Klare Ansagen an Spieler und VfB-Führung: Trainer Huub Stevens Foto: Baumann

Huub Stevens sieht überall Verbesserungsbedarf. Der Trainer des VfB Stuttgart fordert rasche Reformen und nimmt „den ganzen Verein“ in die Pflicht.

Stuttgart - Die ersten Tage des neuen Jahres standen unter keinem guten Stern für den VfB. Zumindest nicht aus der Sicht von Huub Stevens. Erst schnappte Bayern München dem VfB den U-19-Europameister Joshua Kimmich weg, dann sickerte die Verschiebung der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung auf 2016 durch. Damit sind, neben dem ausbleibenden sportlichen Erfolg, zwei der größten Probleme des Tabellen-Fünfzehnten benannt.

Kimmichs Verlust bedeutet einen weiteren Rückschlag für die Nachwuchsarbeit des VfB, der sich von der Umwandlung in eine AG zusätzliche Einnahmen bis zu 80 Millionen Euro verspricht. Nun muss er ein Jahr länger ohne die dringend benötigte Finanzspritze auskommen. Was Huub Stevens aufseufzen lässt. „Es gibt so viele Dinge, die noch verbessert werden müssen, wir müssen an so vielen Sachen arbeiten“, meint der Trainer angesichts der Schieflage des Vereins und mahnt: „In der Lage, in der sich der VfB befindet, sind alle gefragt, der ganze Verein. Vorstand, Aufsichtsrat, die Mannschaft, die Mitarbeiter, das Umfeld, die Fans. Alle sind gefordert, damit es ein erfolgreiches Jahr werden kann.“

Was nach einem Lamento nahe der Resignation klingt, will Huub Stevens (61) als flammenden Appell verstanden wissen, die notwendigen Reformen zügig und entschlossen anzugehen und umzusetzen. Bisher geht ihm das alles zu langsam. Siehe die langwierige Suche nach dem neuen Sportvorstand. Mehr als drei Monate hat sich der VfB Zeit gelassen, bis er sich auf Robin Dutt festgelegt hat: An diesem Dienstag soll der frühere Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds endlich als Nachfolger des entlassenen Fredi Bobic präsentiert werden.

Reformstaus dieser Art gibt es viele beim VfB. Ungelöste Fragen, die überfälliger Antworten bedürfen. Deshalb drückt Huub Stevens nun aufs Tempo: „Wir wollen da unten raus. Das können wir auch schaffen, aber dafür müssen wir alle hart arbeiten.“ Er will eine Aufbruchstimmung erzeugen und marschiert in seinem Bereich entschlossen vorneweg. Mehr Eigenverantwortung und innere Führungskraft verlangt er von seinen Profis: „Ich habe ihnen Dinge mit in den Urlaub gegeben, über die sie nachdenken sollten. Die will ich jetzt sehen.“ Erst im Training und dann in der Liga, die am 31. Januar mit dem Heimspiel gegen Mönchengladbach weitergeht.

Als Trainer kann Stevens in vielen anderen Bereichen aber nur mit Worten versuchen, Anstöße zu geben. Ansonsten ist er davon abhängig, dass andere den Ball ins Tor schießen. Stevens spürt eine gewisse Ohnmacht, was seine Ungeduld eher anzustacheln scheint. Siehe Joshua Kimmich.

Vordergründig verteidigt Huub Stevens den Wechsel: „So viel Geld für einen Spieler, der noch nicht Bundesliga gespielt hat. Puh!“ Da gelte es, die Interessen des Spielers und seines Umfelds und den finanziellen Erlös abzuwägen: „Wenn der Preis stimmt, wenn der VfB das Geld nötig hat und der FC  Bayern im Spiel ist, hast du kaum eine Chance.“ Andererseits bedauert Stevens: „Die sportliche Leitung ist traurig darüber, ich hätte gern mit Kimmich gearbeitet. Ich möchte gerne Talente nach oben bringen.“

Dazu wird es zwangsläufig kommen müssen. Denn das Ablöseplus von sieben Millionen Euro für Kimmich wird nicht in Neuzugänge investiert, „das wurde mir vorher schon gesagt“. Angesichts der Finanzlage ist eine engere Verzahnung des Profi- und Nachwuchsbereichs unabdingbar, um Talente wieder im Verein zu halten. „Mir ist ein guter Kontakt zur Jugendabteilung wichtig“, betont Stevens.

Kimmichs Abgang sei jedenfalls „ein schlechtes Zeichen für den VfB“, sagt Rani Khedira, der selbst beim VfB ausgemustert wurde und bis zum Sommer mit Kimmich bei RB Leipzig am Ball ist. „Ihn zu verkaufen ist ein großer Verlust. Er hat eine enorme Qualität und würde dem VfB weiterhelfen.“

Stevens weiß das, alle wissen das beim VfB. Dennoch steckt der Verein in den immer gleichen Zwängen. Ein Weckruf à la Stevens, so viel ist sicher, kann da nicht schaden.