Ein Bild, das den Derbynachmittag bestens zusammenfasst: Die Karlsruher feiern, die Stuttgarter um Hamadi Al Ghaddioui (links) sind bedient. Foto: dpa/Uli Deck

Die Stuttgarter verlieren das Derby beim KSC und könnten in den letzten Partien nicht nur den direkten Aufstieg verspielen.

Karlsruhe - Noch war alles möglich, doch Pellegrino Matarazzo schien die Hoffnung bereits aufgegeben zu haben. Mit verschränkten Armen saß der Chefcoach des VfB Stuttgart in der Nachspielzeit auf der Trainerbank und schaute seinen Spielern dabei zu, wie sie mit wachsender Verzweiflung die Bälle nach vorne droschen. Die Minuten ohne Torgelegenheit verstrichen, dann war die nächste und bislang schwerste Pleite perfekt.

Im so wichtigen Derby beim Karlsruher SC hat der VfB mit 1:2 (1:1) verloren und damit weiteren Boden im Kampf um den Aufstieg eingebüßt. „Das tut natürlich weh“, sagte Matarazzo. Hinter Arminia Bielefeld und dem Hamburger SV bleiben die Stuttgarter Dritter, der Vorsprung auf den 1. FC Heidenheim auf Rang vier ist auf einen Punkt zusammengeschmolzen. Dem großen Aufstiegsfavoriten droht der Totalschaden, der angesichts der jüngsten Leistungen alles andere als unrealistisch erscheint. „Wir werden weiter Gas geben“, so lautete nach dem Spiel die Durchhalteparole des VfB-Trainers.

Die teuerste Mannschaft der Liga hat Versagensangst

Es ist eine erschütternde Bilanz, die seine Mannschaft in dieser Zweitligasaison aufzuweisen hat. Die Derbypleite beim KSC, die erste seit 2007, war bereits die neunte (!) Niederlage in dieser Saison; von den sechs Duellen mit den drei Aufsteigern konnte die – mit Abstand – teuerste Mannschaft der Liga nur eines gewinnen (das Hinspiel gegen Karlsruhe); in den sechs Partien seit dem Ende der Corona-Zwangspause überzeugte Matarazzos Team nur in einer Halbzeit, den zweiten 45 Minuten gegen den HSV (3:2). Wo soll sie also plötzlich herkommen, die ersehnte Leistungsexplosion im Saisonfinale? Die Versagensangst der Profis wird mit jedem missratenen Auftritt größer, das zeigte sich auch im Geisterspiel in Karlsruhe.

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Mehr Mut und mehr Risikobereitschaft hatte Matarazzo nach dem 0:0 gegen den VfL Osnabrück von seiner auf drei Positionen umformierten Elf gefordert – und musste hinterher konstatieren: „Wir waren zu ängstlich.“ Nur ein paar Minuten dauerte es, bis die allgemeine Verunsicherung in der VfB-Mannschaft wieder um sich griff. Mit einem Fehlpass leitete Innenverteidiger Marcin Kaminski das 0:1 ein. Der Ex-Stuttgarter Marvin Wanitzek traf aus der Drehung, auch VfB-Torwart Gregor Kobel machte nicht die beste Figur (7.). „Das ist schwer zu erklären, wir alle hatten uns das ganz anders vorgestellt“, sagte Philipp Klement, der glücklos im zentralen Mittelfeld agierte, während Spielmacher Daniel Didavi aufgrund von Knieproblemen auch diesmal nicht im Kader stand.

Die Karlsruher kämpften leidenschaftlich

Zwar zeigte der VfB nach dem frühen Rückstand so etwas wie eine Reaktion und kam durch einen von Nicolas Gonzalez verwandelten Foulelfmeter (35.) noch vor der Pause zum Ausgleich. Ansonsten aber bot sich das gewohnte Bild: Die Stuttgarter schafften es trotz spielerischer Überlegenheit nicht, den tief stehenden und leidenschaftlich kämpfenden Gegner ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Flanken ins Niemandsland, Verzweiflungsschüsse aus der Distanz, Sololäufe ohne Ziel – so sahen die Offensivbemühungen der Gäste aus. Ein erkennbarer Plan? Zündende Ideen? Torchancen? Automatismen? Fehlanzeige.

Der Zufall regierte – bezeichnenderweise auch beim spielentscheidenden Tor durch Lukas Fröde (72.): Im Anschluss an eine Ecke und ein wildes Gestochere im VfB-Strafraum bugsierte der aufgerückte KSC-Verteidiger den Ball irgendwie über die Linie. „Das hat uns komplett aus dem Spiel gerissen“, sagte Matarazzo.

Der Stuttgartern fehlte es am Glauben

An Zeit, noch einmal zurückzuschlagen fehlte es nicht – wohl aber am Glauben. Matarazzo wechselte vier neue Spieler ein, darunter Mario Gomez und den 17-jährigen Lilian Egloff. Doch kam der KSC dem dritten Tor viel näher als der VfB dem Ausgleich. Noch lange dürften sie in Karlsruhe darüber reden, wie sie den ungeliebten Nachbarn aus der Landeshauptstadt in der Schlussphase vorgeführt, Fouls und Eckbälle herausgeholt und die Uhr heruntergespielt haben. „Da haben wir uns blöd und ungeschickt angestellt“, sagte Philipp Klement, „wir haben es nicht mehr geschafft, Druck aufzubauen.“

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Was jetzt noch Hoffnung macht? „Der Aufstieg ist noch nicht verspielt“, sagte Klement. Am Mittwoch (18.30 Uhr) geht es (ohne den gesperrten Wataru Endo) gegen den SV Sandhausen weiter, danach folgen die Partien beim 1. FC Nürnberg und gegen Darmstadt 98. Drei Spiele bleiben dem VfB also noch, um den HSV von Rang zwei zu verdrängen. Drei Spiele aber auch, nach denen sich die Stuttgarter auf Platz vier wiederfinden könnten.