Enttäuscht: VfB-Kapitän Christian Gentner (vorn, mit Florian Klein) Foto: Baumann

Es war eine bittere Pille: An diesem 1:2 beim FC Augsburg hat der VfB Stuttgart schwer zu schlucken. Andererseits hat er im Kampf ums sportliche Überleben noch alles selbst in der Hand. Er muss nur lernen, und zwar blitzschnell.

Augsburg - Wer zu spät kommt, den bestraft der Busfahrer. Die Mannschaft des VfB bog bereits auf die A 8 Richtung Stuttgart ein, da saßen Christian Gentner und Daniel Ginczek in der Augsburger Arena noch immer bei der Dopingprobe. Da ging es ihnen ganz wie dem Rest der Truppe: Es läuft einfach nicht.

Tröpfchenweise sammelt der VfB seine Punkte, nährt mit dem Sieg gegen Frankfurt die Hoffnung und schürt mit dem Dreier gegen Bremen die Euphorie – und reißt dann mit links ein, was er mit rechts aufgebaut hat. Die Niederlage in Augsburg war jedenfalls unnötig wie ein Kropf: Der VfB war die bessere Mannschaft, hatte Top-Torchancen, doch Augsburg war gnadenlos effektiv. „Dieses Spiel dürfen wir nicht verlieren“, merkte Christian Gentner an – und machte dann zusammen mit Daniel Ginczek das vor, was die Mannschaft in den kommenden fünf Endspielen auch auf die Reihe bekommen muss: Sie wechselten auf die Überholspur. Mit Mannschaftsarzt Raymond Best als Chauffeur zeigten sie den Kollegen im Bus eine lange Nase.

Im Endspurt gegen hartleibige Konkurrenz ist das ungleich schwieriger. Doch unmöglich ist es trotz des 1:2 nicht.

Die Ausgangslage: Freiburg, Hannover und Paderborn hatten allesamt ebenfalls verloren, doch der VfB agierte wie seine Angreifer – er verwandelte die Steilvorlagen nicht. „Es wäre super gewesen, wenn wir als einzige Mannschaft da unten gewonnen hätten“, sagte Sportvorstand Robin Dutt. Mit einem Sieg wäre der VfB punktgleich mit dem SC Freiburg ins direkte Duell am Samstag gegangen. Er hätte sich gegen alle Keller-Rivalen einen psychologischen Vorteil verschafft. Jetzt muss er den mühsameren Weg gehen, aus den Fehlern lernen und das Positive aus der Niederlage ziehen. „Die Jungs spüren auch, dass bei uns gerade etwas entsteht, und dann belohnen sie sich nicht“, sagte Trainer Huub Stevens und legte die Stirn in Falten: „Es sind immer weniger Spiele, es wird immer schwieriger.“ Kämpferisch und spielerisch ist der VfB auf dem richtigen Weg. Mit jedem Spiel steigert sich die Mannschaft. Das macht Mut. Aber reicht die Zeit?

Die Mutmacher: Daniel Ginczek lag auf dem Rasen und hielt sich vor Schmerzen das operierte rechte Knie – eine Szene, die beim VfB Panikschübe auslöst. Nach fünf Toren in vier Spielen ist Ginczek zurzeit die Lebensversicherung. „Alles gut“, sagte er nach Schlusspfiff. Dutt freute sich wie über einen Sechser im Lotto: „Es ist gut, wenn du vorne einen drin hast, von dem du weißt: Der macht die Dinger.“ Noch auffälliger war Filip Kostic. Der junge Serbe sprühte vor Spielwitz, sein Auftritt war ein Genuss. Zusammen harmonieren die beiden immer besser.

Die Schatten-Männer: Die linke Abwehrseite ist und bleibt auch mit Adam Hlousek eine Problemzone. Der Tscheche ist in der Defensive ja noch relativ zuverlässig – im Spiel nach vorne ist er ein Ausfall. Noch gravierender waren die Defizite auf der rechten Seite, wo Florian Klein auf die vakante Position des gesperrten Martin Harnik im Mittelfeld rückte und Daniel Schwaab in der Viererkette einsprang. Klein konnte nicht mal ansatzweise einen Offensivschwung wie Harnik entfachen und blieb blass, Schwaab trug am Tor zum 1:2 eine Mitschuld. Allerdings: Die Alternative zu Hlousek ist Gotoku Sakai, die zu Harnik ist Timo Werner – beide drängen sich seit Wochen nicht gerade auf.

Der Schiedsrichter: Thorsten Kinhöfer trug kein VfB-Trikot, dennoch machte Huub Stevens den Unparteiischen mitverantwortlich für die Niederlage. Aufgewühlt, wie er war, stürzte er nach dem Schlusspfiff auf den Platz und erkor Kinhöfer zu seinem persönlichen Blitzableiter. Besonders eine Szene vor dem 1:2 erzürnte ihn. Da hatte der spätere Torschütze Raul Bobadilla sein Gegenüber Georg Niedermeier gefoult. „Wie der Stürmer da seinen Körper einsetzen darf – unglaublich“, schimpfte Stevens, „da muss ein Stürmer auch mal abgepfiffen werden.“ Dann wäre in dieser Szene auch das 1:2 nicht gefallen.

Der Rückhalt im Tor: Egal was er tut – an Sven Ulreich scheiden sich die Geister. Vor dem 0:1 stolperte der Schlussmann bei seiner Kopfballabwehr über Bobadilla und kam nicht rechtzeitig ins Tor zurück, vor dem 1:2 faustete er den Ball zur Seite, ohne die Situation zu klären. „Vor dem 0:1 bin ich klar gefoult worden“, sagte er, was falsch ist, außerdem hätte er den Ball ins Aus köpfen müssen, „und beim zweiten Tor muss die Abwehr die Situation klären.“ Beides waren keine dicken Fehler, doch beide Male sah er unglücklich aus.

Der Ausblick: „Die Kunst ist es, sich von Widrigkeiten emotional nicht herunterziehen zu lassen“, sagt Robin Dutt, „aber bisher bleibt die Mannschaft auch nach Rückschlägen psychisch immer sehr stark.“ Das muss auch im Saisonfinale gelingen. Freiburg, Hamburg, Paderborn: Jetzt kommen die Endspiele gegen die direkten Konkurrenten. Klare Sache: Einen Ausrutscher wie gegen Augsburg darf sich der VfB ab sofort nicht mehr leisten.