Zuletzt trat die Elf des VfB Stuttgart wieder wie eine Einheit auf. Foto: Baumann

Es war im Kampf gegen den Abstieg nicht mehr als ein Etappensieg, aber ein bedeutsamer: Warum der VfB Stuttgart mit dem 5:1 gegen Hannover 96 ein wichtiges Signal sendet.

Stuttgart - Fünf Punkte Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze, zwei Zähler Rückstand ans rettende Ufer. Die Lage für den VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga ist auch nach dem 5:1 nach wie vor ernst. Es gibt aber wieder Hoffnung.

Die feste Formation

Die Stuttgarter Experimenta hat geschlossen. 14 Spieltage lang hat Trainer Markus Weinzierl alles versucht. Dreierkette, Viererkette, mal mit Mario Gomez, mal ohne. Das Mittelfeld: ein einziger Verschiebebahnhof. Genutzt hat all dies nichts. Statt den richtigen Kniff zu finden, brachten Weinzierls Taktik- und Personalrochaden nur Verunsicherung. Doch nun fügt sich das Puzzle zu einem einigermaßen stabilen Gebilde. Beim 5:1 gegen Hannover 96 schickte der Trainer zum dritten Mal in Folge dieselbe Startformation ins Rennen. „Wir hatten defensive Stabilität und waren zugleich sehr torgefährlich“, stellte Weinzierl zufrieden fest, dass der VfB auch beides auf einmal kann: abwehren und angreifen.

Die Neuzugänge zünden

Nach dem Schlusspfiff ließ er durchblicken, an dieser Grundformation für den Rest der Saison nicht mehr groß rütteln zu wollen. Allenfalls „situative Änderungen“ seien denkbar. Im Grunde hat Weinzierl seinen Stamm aus zwölf, 13 Spielern gefunden. Er erhebt damit das Korkut-Prinzip zu seinem eigenen Stilmittel. Zur Erinnerung: In der vergangenen Rückrunde war der VfB auch deshalb so erfolgreich, weil Weinzierls Vorgänger Woche für Woche derselben Elf vertraute. Zumindest Kapitän Christian Gentner hat mit seiner damit einhergehenden Reservistenrolle kein Problem. „Ich werde die Jungs auf der Bank anführen. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass die Automatismen wie in der vergangenen Rückrunde greifen, ist das umso schöner.“

Lesen Sie hier: Duo mischt wieder mit Die Einkaufspolitik von Michael Reschke musste lange als Begründung für die miserablen Auftritte des Tabellen-16. herhalten. Letztlich wurde sie dem vor drei Wochen geschassten Manager zum Verhängnis. Auch die Nachjustierungen im Winter mochten nicht jedem Experten einleuchten. Für den jüngsten Aufschwung mit vier Punkten aus drei Spielen seit Reschkes Abgang hat das Trio Steven Zuber, Alexander Esswein und Ozan Kabak aber einen großen Anteil.

„Ozan hat die letzten Wochen schon gut gespielt, heute war sein bestes Spiel“, befand Weinzierl ob der abgeklärten Leistung des 18-Jährigen. Wie eine Abrissbirne brach er über die Hannoveraner Abwehr herein und erzielte seine ersten beiden Tore für den VfB. Damit löste der Zehn-Millionen-Euro-Einkauf Hakan Calhanoglu als jüngsten türkischen Doppeltorschützen in der Bundesliga ab. Die als Investition in die Zukunft gedachte Nachfolge von Benjamin Pavard funktioniert sofort – was sich über keinen anderen Stuttgarter Neuzugang sagen lässt. Dass Kabak gegen Hannover nicht zum Spieler des Spiels wurde, lag nur an Steven Zuber. Nach Anlaufschwierigkeiten kommt der Mittelfeldspieler in Schwung. Gegen Hannover stach der Schweizer mit zwei Toren und einer Vorlage heraus. „Es hat Spaß gemacht heute“, sagte die Leihgabe von 1899 Hoffenheim lapidar. Mit seiner Spielstärke, seiner Schnelligkeit und seiner Wucht vermag Zuber auch andere Abwehrreihen als die der überforderten Niedersachsen vor Probleme zu stellen. Esswein, der Dritte im Bunde, funktioniert als Läufer und Lückenreißer für Mario Gomez. Bei dem Angriffsduo werden erneut vorsichtig Erinnerungen an die Rückrunde 2018 wach: An den Ochsensturm Ginczek/Gomez.

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Der Schwung aus fünf Toren

Eines vorneweg: Hannover 96 war sicher kein Maßstab. Keiner für die Bundesliga zumindest, welcher der VfB auch nach Mai noch angehören will. Die Niedersachsen erlebten beim Tabellennachbarn ihren Saisontiefpunkt wie der VfB vor drei Wochen in Düsseldorf – mit einem unerklärlichen Leistungs-Blackout. So wussten auch die Spieler in Weiß und Rot den Erfolg gegen die Mannschaft von Thomas Doll richtig einzuordnen. Letztlich nicht mehr als ein Pflichtsieg gegen einen schwachen Gegner. Der Blick auf die Tabelle sollte zur Bodenhaftung genügen: Der VfB ist immer noch 16.

„Aber auch gegen Hannover musst du erst mal fünf Tore schießen“, hob Weinzierl auf die eigene Leistung ab. Dem ist nicht zu widersprechen; für fünf Tore brauchten Mario Gomez und Kollegen sonst sechs Spiele Zeit. Weshalb es gut möglich ist, dass die Toreflut der lange Zeit verunsicherten Truppe für den Liga-Endspurt vielleicht Flügel verleiht. Womöglich war das Schützenfest samt der nach Langem mal wieder begeisterten Fans ja das ersehnte Erweckungserlebnis?

„Wenn wir so weiterspielen, haben wir auch in den kommenden schweren Wochen die Chance, weiter Punkte zu holen“, blickte Weinzierl auf die Aufgaben bei Borussia Dortmund (Samstag, 15.30 Uhr, Liveticker), gegen die TSG Hoffenheim und bei Eintracht Frankfurt voraus. Das Selbstvertrauen ist auf den Wasen zurückgekehrt.

Die beendete Trainerdiskussion

Dazu trägt auch die beendete Debatte um Markus Weinzierl bei. „Heute muss ich mal nicht die Frage beantworten, ob ich nächste Woche noch auf der Bank sitze, oder?“, scherzte der 44-Jährige. Erleichterung war ihm genauso wie Thomas Hitzlsperger anzumerken. Der Sportchef wischte Fragen nach dem Coach schnell beiseite. Endlich mal wieder andere Themen. Klar ist, dass sich die Strategen auch nach der Entlassung von Michael Reschke für den Fall der Fälle gewappnet und Ausschau nach Alternativen auf der Trainerbank gehalten hatten. Das Thema ist nun aber bei den Akten – auch über die nächsten Spiele hinaus. Bei noch zehn ausstehenden Partien noch einmal das Pferd zu wechseln, kommt niemandem im roten Haus mehr in den Sinn. Diese Sicherheit sollte auch Weinzierl Auftrieb geben, der sagt: „Die Situation zuletzt war auch für mich nicht angenehm. Der Druck vor dem Hannover-Spiel war enorm.“