Bissiger Außenverteidiger: Cristian Molinaro vom VfB Stuttgart bedrängt Mönchengladbachs Tony Jantschke. Klicken Sie sich durch Molinaros Profi-Karriere in Bildern. Foto: Pressefoto Baumann

Der besonnene VfB-Verteidiger Cristian Molinaro überrascht mit Kampfansage an Borussia.

Stuttgart - Wenn Cristian Molinaro mit der Mama telefoniert, dauert das Gespräch meist etwas länger. Sie haben sich viel zu erzählen, und am Ende kann er auf den Satz warten, der garantiert immer kommt. „Junge“, sagt Mama Molinaro, „pass auf dich auf. Und ganz wichtig: Konzentrier dich auf deine Arbeit.“

Cristian Molinaro schmunzelt, wenn er sich die Situation vorstellt. Mamma mia! Ist ja lieb gemeint. Aber der VfB-Profi ist ja alles andere als ein Muttersöhnchen. Wie denn auch – wo er schon mit 13 Jahren sein Elternhaus in der Nähe von Neapel verlassen hat. In Salernita, 100 Kilometer von zu Hause entfernt, hat er das Kicken gelernt. Er wohnte bei der Familie eines Mitspielers, nach einem Monat übermannte ihn das Heimweh: „Mein Vater hat mich bestärkt, durchzuhalten.“

„In Stuttgart passt alles“

Mal die Mama, mal der Papa, mal auch sein Bruder, der als Steuerberater seine finanziellen Dinge regelt: Die Familie ist das Zentrum in Molinaros Leben, sein Rückhalt, sein Antrieb. So hat er seinen Weg nach oben gemacht. Zu Juventus Turin, wo er zweieinhalb Jahre lang am Ball war. Zum VfB, für den er an diesem Sonntag (17.30 Uhr/Sky, Liga total) gegen Borussia Mönchengladbach sein 60. Bundesligaspiel bestreitet. Und in die Nationalelf. „Fußball ist das Größte. Und nach Stuttgart zu kommen war meine beste Entscheidung. Hier passt alles“, sagt Molinaro.

Er ist der einzige Italiener in der Bundesliga, aber von den gängigen Klischees ist er so weit entfernt wie die Roten von der Tabellenspitze. Bella Napoli auf schwäbische Art. Molinaro, geprägt vom „Chaos in Turin“, schätzt die Ruhe und die Sauberkeit im vergleichsweise beschaulichen Stuttgart. Er meidet Discotheken, stattdessen greift er selbst zur Gitarre und versinkt in der Musik, gern auch im Mannschaftskreis nach dem Essen. Als Sohn eines Sportlehrers und einer Italienischlehrerin hat er früh die Werte vorgelebt bekommen, die ihn prägen: Fleiß, Disziplin, Strebsamkeit, Respekt. Und, nicht zu vergessen, Treue. Mit seiner Frau Roberta ist er zusammen, seit er 13 war. Geheiratet haben sie aber erst im vergangenen Juni: Als er im Januar 2010 nach Stuttgart kam, studierte sie in Siena, später arbeitete sie in Madrid. „Da hat es sich nie ergeben.“ Im Mai erwartet das Paar Nachwuchs, einen Sohn.

Molinaro steht zu seinen Schwächen

Dann weiß Cristian Molinaro auch schon, wie und wo er diesen Sommer verbringen wird: bei Frau und Kind in Fellbach oder bei der EM in Polen und der Ukraine. Die bisher zwei Länderspiele unter Trainer Cesare Prandelli sollen nicht alles gewesen sein. „Beide Male habe ich überzeugt, Prandelli kennt mich, deshalb hoffe ich weiter“, sagt Molinaro. Ja, wenn er in Italien spielen würde! Im Weihnachtsurlaub hat er vom angeblichen Interesse des AC Mailand gelesen, „aber mehr war auch nicht“. Oder wenn er mit dem VfB international im Fokus stünde! So wird viel davon abhängen, ob der VfB wenigstens in der Liga von sich reden macht – und ob Molinaro stabile Leistungen zeigt. Nach seinem Wechsel aus Turin hatte er monatelang geglänzt, war Nationalspieler geworden. Danach sank er mit den Roten in ein Tief, aus dem er sich wieder herausgearbeitet hat. Dennoch unterlaufen ihm Schnitzer wie vergangenen Samstag auf Schalke. Ein verunglückter Kopfball diente als Vorlage für das Gegentor zum 0:1. „Vor mir ist Maza hochgesprungen, ich habe den Ball zu spät gesehen“, sagt Molinaro.

Es soll eine Erklärung sein, keine Entschuldigung. Molinaro steht zu seinen Schwächen, zu denen er fälschlicherweise auch seine Deutschkenntnisse zählt. Er spricht die neue Sprache flüssig – Beweis dafür, dass er die Sprachführer keineswegs nur als Buchstützen benutzt: „Das gebietet der Respekt vor dem Verein, den Mitspielern und den Fans. So bin ich erzogen. Mein Vater hat gesagt: Du gehst in ein fremdes Land, also musst du als Erstes die Sprache lernen.“

Es war nicht das einzige Neuland, das er betrat. Aus der italienischen Fußballschule hat er das technische und taktische Rüstzeug mitgebracht, in der Bundesliga hat er dann das Kämpfen gelernt: „Hier kann ein Spiel noch in den letzten Minuten kippen, weil keine Mannschaft aufgibt.“ Das hat auf Molinaro abgefärbt. Gladbach, das Überraschungsteam mit der besten Abwehr der Liga? „Wir haben viel Qualität, wir können jeden Gegner schlagen“, sagt er ebenso kämpferisch. Dass er ansonsten so besonnen ist, bestätigt nur: Auf Molinaro passt eben kein Klischee.

Klicken Sie sich durch Cristian Molinaros Profi-Karriere in Bildern.