Omar Marmoush bejubelt seinen verwandelten Freistoß zum 2:2-Ausgleich. Foto: Baumann

Solche Jubelszenen hat die Stuttgarter Arena lange nicht mehr erlebt. Beim 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg bietet der VfB Stuttgart Spektakel pur.

Die Schallwellen waren wohl hoch bis zur Grabkapelle auf den Rotenberg zu hören. Samstagnachmittag, um viertel nach fünf, brachen in der Mercedes-Benz-Arena alle Dämme. Omar Marmoush hatte den Ball eher verunglückt in Richtung des Augsburger Tores bugsiert, der eingewechselte Alexis Tibidi den Torschuss mit einer geschickten Körperdrehung in Richtung des frei stehenden Tiago Tomas passieren lassen. Der Portugiese fackelte nicht lange und jagte den Ball humorlos zum 3:2 für den VfB Stuttgart unter die Latte. Der Rest war Ekstase in Weiß und Rot. Ein Jubel, wie ihn die Arena lange nicht mehr erlebt hat.

Matarazzo stürmt beim Siegtreffer zur Fankurve

„Wahnsinn“, stammelte Waldemar Anton und sprach weiter von „puren Emotionen“ und einer „unglaublichen Unterstützung“. 55 785 Anhänger, so viele wie zuletzt vor zwei Jahren, machten die Partie gegen den FC Augsburg zu einem unvergesslichen Erlebnis. 3:2 (1:2) hieß es am Ende nach nervenaufreibenden 90 Minuten, die auch bei Trainer Pellegrino Matarazzo ihre Spuren hinterlassen haben. Ausgelassen war er nach dem Siegtreffer zu seinen Spielern vor die Fankurve gestürmt und strafte damit all jene Lügen, die meinten, dem Trainer fehlten die Emotionen. Bei den anschließenden Interviews musste der Coach tief Luft holen.

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„Heute hat man gesehen, wie wichtig Emotion, Zusammenhalt und Leidenschaft für einen Mannschaftssport sind. Die Fans waren unfassbar unterstützend. Das war ein Faktor, warum wir das Spiel noch drehen konnten.“

Dabei erlebten sie ein klassisches Déjà-vu. Schon im vorausgegangenen Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach hatte ihre Mannschaft einen Rückstand noch in einen 3:2-Sieg verwandelt. Am Samstag sorgten Omar Marmoush und Tiago Tomas mit ihren beiden späten Toren (79./85.) für Hochgefühle. Zum ersten Mal in der Rückrunde konnte der VfB die Abstiegsränge verlassen und liegt nun punktgleich mit Augsburg (ein Spiel weniger) und Hertha BSC auf Rang 14.

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Dabei hatte die Partie wieder einmal schlecht begonnen. Ihren ersten Angriff vollendeten die Gäste gleich zur Führung – André Hahn traf bereits nach sechs Minuten. Davon unbeeindruckt zogen Matarazzos Mannen in der Folge einen Angriff nach dem anderen auf. Doch immer fehlten am Ende ein paar Zentimeter. Die beste Chance vor der Pause vergab Sasa Kalajdzic (28.). Kurz vor dem Wechsel war es dann ein schnöder Kopfball von Waldemar Anton nach einer Freistoßflanke von Borna Sosa, der für den verdienten Ausgleich sorgte. Der Torjubel war noch nicht abgeklungen, da riss der VfB wieder einmal hinten ein, was er sich vorne aufgebaut hatte. Das Team von Ex-VfB-Coach Markus Weinzierl kombinierte sich munter bis vor das Tor von Florian Müller – und Michael Gregoritsch traf zur erneuten Führung (45.).

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Nach dem Wechsel wurden die VfB-Angriffe noch wütender (am Ende standen 25:10 Torschüsse), aber auch zunehmend hektischer und verzweifelter. Ehe Omar Marmoush mit einem herrlich verwandelten Freistoß zum 2:2 traf. Zuvor hatte er Chris Führich das Spielgerät weggeschnappt. „Wenn er das so macht, muss er ihn auch reinmachen“, konnte Sportdirektor Sven Mislintat hinterher schmunzeln. Der Ausgleich gab noch einmal Auftrieb, ehe Tiago Tomas für das fulminante Finale sorgte.

Chris Führich setzt dem Wahnsinn die Krone auf

Wäre da nicht Chris Führich gewesen, der in der Nachspielzeit nach einem Konter das leere Tor nicht traf und dem Wahnsinn die Krone aufsetzte. Nein, er müsse seinen Kollegen deswegen keinen ausgeben, antwortete Matarazzo auf eine entsprechende Reporterfrage. Augsburgs Niklas Dorsch habe den Schuss einfach phänomenal von der Linie gekratzt. Am Ende gab Matarazzo wieder ganz den nüchternen Analytiker. Denn auch er weiß: Noch ist lange nichts gewonnen im Kampf gegen den Abstieg. Er erinnerte gleich an die kommende Aufgabe: „In zwei Wochen haben wir wieder ein sehr wichtiges Spiel gegen Bielefeld.“