seiner Meinung nie hinter dem Berg hält. Und fußballerisch ist er stark in der Technik, im Torabschluss und bei den letzten, entscheidenden Pässen aus dem Mittelfeld in die Sturmspitze – er ist ein Typ echter Straßenfußballer, Moritz wird den VfB sicher nach vorne bringen.“ Wenn er sich denn wohlfühlt, wie Tanner sagt.

Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass Leitner zu Tanners Lieblingsschülern zählte. „Er ist ein liebenswerter Mensch, ein Lausbub, dem man seine Frechheit und sein großes Selbstvertrauen im Grunde lassen muss. Ihn an der kurzen Leine zu halten bringt nichts“, sagt Tanner: „Aber die ganz lange darf es auch nicht sein.“

Noch heute ist Leitner ein eher schmächtiger junger Mann, bei seinen 1,76 Meter Körpergröße kommt er nicht auf 70 Kilogramm. „Aber die 66, die überall im Internet stehen, die stimmen auch nicht“, sagt Leitner: „Ich habe zugelegt.“ Es ist ein Satz, der ihm wichtig ist – was Ernst Tanner bestätigt. „Moritz war körperlich schon immer ein Spätzünder, er war eigentlich immer der Kleinste und vor allem der Leichteste. Das erklärt seine Frechheit – die hat er schon immer gebraucht, denn er musste sich schon früh immer gegen die großen Hunde durchsetzen, und da hat er das Bellen gelernt. Und genau das hat er sich bis heute beibehalten.“

Er eckt an, wenn er es für richtig hält

Beim Thema Gewicht, sagt Ernst Tanner, da sei der Moritz eh sensibilisiert: „ Mit ihm konnte man immer wunderbar frotzeln. Ich habe ihm im Internat immer gesagt, er solle mal mehr Knödel reinschaufeln, damit er endlich groß und stark wird – er hat dann immer gekontert. Denn gefallen lässt er sich nichts, von nichts und niemandem.“

Leitner eckt an, wenn er es für richtig hält. Bei Mannschaftskollegen, beim Trainer, überall. So bekam er bei 1860 München öfters mal Strafen von Tanner aufgebrummt, wenn er mal wieder eine zu dicke Lippe riskiert hatte. „Ich glaube, im Hause Moritz Leitner wird es immer was zu essen geben, und es wird auch immer einigermaßen sauber sein“, sagt Tanner und lacht: „Denn Küchendienste und das Putzen hat er im 1860-Internat zur Genüge gelernt.“

Unter den Verantwortlichen der Nachwuchsabteilung habe es immer heftige Diskussionen über den Umgang mit diesem Burschen geben, sagt Tanner: „Aber uns war am Ende immer klar, dass wir ihn nicht verbiegen dürfen – denn seine Frechheit zeichnet ihn ja auch auf dem Platz aus. Wenn man ihn bremsen würde, wäre er nicht mehr so spielfreudig und hätte weniger Überraschungsmomente – es bringt nichts, alle im Kader gleichzuschalten“, sagt Tanner.

Auf mehreren Positionen einsetzbar

Es ist eine Herausforderung, der sich nun VfB-Trainer Bruno Labbadia und Sportdirektor Fredi Bobic stellen müssen. Doch wer mit Bobic spricht, merkt schnell, dass er genau wusste, worauf er sich mit Leitner einließ. So etwas Freches tue dem Team gut, sagt Bobic, der von den sportlichen Qualitäten Leitners ohnehin überzeugt ist: „Er ist jung, technisch stark und verfügt über ein sehr gutes Spielverständnis. Und er ist auf mehreren Positionen einsetzbar“, sagt er.

Leitner selbst sieht seine ideale Position im zentralen Mittelfeld, als sogenannter Achter. Also vor dem zentralen defensiven Mittelfeldmann und hinter dem Spielmacher. „Früher hat er sich ja immer gerne als Zehner gesehen“, sagt Ernst Tanner, „das kann er sicher auch spielen. Aber in der Jugend haben wir ihn irgendwann einfach mal auf die Sechserposition vor der Abwehr gestellt, damit er lernt, dass man im Fußball auch mal Bälle erobern muss.“ Was Leitner laut Tanner dann auch schaffte – und deshalb sei die Achter-Position für ihn nun ideal: „Da kann er seine großen Qualitäten in der Offensive mit denen, die er in der Defensive erlernt hat, verbinden“, sagt Tanner.

Beim VfB kämpft Leitner gegen die Platzhirsche Arthur Boka und Christian Gentner oder gegen Spielmacher Alexandru Maxim um einen Stammplatz. Bei Borussia Dortmund war die Konkurrenz mit Ilkay Gündogan, Sven Bender, Sebastian Kehl und Nuri Sahin zuletzt zu groß. „Moritz muss spielen, deshalb war der Wechsel zum VfB richtig“, meint Tanner. Leitner selbst sagt, dass „ich es dem Trainer mit meinen Qualitäten so schwer wie möglich machen will, dass ich nicht spiele“. Dann grinst er wieder. Denn eigentlich, das ist zu spüren, lagen ihn zu den Themen Stammplatz und eigene Qualitäten noch ganz andere Sätze auf der Zunge.