Schwere Zeiten: Viktor Skripnik. Foto: dpa

Bei Werder Bremen läuft es sportlich und finanziell nicht rund – Trainer Viktor Skripnik geht vor dem Spiel beim VfB Stuttgart an diesem Sonntag in die Offensive.

Bremen - Jannik Vestergaard hatte unter der Woche eine Idee. Vielleicht, so überlegte der baumlange Abwehrchef von Werder Bremen, sollte man den Fußball mal wieder eintauschen. Beispielsweise mit einer Bowlingkugel. „Da lernst du deinen Mitspieler ganz anders kennen“, sagte Vestergaard jüngst. „Da sprichst du über den Urlaub, die Familie.“ Auf andere Gedanken kommen nennt man das. Krisenbewältigung auf der Bowlingbahn sozusagen. Das Problem: In Bremen wird derzeit praktisch ununterbrochen gesprochen – und das Wort Krise ist dabei im Zusammenhang mit dem SV Werder mittlerweile eine unverzichtbare Vokabel.

Es ist die vierte Saison in Folge, in der der hanseatische Traditionsclub in den Kampf gegen den Abstieg verwickelt ist. Gleichzeitig verkündete der Verein Mitte November zum vierten Mal in Folge ein sattes Minus in der Jahresbilanz. Die 5,9 Millionen Euro Verlust waren dabei schon das „beste“ Ergebnis der jüngeren Vergangenheit. Insgesamt hat Werder in den vergangenen vier Jahren fast schon unglaubliche 37,5 Millionen Euro Verlust gemacht, das einst so üppige Eigenkapital weist nur noch eine Mini-Reserve in Höhe von zwei Millionen Euro aus. Die Zahlen verdeutlichen, wie sehr der stolze und ruhmreiche SVW zuletzt gelitten hat – nicht nur auf dem grünen Rasen.

Dennoch sind weder der sportliche noch der finanzielle Existenzkampf etwas, an das man sich in Bremen gewöhnen mag – auch wenn es mittlerweile einfacher fällt, sich gewissen Abläufen und Mechanismen zu stellen. Bowlingabende als teambildende Maßnahme gehören seit einiger Zeit schon zu den guten Gepflogenheiten, wenn es bei Grün-Weiß mal wieder nicht so läuft.

Intakter Teamgeist

Um die Teamstruktur und Atmosphäre innerhalb der Mannschaft machen sich aber in Bremen ohnehin nur die allergrößten Pessimisten Sorgen. „Wir glauben aneinander, wir tauschen uns aus“, bestätigte Vestergaard auch nach der so schmerzhaften 1:3-Derbypleite gegen den HSV. „Wichtig ist, dass wir dieses Teamfeeling pflegen.“

Noch wichtiger wäre es aber, endlich auch fußballerisch zueinander zu finden. Und zwar dauerhaft. Nach einem durchaus geglückten Saisonstart wechselten sich längere Schwächephasen mit kurzen Achtungserfolgen ab. Besonders daheim sind die Bremer in dieser Saison ein Schatten ihrer selbst, zieren mit nur drei Punkten aus sieben Partien das Tabellenende. Wie gut, dass es jetzt nach Stuttgart zum VfB geht. In ganz vergleichbaren Situationen haben die Bremer zuletzt in Mainz (3:1) und in Augsburg (2:1) dem Druck vorzüglich standgehalten.

Die Hoffnung schwindet

Trainer Viktor Skripnik stellte sich zuletzt – entgegen der sonstigen Gepflogenheiten – ausführlich den Fragen der Journalisten. „Ich will mich nicht verstecken in dieser schwierigen Situation“, sagte er. Der Ukrainer weiß, dass auch er demnächst mächtig unter Druck geraten könnte, selbst im sonst so beschaulichen Bremen, wo Trainer in der Regel immer etwas länger Zeit haben, ihre Ideen umzusetzen. „Wir sitzen nicht da, trinken Kaffee, gucken Filme und denken: Das wird schon“, sagte Skripnik kampfeslustig.

Der VfB muss sich am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) auf einen extrem motivierten Gegner einstellen. Das ist aber auch das einzige Versprechen, das Skripnik, Vestergaard und Kollegen derzeit abgeben können. Dass sie alles versuchen werden. Der Charakter der Mannschaft stimmt. Aber das beruhigt in Bremen zurzeit kaum jemanden. Denn die Hoffnung, dass alleine der Wille am Ende (wieder mal) alles richten wird, schwindet.