Gemeinsame Sache: Der VfB Stuttgart und Hannover 96 sind zwar Konkurrenten, ihr Weg verlief zuletzt aber nahezu identisch. Foto: Baumann

Abstieg, Aufstieg, solide Saison, erneuter Existenzkampf: Hand in Hand geht es für den VfB Stuttgart und Hannover 96 seit Jahren auf und ab. Warum ist das so?

Stuttgart - Hannover 96 und der VfB Stuttgart, zwei Clubs im Gleichschritt. Ex-Manager Dirk Dufner analysiert die Situation beider Mannschaften.

Die Vorgeschichte: Große Parallelen weisen der VfB Stuttgart und Hannover 96 fußballhistorisch betrachtet nicht auf. Zwischen den beiden Mannschaften gab es keine bedeutenden Endspiele (vom Supercup 1992 einmal abgesehen, den der VfB mit 3:1 gewann). Auch sonstige Duelle, die sich fest ins kollektive Gedächtnis der Fans eingebrannt haben, sind Mangelware. Der Club aus dem Süden war – und ist es im Selbstverständnis einiger Fans noch immer – ein natürlicher Europapokalanwärter, der Konkurrent aus dem Norden rangiert eine Stufe darunter. In Hannover genügt als Anforderung die feste Zugehörigkeit zur Bundesliga. So war es im Prinzip immer. Bis zur Saison 2015/2016.

Der Gleichschritt: Das Ende der Saison markiert die erste Gemeinsamkeit in den Geschichtsbüchern des Fußballs: Hannover 96 und der VfB Stuttgart, die beiden Absteiger aus der Bundesliga. Während bei den Niedersachsen die gesamte Spielzeit über nichts zusammenlief und sie am Ende als 18. den Gang in die Zweitklassigkeit antreten mussten, war der Absturz des VfB bei acht Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze noch am 26. Spieltag beispiellos. Hand in Hand kehrten die beiden Absteiger ein Jahr später ins Oberhaus zurück. Als Zweitligameister war der VfB wieder eine Nasenspitze besser. Wie auch in der Saison 2017/18, die der VfB als Siebter beendete. Die 96er gerieten ebenfalls nie ernsthaft in Gefahr und belegten am Ende einen respektablen 13. Rang.

Das schwierige zweite Jahr

Die Fehleranalyse: Von einem Platz im Mittelfeld können beide vor dem direkten Aufeinandertreffen am Sonntag nur träumen. Der 16., der VfB Stuttgart (16 Punkte), trifft auf den 17., Hannover 96 (14 Punkte). Klassenkampf pur, für den VfB-Kapitän Christian Gentner folgende Erklärung hat: „Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist immer das schwerste.“ So abgedroschen die Begründung klingen mag, so sehr ist an ihr doch auch Wahres dran. Sowohl der Club aus Cannstatt als auch der Wettbewerber von der Leine haben diese Saison auf die leichte Schulter genommen, den Kampf gegen den Abstieg unterschätzt beziehungsweise ihn von vornherein als nicht relevant betrachtet.

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„Beide haben sich zu sicher gefühlt und gedacht, mit dem 1. FC Nürnberg und Fortuna Düsseldorf sind die beiden Abstiegsplätze eh schon vergeben“, sagt Dirk Dufner, der Hannover 96 aus seiner Zeit als Manager (2013 bis 2015) noch gut kennt. So kann man sich täuschen. Während die meisten Experten (Dufner eingeschlossen) der Meinung waren, die 30 Millionen Euro des VfB für neue Spieler im vergangenen Sommer seien gut angelegtes Geld, gab es in Hannover von vornherein Zweifel an der Bundesligatauglichkeit des Kaders. Zum Vergleich: 96-Sportchef Horst Heldt investierte vor der Saison etwa die Hälfte seines damaligen Stuttgarter Pendants Michael Reschke. In Salif Sané, Felix Klaus und Martin Harnik ließ er aber gleich drei Stützen aus der Vorsaison ziehen. Beim VfB ging nur Daniel Ginczek.

Zweifel an der Transferpolitik

Verwundert blickt Dufner auf das Transfergebahren im Winter: „Warum der VfB keinen Stürmer, dafür aber einen Innenverteidiger verpflichtet hat, habe ich nicht verstanden.“ Jeder habe in der Hinrunde doch sehen können, dass es im Sturm hakt, dass Mario Gomez eher ein Spielertyp für eine dominante Mannschaft mit viel Ballbesitz sei. Also das Gegenteil des VfB. Kurzum: Bei beiden Clubs liegt der Fehler eindeutig in der Transferpolitik. Dass beide im Gleichschritt jeweils einmal den Trainer getauscht haben, fällt dabei gar nicht so sehr ins Gewicht.

Der Ausblick: Dufner, der mittlerweile als Spielerberater arbeitet, räumt dem VfB größere Chancen ein. Sowohl am Sonntag als auch mit Blick auf den angestrebten Klassenverbleib. „Sie haben die bessere Mannschaft.“ Auch sei die Atmosphäre in Stuttgart immer noch besser als in Hannover, „wo sie seit Jahren vergiftet und leistungsorientiertes Arbeiten schwierig ist“, urteilt der gebürtige Schwarzwälder.

Eine Rückkehr in die zweite Liga käme dennoch für beide Vereine einer Katastrophe gleich. „Ein Abstieg wäre zum Kotzen“, sagt Hannovers Präsident Martin Kind unverblümt. „Wir haben ein neues Stadion, ein neues Nachwuchsleistungszentrum, die tolle Stadt Hannover mit ihrem Umfeld. Da kann man nicht zweite Liga spielen.“ Ein ähnliches Selbstverständnis pflegt auch der VfB Stuttgart. Im Fall der Fälle käme der VfB nach einem neuerlichen Abstieg aber wieder auf die Beine, glaubt Dufner. „Die Fans würden zwar bruddeln, aber auch schnell wieder zu ihrem Club stehen. In Hannover bin ich mir da nicht so sicher.“