Härtetest in Ingolstadt: Daniel Didavi (li., gegen Markus Suttner). Foto: Baumann

Die Jungen haben Pause, gefragt sind beim VfB Stuttgart Kerle, die den Kampf annehmen und auch mental stark sind – gerade gegen den FC Ingolstadt. Die Bayern spielen nicht schön, aber für einen Aufsteiger überaus erfolgreich.

Stuttgart - Das eher langweilige 1:1 zwischen dem Hamburger SV und dem FC Ingolstadt wäre nach dem Schlusspfiff keiner weiteren Würdigung wert gewesen – wenn nicht das Nachspiel in der Mixed Zone gewesen wäre. Dort, wo Spieler und Journalisten die 90 Minuten aufarbeiten, liefen die Hamburger Josip Drmic und Lewis Holtby zu großer Form auf. „Das Spiel von Ingolstadt ist ein Horror für die Bundesliga“, wetterte Drmic, „so ein Spiel tut nur den Augen weh.“ Holtby ereiferte sich: „Die sind nur am Labern. Eine ekelhafte Mannschaft.“ Arnd Zeigler, der Werder-Fan am WDR-Mikrofon, rief dem FCI in seiner Kultsendung am Sonntag zu: „Ihr geht allen auf den Sack!“

Na dann: Viel Spaß, VfB!

An diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) feiern die Roten ihre Premiere im Audi-Sportpark, und was sie dort erwartet, fasst Sportvorstand Robin Dutt so zusammen: „Es verlangt jedem etwas ab, gegen Ingolstadt zu spielen. Es wird ein harter Kampf.“ Trainer Jürgen Kramny weiß: „Ingolstadt hat gezeigt, dass sie jedem Gegner wehtun können.“ Was durchaus wörtlich zu verstehen ist.

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Magere 26 Gegentore geben dem FC Ingolstadt recht

Zerstören, provozieren, Zeit schinden – es ist das Repertoire eines Aufsteigers, der sich bewusst ist, dass er mit herkömmlichen Mitteln wohl keine Chance in der Beletage des Fußballs hätte. So aber schlägt sich der Neuling den Bauch mit Punkten (32, VfB 31) voll, die ihn bestens nähren. Trainer Ralph Hasenhüttl kann deshalb nichts Schlimmes an dem garstigen Stil finden, dessen geistiger Vater er ist – magere 26 Gegentore (VfB 49) geben ihm recht. „Der eine mag es eklig nennen, wir nennen es Pressing“, winkt er bloß ab. Schon vor der Saison hatte er den Seinen die Absolution erteilt: „Wir dürfen ruhig ekelhaft bleiben und unbequem sein. Die anderen dürfen ruhig kotzen, wenn sie gegen uns verlieren.“

Ästheten, heißt das, können ja zum Ballett gehen.

Oder dorthin, wo der Pfeffer wächst.

Ingolstadt geht dorthin, wo es wehtut. Weshalb der VfB nicht nur ein paar Schachteln Ibuprofen im Gepäck hat, sondern auch eine Extraportion Härte. „Wir werden nicht weniger hart spielen als Ingolstadt. Wir werden keinen Zentimeter zurückstecken“, verspricht Robin Dutt und findet: „Solche Spiele machen eher Spaß.“

Womöglich so viel Spaß wie der FC Chelsea beim Champions-League-Gewinn 2012: Derjenige seiner Spieler, der die Mittellinie überschritt, hatte mit dem Zorn von Trainer Roberto di Matteo zu rechnen. Oder die Griechen bei der EM 2004: drei 1:0-Siege in der Vorrunde, aber am Ende Europameister. „Modern ist, wenn man gewinnt“, beschied Trainer Otto Rehhagel die Kritiker.

Robin Dutt: „Wir können dem Gegner auch wehtun“

Jetzt also Ingolstadt. Deren Auftritte, sagen Spötter, seien so prickelnd wie der 1. FC Köln im Aufstiegsjahr. Die Geißbockelf ist historisch der Zweitligameister mit den wenigsten Toren und brach im ersten Bundesligajahr den Rekord an 0:0-Spielen, was wie das Beispiel Ingolstadt zeigt: Der Erfolg heiligt die Mittel. Wie sich die Großen der Liga darüber ereifern, bestätigt und bestärkt die Außenseiter aus dem Bayrischen nur. „Wir müssen sehr präsent in den Zweikämpfen sein und das Laufspiel annehmen“, fordert Jürgen Kramny. Robustheit kann auch nicht schaden. „Uns kann man wehtun, wir können dem Gegner aber auch wehtun“, sagt Robin Dutt und nennt stellvertretend drei Namen: Serey Dié, Georg Niedermeier und Kevin Großkreutz. Kerle zum Fürchten – hart, aber herzlich.

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Nicht ohne Grund sind alle drei knapp 30 Jahre alt oder darüber: Ihr Auftrag erfordert eine gewisse Routine, das nötige Augenmaß und Mumm, ohne dabei über die Stränge zu schlagen. Nicht ohne Grund bilden die drei auch die Säulen, die beim jüngsten Aufschwung dem VfB Halt gaben. Beim 5:1 gegen die TSG Hoffenheim hatte der VfB einen Altersschnitt von 27,7 Jahren. Es war das älteste Bundesligateam an diesem Spieltag und das älteste VfB-Team seit zehn Jahren. Was kein Zufall war. „Krisensituationen stellen für jüngere Spieler immer größere Herausforderungen dar, vor allem vom Kopf her“, weiß Robin Dutt, „deshalb brauchst du da Erfahrung. Bei Kevin Großkreutz zum Beispiel waren wir uns im Winter sofort einig, ihn als erfahrenen Spieler zu holen.“

Zum Vergleich: Vergangene Saison hatte der VfB zuweilen einen Altersschnitt von 23,8 Jahren, damals hatte er sich erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg gerettet. Was aber nicht heißen soll, dass der Verein die Ausbildung des eigenen Nachwuchses schleifen lässt, im Gegenteil: „Wir brauchen auch in Zukunft Toptalente wie Timo Werner oder Timo Baumgartl.“ Wenn dann einer dabei ist, der sich später zu einem Spieler vom Schlage eines Dié, Niedermeier oder Großkreutz entwickelt – umso besser.