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Keller ist gut gestartet, aber nun ist Nachhaltigkeit gefragt. Sonst kehrt keine Ruhe ein.

Stuttgart - Solange sich die Lage in der Liga nicht gravierend verbessert, wird beim VfB keine Ruhe einkehren. Der Erfolg ist also Voraussetzung dafür. Die Basis dazu legte Trainer Jens Keller mit verschiedenen Maßnahmen. Jetzt muss sich zeigen, ob dies nur ein Strohfeuer war oder ob sich dauerhaft etwas ändert.

Was hat Jens Keller nach seinem Start als Cheftrainer eigentlich verändert? Einiges. Nachdem der Schweizer Christian Gross entlassen wurde, hat Keller an einigen Stellschrauben gedreht. Es waren wichtige Korrekturen, damit die Roten wieder als Mannschaft auftraten. Es ging um Taktik, Training, Aufstellung, Einstellung, Psychologie und zuletzt um Teambildung. Konkret wirkte sich das so aus:

Christian Träsch übernahm wieder die zentrale Rolle im Mittelfeld. Dort kamen seine Fähigkeiten - Laufstärke, Einsatzbereitschaft, Zweikampfstärke - am besten zur Geltung. Zudem ist Träsch dort Organisator und ruhender Pol.

Serdar Tasci ist zumindest wieder Abwehrchef. Seitdem spielt er - mit kleinen Ausnahmen - einen souveränen Part.

Die Abstände stimmen: Seit Keller das Kommando hat, stehen die Mannschaftsteile kompakter - die Tiefenstaffelung hat sich extrem verbessert.

Mehr Wettbewerb im Sturm: Weder Pawel Pogrebnjak noch Ciprian Marica dürfen sich zu sicher sein. Nur Cacau genießt noch eine Schonfrist. Sonst gilt: Leistung im Training und im Spiel wird belohnt.

Für Egoisten ist in dieser Mannschaft kein Platz

Motivation und Identifikation: Bei seiner Amtseinführung erklärte Keller, dass er als kleiner Junge in VfB-Bettwäsche geschlafen habe. Er wollte damit seine hohe Identifikation mit dem Verein ausdrücken. Außerdem forderte er die Kardinaltugenden ein: "Werte wie Herz, Willen, Leidenschaft und Einsatzbereitschaft werden bei mir großgeschrieben. In unserer Situation gilt es, jeden Zentimeter des Rasens umzugraben."

Wie gesagt: Jede dieser Maßnahmen war richtig und notwendig. Aber jetzt kommt es darauf an, dass Keller diese Punkte abprüft. Es geht dabei um Nachhaltigkeit. Vor allem beim Aspekt Teambildung. Hier hat es den Anschein, als bliebe Keller nach seinem forschen Start auf halber Wegstrecke stehen - auch, weil ihm wegen der Verletzungsmisere die personellen Alternativen fehlen. Dabei ist der Aufbau einer verschworenen Gemeinschaft jetzt der wichtigste Punkt; und der schwerste. Denn das zielorientierte Zusammenarbeiten der Gruppe funktioniert beim VfB gar nicht oder schlecht. Zuletzt wurden die falschen Spieler stark gemacht, die eigentlichen Chefs in ihrer Position geschwächt. Ein Beispiel ist Timo Gebhart. Der Mittelfeldspieler fühlt sich seit seiner Ernennung zum Interims-Kapitän als Führungsspieler. Aber einlösen konnte er diesen Anspruch nie - nicht durch Leistung, nicht durch Persönlichkeit.

Für die Hackordnung einer Mannschaft ist das fatal. Wenn nicht klar definiert ist, wer das Sagen hat, fühlt sich jeder berufen. Gleichzeitig lassen sich diese Jedermänner von Führungsspielern gar nichts mehr sagen. Und sollte es doch mal einen Rüffel für diese Kollegen geben, wenden sie sich ab oder gehen zum Gegenangriff über. Genau das scheint beim VfB abzulaufen. Auch weil Kapitän Matthieu Delpierre nicht an Bord ist - und wegen seiner Knieprobleme wohl nicht konstant auf der Kommandobrücke stehen kann.

Fassen wir zusammen: Derartige Eingriffe ins komplexe Innenleben der Mannschaft sind schwierig. Und setzen viel Erfahrung voraus - im Beruf und im Leben. Aber keiner hat gesagt, dass die Situation beim VfB leicht zu meistern ist. Keller wusste, auf was er sich Mitte Oktober einlässt. Und er wusste, dass er jetzt zeigen muss, ob er der richtige Trainer für den VfB ist.