Statt sich die Herbstmeisterschaft zu sichern, blamiert sich der VfB Stuttgart im Auswärtsspiel bei den Würzburger Kickers. Der Trainer redet danach Klartext.
Würzburg - Hätte man nicht gewusst, dass der VfB nicht in roten, sondern in grauen Trikots angetreten war, man hätte als Fan der Stuttgarter seinen Spaß gehabt an der Szenerie nach dem Abpfiff der Zweitligapartie der Würzburger Kickers gegen eben jenen VfB.
Denn die Männer in Rot strahlten um die Wette, ihr Trainer herzte jeden, der ihm über den Weg lief – und alle zusammen hielten sie ein Transparent, auf dem stand: „Danke für ein unvergessliches Jahr.“ Die Laune auf Seiten des Aufsteigers hätte nicht besser sein können. Und der Bundesliga-Absteiger aus Stuttgart bot das Kontrastprogramm. Was ganz gut zu den vorangegangenen 90 Minuten passte.
0:5 hatte der VfB vor Wochen beim anderen Aufsteiger in Dresden verloren – und der Trainer Hannes Wolf hatte seinem Team damals eine Art Versprechen abgerungen: So etwas passiert uns nie wieder. Doch ausgerechnet zum Ende der Hinrunde, die Wolfs Rudel mit dem Gewinn der Herbstmeisterschaft hätte krönen können, haben sich die Stuttgarter erneut auf ein Niveau begeben, das mit dem Anspruch, aufsteigen zu wollen, rein gar nichts zu tun hat. Weshalb Hannes Wolf nach dem 0:3 in Unterfranken grundsätzlich wurde.
Der Trainer sieht eine verloren gegangene Kultur
„Wir haben“, sagte der Chefcoach des VfB zur Leistung seiner Elf, „ein gruseliges Spiel gemacht.“ Auf „dramatische Weise“ habe seine Mannschaft dieses Spiel verloren. Und weil er das weder mit der Aufstellung noch mit der Stärke des Gegners erklären konnte, suchte der frühere Dortmunder erst gar nicht nach Alibis – sondern prangerte an, was den einst ruhmreichen VfB Stuttgart schon dazu gebracht hat, in dieser Saison in Würzburg statt in Wolfsburg antreten zu müssen.
In Wolfs Worten hörte sich das dann so an: „Die Verlässlichkeit, immer alles geben zu wollen, fehlt mir.“ Soll heißen: Nicht immer ist das Team bereit, sich für den Verein und das große Ziel aufzuopfern. Zu schnell schleicht sich Selbstzufriedenheit ein. Zu oft nistet sich die Meinung im Bewusstsein ein, mit spielerischen Mitteln sei dem Gegner schon beizukommen. Und all das, ergänzte der junge Cheftrainer, „gibt es beim VfB schon länger, diese Kultur des Alles-Gebenwollens ist untergegangen“.
Eines seiner großen Ziele beim Amtsantritt am 21. September dieses Jahres war auch, eine Leistungskultur zu schaffen, die solche Aussetzer wie in Dresden und nun in Würzburg ausschließt. Und es hatte diesbezüglich ja schon ganz gut ausgesehen. Im Anschluss an das Dynamo-Debakel sammelte der VfB so ziemlich alles ein, was auf dem Weg lag. 16 von 18 Punkten holte das Team um Kapitän Christian Gentner, es eroberte die Tabellenspitze – und schon wurden die Nachlässigkeiten, die zuvor noch selten waren, häufiger. Doch schon im Duell der Absteiger mit Hannover 96 vor einer Woche waren die Stuttgarter nicht mehr dominant und schenkten selbst einen einfachen Punktgewinn am Ende beinahe dämlich her. In Würzburg passte dann gar nichts mehr – weshalb die Lage zum Ende der Vorrunde zwar noch akzeptabel, aber längst nicht komfortabel ist.
Schindelmeiser denkt verstärkt an neue Spieler
Mit Siegen gegen Hannover und in Würzburg jedenfalls hätte der VfB nicht nur die Herbstmeisterschaft feiern, sondern auch schon einen ordentlichen Abstand zwischen sich und die Nichtaufstiegsränge legen können. Was womöglich auch ein wichtiges Signal an potenzielle Zugänge in der Winterpause gewesen wäre. Nun beendet der VfB das Halbjahr auf Rang drei, auf die Spitze (Eintracht Braunschweig) fehlen zwei Punkte, das Polster nach hinten beträgt drei Zähler. „Hinten raus“, sagte Wolf daher zurecht, „ist es maximale Enttäuschung.“ Weshalb er ankündigte: „Wir müssen die Defizite offen ansprechen. Ich habe auch keine Ambitionen, so eine Leistung schön zu reden.“
Auch Jan Schindelmeiser wird dabei wohl das Wort ergreifen. Den Sportvorstand ärgerte maßlos, dass die Mannschaft es erneut verpasste, sich ganz oben festzusetzen: „Die Enttäuschung ist riesengroß.“ Und er setzte eine Warnung ab, die jeder Spieler im Kader hören sollte: „Wir müssen in der Winterpause ein paar Dinge verändern. Wenn wir so weitermachen, führt das nicht zu unserem selbst gesteckten Ziel.“ Keine Frage: Schindelmeiser sieht nach der Pleite in Würzburg die Mission Aufstieg wieder deutlich in Gefahr, weshalb er Optionen auf dem Transfermarkt nun womöglich noch intensiver prüft als bislang angedacht. Das Ergebnis vom Sonntag sei ein „Impuls, der Entscheidungen verändern kann“. Womöglich auch die Leistungskultur.