Stürmisch: Nicolas Gonzalez (rechts) zieht an dem Frankfurter Makoto Hasebe vorbei. Trotz Treffer und Torvorlage des Argentiniers bleibt dem VfB Stuttgart am Ende nur ein 2:2. Foto: Baumann

Der VfB Stuttgart hat beim 2:2 gegen Eintracht Frankfurt zeitweise ein Fußballspektakel geboten. Doch das Spiel zeigt auch, was der Aufsteiger in die Bundesliga schon kann – und was nicht.

Stuttgart - Daniel Didavi blieb nur noch die Nachspielzeit. Drei Minuten. Das ist nicht viel für einen, der Spiele entscheiden kann und es gewohnt ist, von Anfang an auf dem Platz zu stehen. Doch der Techniker des VfB Stuttgart wurde erst ganz spät für Gonzalo Castro eingewechselt. Den 30-jährigen Mittelfeldspieler des Fußball-Bundesligisten begleitete dabei die Hoffnung, mit ihm gegen Eintracht Frankfurt doch noch einen Lucky Punch setzen zu können. Ein Eckball, ein Freistoß oder ein feiner Pass, den außer Didavi nicht viele hinbekommen – Trainer Pellegrino Matarazzo schickte den Routinier nicht auf das Feld, um Ruhe und Zeit zu gewinnen. Sondern: das Spiel.

 

Es blieb jedoch beim 2:2. Ein verdienter Zähler, sicher. Aber für die Stuttgarter fühlte sich das Ergebnis am Ende auch wie zwei verlorene Punkte an, da sie mit 2:0 geführt hatten. „Das tut schon weh“, sagte Matarazzo mit Blick auf eine rasante Begegnung, die exemplarisch für die erste Saisonetappe des VfB steht. Sieben Spieltage sind nun in der Liga absolviert, und in den 90 Minuten gegen die Eintracht zeigte sich, was die Stuttgarter bereits können – und was noch nicht.

Die Fans auf den Rängen wären begeistert gewesen

Eine Stunde lang traten die Gastgeber stark auf. Tempo- und variantenreich im Angriff. Etwas anfällig und nachlässig in der Abwehr, wobei sich Atakan Karazor negativ hervortat. Doch das interessierte zunächst niemanden besonders, weil sich auf der Frankfurter Seite größere Räume auftaten – und die VfB-Elf wusste in diese hineinzustoßen. Nicolas Gonzalez (17./Foulelfmeter) und Gonzalo Castro (37.) nach glänzender Vorarbeit von Gonzalez erzielten die Führung.

Und hätte es sich bei der Begegnung in der Mercedes-Benz-Arena nicht um ein Geisterspiel gehandelt, die Anhänger auf den Rängen wären ins Schwärmen geraten. Sie wären womöglich vor Begeisterung kopfgestanden, weil auch die Gäste aus Hessen stürmten. Ein Spektakel für die wenigen Zuschauer im Stadion sowie die vielen vor den Fernsehgeräten ergab sich, aber ebenso ein Schlagabtausch, der Trainer befürchten lässt, dass ihre Teams unter Kontrollverlust leiden. „Die Stuttgarter haben uns mit ihren schnellen Außen und Nicolas Gonzalez große Schwierigkeiten bereitet“, sagte der Eintracht-Coach Adi Hütter. Vor allem Borna Sosa initiierte über links gute Angriffe.

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Hütter wusste sich jedoch zu helfen. Mit den Einwechslungen von Aymane Barkok und Amin Younes veränderte sich die Statik des Spiels. Nicht auf Anhieb, aber allmählich. Die Flügelspieler des VfB waren danach keine Angreifer mehr, sondern Verteidiger – und das beherrschen Silas Wamangituka und Borna Sosa eben nicht so gut wie das Attackieren. Dennoch: „Wir waren zu Beginn des zweiten Abschnitts dem 3:0 näher als die Frankfurter dem 1:2“, erklärte Matarazzo. Gonzalez (51.) und Mateo Klimowicz (56.), dessen Kopfball an die Latte ging, hatten die größten Möglichkeiten, die Partie zu entscheiden.

Doch es traf André Silva (61.). „Danach sind wir in Passivität verfallen“, bemerkte Matarazzo. Was zum einen daran lag, dass die Stuttgarter plötzlich vor Augen hatten, den fast sicher geglaubten ersten Heimsieg der Saison verspielen zu können. Zum anderen aber auch daran, dass die Frankfurter wieder verstärkt ihre Chance auf einen Erfolg witterten und eine gehörige Portion mehr an Härte und Aggressivität einbrachten. „Das hat uns zugesetzt“, meinte der Sportdirektor Sven Mislintat, „und wir haben die Erfahrung und Abgezocktheit einer Mannschaft zu spüren bekommen, die internationale Ansprüche hegt.“

Kritik an Schiedsrichter Stegemann

Ein konsequenteres Durchgreifen durch den Schiedsrichter Sascha Stegemann hätte sich Mislintat gewünscht. „Es gab schon die eine oder andere Szene, nach der die Frankfurter dezimiert hätten weiterspielen können“, sagte der Sportdirektor. Er sieht das junge VfB-Team aber weiter in einer Lernphase, um solche Widerstände zu überwinden – und zwar ausdrücklich ohne Schauspieleinlagen.

Das ist der Stuttgarter Weg, der nach dem 2:2 durch David Abraham (75.) befürchten ließ, dass der VfB nach der Siegerstraße nun auf die Verliererstraße einbiegen würde. Er blieb jedoch auf der Unentschiedenstraße. Zum dritten Mal nacheinander gab es ein Remis. Und wie zuvor bei Schalke 04 und gegen den 1. FC Köln (je 1:1) war mehr drin als beim gerechten 1:1 gegen Bayer Leverkusen.

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So laufen die Stuttgarter eventuell Gefahr, zu den neuen Remiskönigen zu werden: zu gut, um zu verlieren, aber nicht gut genug, um zu gewinnen. Mislintat argumentiert nach zehn Punkten zum Auftakt anders: „Wir haben bislang gezeigt, dass wir gegen fast jeden Gegner a) mithalten können, b) punkten können und c) gewinnen können.“ Den nächsten Beweis wollen die jungen Wilden des VfB nach der Länderspielpause bei 1899 Hoffenheim antreten.

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