Blick nach oben: Der neue Trainer Thomas Schneider hat mit dem VfB große Ziele – zunächst will er an diesem Donnerstag gegen HNK Rijeka in die Europa League einziehen. Foto: Pressefoto Baumann

Im Fußballgeschäft geht es schnell. Kaum braust der entlassene Coach Bruno Labbadia vom Trainingsgelände, präsentiert der VfB seinen neuen Mann an der Seitenlinie. Thomas Schneider soll die Wende bringen – am besten schon an diesem Donnerstag in den Play-offs zur Europa League.

Stuttgart - Nein, Platz für Sentimentalitäten gab es nicht am Tag der Entlassung von Bruno Labbadia. Als VfB-Sportvorstand Fredi Bobic gefragt wurde, ob ihm die Trennung vom Trainer menschlich schwergefallen sei, legte er die Stirn in Falten und betonte, „dass ich die höchste Verbundenheit zum Verein habe“. Das war eindeutig – und wenige Stunden nachdem Labbadia mit seiner vollgepackten schwarzen Limousine und mit dem ebenfalls entlassenen Eddy Sözer auf dem Beifahrersitz ein letztes Mal vom Trainingsgelände brauste, war klar: Beim VfB weint Labbadia niemand eine Träne nach. Vielmehr herrschte rund ums rote Haus in Cannstatt schon so etwas wie Aufbruchstimmung, was auch mit dem neuen Coach Thomas Schneider (40) zu tun hatte. Denn der hinterließ bei seiner Präsentation einen frischen, mutigen Eindruck und machte so schon ein wenig Hoffnung auf bessere Zeiten.

Zuvor aber ging Fredi Bobic in die Bütt, denn er stand gewissermaßen noch in der Bringschuld. Er musste die Gründe für die Trennung von Labbadia offenlegen – und was er erzählte, ließ wenig Raum für Spekulationen. „Es war zuletzt nicht mehr erkennbar, dass unsere Mannschaft hundertprozentig erreicht worden ist“, sagte der Sportvorstand, der Labbadia seinen Entschluss am frühen Montagvormittag mitteilte: „Uns ist die Spielfreude abhandengekommen, und ich bin auch verantwortlich dafür, die Körpersprache zu deuten.“

Die war zuletzt alles andere als positiv, weshalb Bobic die Reißleine zog. „Wir haben von sieben Pflichtspielen in dieser Saison nur eines gewonnen“, dozierte Bobic, „der Glaube an die eigene Stärke ist verloren gegangen, und ich glaube nicht, dass das in den nächsten Partien zu kitten gewesen wäre.“

Nun soll mit Thomas Schneider, dem bisherigen Coach der U 17 des VfB, alles besser werden. Wie genau, darüber haben Bobic und der neue Trainer klare Vorstellungen.

Totales Vertrauen: Thomas Schneider war die Nummer eins bei der Trainersuche des VfB – in der Vergangenheit sprachen Bobic und der Coach bereits schon lose über ein mögliches Engagement bei den Bundesligaprofis. „Er hatte viele Angebote, bei anderen Clubs aus der ersten Liga reinzuschnuppern, zum Beispiel als Co-Trainer“, sagte Bobic, „aber ich habe Thomas immer wieder gesagt, dass er kein Co-Trainer für einen anderen Verein ist und dass er auf seine Zeit beim VfB warten soll.“ Jetzt hat sich Schneiders Geduld ausgezahlt – und die Wertschätzung des Sportvorstands drückt sich auch in der Laufzeit seines Vertrags aus: Der Kontrakt läuft bis 2015. „Thomas ist für uns alles andere als eine Interimslösung – er genießt in allen Gremien des Vereins das totale Vertrauen“, sagte Bobic.

Hohe Anforderungen ans Team: Nachdem Bruno Labbadia sich am Vormittag in der Kabine in einer kurzen Ansprache von der Mannschaft verabschiedete, ergriff Fredi Bobic das Wort und richtete einen flammenden Appell an die Profis. Die Entlassung Labbadias sei „kein Alibi für die Spieler“, sagte der Sportvorstand, der nicht den Eindruck erweckt haben will, „dass ein neuer Trainer da ist und der jetzt nur die Hand auflegen muss, damit alles besser wird“. Die Profis seien gefordert, den Bock umzustoßen und Begeisterung zu schaffen, meinte Bobic.

Großes Selbstbewusstsein: Schneider will so spielen lassen, wie er redet. Schnörkellos, direkt – und mutig. „Wir haben eine große Offensivpower im Team“, sagt er, „und ich bin überzeugt davon, dass wir auch angriffslustig auftreten werden.“ Schon an diesem Donnerstag soll die Zeit des Zauderns beim VfB vorbei sein – im Rückspiel der Europa-League-Play-offs gegen HNK Rijeka (18 Uhr/Sport 1) plant Schneider nach dem 1:2 aus dem Hinspiel das Weiterkommen ein – und zwar mit einem begeisternden Auftritt . „Die Fans sollen merken, dass wir unbedingt in den Europapokal einziehen wollen“, sagt er – und während sich sein Vorgänger Bruno Labbadia lieber mit der angeblich brutalen Qualität des Gegners beschäftigte, scheut sich Schneider nicht davor, hohe Ansprüche zu formulieren. „Wir haben die Chance, diesen Gegner deutlich zu schlagen“, sagte er. „Wir wollen die Wende schaffen und dann mit viel Schwung ins Derby am Sonntag gegen 1899 Hoffenheim gehen.“

Mutiger Offensivfußball: Schneider braucht nicht lange, wenn er über seine Philosophie spricht: „Dominanter, ballsicherer Fußball, ständige Angriffsbereitschaft, mutiges Auftreten.“ Genauso ließ Schneider auch seine bisherigen Jugendteams beim VfB auflaufen – mit der U 17 holte er so zuletzt die deutsche Meisterschaft. „Was er im Nachwuchsbereich spielen ließ, war einfach überragend“, sagt Fredi Bobic.

Klares Bekenntnis zur Jugend: Es ist ein alter Hut mit den jungen Spielern beim VfB – eigentlich kann es den meisten Beobachtern und den Fans nie schnell genug gehen, dass ein Talent zu den Bundesligaprofis aufrückt. Thomas Schneider will die Nachwuchsphilosophie des Vereins in der Bundesliga leben. Stürmer Timo Werner (17) schaffte vor dieser Saison den Sprung in den Bundesligakader – weitere Talente sollen schnell folgen.

„Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, dass die jungen Spieler aus der eigenen Jugend ein besseres Standing bekommen als zuletzt“, sagte Schneider und sendete so auch eine klare Botschaft an seinen Vorgänger, dem immer wieder vorgeworfen wurde, zu wenig Mut im Umgang mit dem Nachwuchs aufzubringen. „Ich möchte den Jungs aus der Jugend mehr Wertschätzung entgegenbringen“, sagte Schneider noch. Und: „Wir können uns auf das eine oder andere Talent freuen, das nachrücken wird.“