Der VfB-Aufsichtsratschef Dieter Hundt gibt seinen Posten auf und macht den Weg frei für neue Bewerber. Foto: dpa

Der Machtkampf beim VfB Stuttgart ist entschieden: Aufsichtsratschef Dieter Hundt, der bei Fans, Mitgliedern und Gremien des VfB Stuttgart kaum noch Rückhalt besaß, hat das Handtuch geworfen. Die Präsidentensuche erscheint dadurch in neuem Licht.

Stuttgart - Kurz vor 18 Uhr verschickte der VfB Stuttgart am Montag die Pressemitteilung Nr. 68. Darin gab der Verein Hundts sofortigen Rücktritt als Aufsichtsratschef bekannt. Mit seinem Schritt überraschte der streitbare Funktionär alle. Nicht einmal die Mitglieder des Aufsichtsrats, den Hundt seit 2002 geführt hatte, wussten von seiner Absicht, der heftigen Kritik nachzugeben, die von allen Seiten auf ihn einprasselte. Hundt, der bis 2014 gewählt war, hält sich seit Montag auf einer Geschäftsreise in Mexiko auf und war für eine weitere Stellungnahme nicht zu erreichen. Den Aufsichtsrat führt wohl bis 2014 Hundts bisheriger Stellvertreter Joachim Schmidt, der zunächst kommissarisch aufrückt. Das Gremium tritt demnächst zusammen, um den Mercedes-Manager offiziell zum Vorsitzenden zu wählen.

Der VfB reagierte mit Erleichterung auf Hundts Abschied, auch wenn die Verantwortlichen nach außen bemüht waren, die Form zu wahren. „Mit großem Respekt“ habe er den Rücktritt zur Kenntnis genommen, sagte Finanzchef Ulrich Ruf. Deutlicher wurde sein Vorstandskollege Fredi Bobic. „Die Entscheidung ist getroffen, lasst uns jetzt in die Zukunft schauen“, sagte der Sportdirektor nüchtern. Der Ehrenratsvorsitzende Alfred Grupp, der Hundt noch am Wochenende zum Rücktritt aufgefordert hatte, erklärte: „Ich freue mich über diesen Schritt. Aber es tut mir gleichzeitig auch ein bisschen leid, denn Dieter Hundt hätte einen ehrenvolleren Abschied verdient gehabt. Vielleicht hätte es schon rund ums Pokalfinale in Berlin so weit sein können, das wäre ein würdiger Rahmen gewesen.“

Das Aufatmen ist intern deshalb so groß, weil Hundts Schatten schwer über der Kandidatensuche für das vakante Präsidentenamt lastete. Mögliche Bewerber haben sich womöglich bewusst im Hintergrund gehalten, weil sie befürchten mussten, als Kandidat von Hundts Gnaden bei der Wahl durch die Mitglieder am 22. Juli abgestraft zu werden. Nach Hundts Rücktritt gibt es für sie keine Veranlassung mehr, sich bedeckt zu halten, im Gegenteil. „Ich rechne damit, dass sich jetzt ein bis zwei hoch qualifizierte Bewerber melden“, sagt Alfred Grupp. Sicher ist: Die Zeit drängt. Wer sich ernsthaft Chancen auf die Nachfolge des gescheiterten Gerd Mäuser ausrechnet, der muss sich so schnell wie möglich den Mitgliedern präsentieren. Mäuser war vor zwei Jahren Hundts Wunschkandidat gewesen – das hatte dessen Akzeptanz maßgeblich beeinträchtigt.

Lebensplan über den Haufen geworfen

Bisher stehen fünf Kandidaten auf der sogenannten Shortlist der Präsidentschaftskandidaten. Zum engeren Kreis der Bewerber zählen der frühere baden-württembergische Sozialminister Andreas Renner (54), der Stuttgarter Stadtrat und Ex-City-Manager Hans H. Pfeifer (64) und der Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen, Jürgen Kessing (56). Daimler-Manager Joachim Schmidt will offenbar noch in dieser Woche mehrere Kandidaten zum Gespräch bitten. Das scheint auch bitter nötig: Einigen Aufsichtsräten sind die allermeisten bisherigen Bewerber unbekannt.

Mit seiner Demission hat Hundt gezwungenermaßen auch seinen eigenen Lebensplan über den Haufen geworfen. Am 30. September feiert er seinen 75. Geburtstag. Ungeachtet aller Proteste hatte Hundt fest vor, an diesem Tag seine beiden wichtigsten Ämter noch innezuhaben: Arbeitgeberpräsident – und VfB-Aufsichtsratschef.

Letzteres ist überholt, auch wenn es nach dem Geschmack vieler VfB-Offiziellen und Fans viel zu lange gedauert hat. Mal habe man es im Guten versucht, ihn zur Abdankung zu bewegen, mal habe man ihn massiv bedrängt, ist aus dem inneren VfB-Zirkel zu hören. Hundt sei auf nichts eingegangen. Altersstarrsinn sei das, klagen die einen, andere sprechen geringschätzig von der Helmut-Kohl-Schule“ – aussitzen bis zum Geht-nicht-mehr.

Macht braucht Hundt wie Luft zum Leben

Sein ganzes Leben hat der gebürtige Esslinger seinen Ämtern untergeordnet – ob als geschäftsführender Gesellschafter bei Allgaier, ob als Vorsitzender des Verbands der Metallindustrie Baden-Württemberg, als Vizepräsident des Gesamtverbands der metallindustriellen Arbeitgeberverbände oder, seit 1996, als Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Die damit verbundene Macht braucht Hundt wie die Luft zum Leben. „Macht ist etwas Positives“, sagt er. Weil Macht ihn befähigt, Dinge zu gestalten und zu entscheiden.

Zielstrebigkeit, Fleiß und Pflichtbewusstsein, vor allem Pflichtbewusstsein, bestimmen Hundts Handeln. Auch in harten Tarifauseinandersetzungen hat er sich gestellt und Prügel eingesteckt. Hundt ist ein Kämpfer. Er läuft nicht weg, sondern führt die Dinge zu Ende – zu einem guten Ende aus seiner Sicht. „Knochenhart sein und einen Scherbenhaufen hinterlassen, das ist keine Lösung“, hat er einmal gesagt.

Jetzt stand der VfB vor einem Scherbenhaufen. Hundt hat die Pflicht, die ihm diesmal oblag, erkannt – im letzten Moment.