Nach den Enthüllungen aus der Führungsebene des VfB Stuttgart ist klar: Der amtierende und eigentlich bis Sommer 2015 gewählte Präsident Gerd Mäuser wird über kurz oder lang seinen Hut nehmen. Die Frage aber ist: Wie geht es dann weiter?
Stuttgart - Es war ein guter Tag für die Telekommunikations-Branche. Nachdem unsere Zeitung detaillierte Einblicke in die verärgerte Führungsriege um den kritisierten Präsidenten Gerd Mäuser (55) gegeben hatte, liefen die Telefone der Patrone des VfB Stuttgart heiß. Krisenstimmung auf dem Cannstatter Wasen – und der heftige Wunsch nach einer raschen Lösung der Probleme.
Wenn eintrifft, was sich am vergangenen Wochenende in zahlreichen vereinsinternen Gesprächen an Eindrücken manifestierte, dann wird der amtierende VfB-Präsident Gerd Mäuser spätestens nach Ende dieser Saison als großes Missverständnis in die Geschichte des Fußball-Bundesligisten eingehen. Eine Einsicht, die inzwischen auch in ihm selbst zu reifen scheint. Jedenfalls verbreitete er während der Delegierten-Versammlung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) vergangene Woche bereits Abschiedsstimmung. Spätestens im Sommer dieses Jahres, ließ er seine Gesprächspartner wissen, werde er wohl nicht mehr Präsident sein.
Vielleicht ahnte er zu diesem Zeitpunkt bereits, was ihm Dieter Hundt, der Aufsichtsratschef des VfB, bei einem ursprünglich als Routine-Termin gedachten Treffen nach Ostern eröffnen will. Finis! Es passt nicht. So kann es nicht mehr weitergehen. „Ich bin sehr besorgt über die öffentliche Beurteilung des VfB-Präsidenten“, sagte der Arbeitgeber-Präsident am Wochenende, „ich werde das zum Anlass nehmen, um mich intensiv mit den Vorwürfen gegen Gerd Mäuser zu befassen.“
Der VfB Stuttgart steckt in einer Führungskrise
Wer Dieter Hundt (74) kennt, weiß: Er macht sich bereits Gedanken über eine passende Nachfolge für seinen einstigen Wunschkandidaten, der im Juli 2011 ins Amt gewählt worden ist und es sich dann im Rekordtempo mit seinen Mitarbeitern, etlichen Sponsoren, den Fans und den Medien verscherzte. Eineinhalb Jahre nach seiner Wahl steht der ehemalige Marketing-Manager von Porsche vor dem Scherbenhaufen seiner Arbeit im Clubhaus an der Mercedesstraße.
„Wir machen uns alle riesige Sorgen“, sagt Alfred Grupp, Vorsitzender des VfB-Ehrenrats. Ein Gremium, das laut Satzung als Schlichter eingeschaltet werden kann, wenn es Umstimmigkeiten im Vorstand oder im Aufsichtsrat gibt. Doch auch Hermann Ohlicher (63), Mitglied im Ehrenrat und immer dann gern genannt, wenn es um Führungsposten im Verein geht, hält sich vornehm zurück. „Es gibt große Probleme im Verein, die wir intern lösen müssen. Mehr will ich im Moment nicht dazu sagen“, lässt der Kapitän der Meisterelf von 1984 wissen.
Doch auch so besteht kein Zweifel: Der VfB Stuttgart steckt in einer Führungskrise.Und Dieter Hundt steht gehörig unter Druck: Er muss spätestens bis zur nächsten Mitgliederversammlung – geplant ist sie am 22. Juli – eine Personalie präsentieren, die intern und extern überzeugt. Vor allem die Forderung nach mehr Fußballfachverstand im Clubvorstand erfährt durch die Geschehnisse um Gerd Mäuser eine neue Dynamik. In einer der regulären Mitgliedversammlung vorgeschalteten außerordentlichen Mitgliederversammlung könnte der neue Clubchef gewählt werden.
Mäuser ist eigentlich bis 2015 gewählt
Aus der Misere helfen könnte nach Einschätzung von großen Teilen der weiß-roten Fangemeinde ein alter Bekannter: Ex-Präsident Erwin Staudt (65). Der Leonberger, der bis 2011 den Verein für Bewegungsspiele acht Jahre lang geführt hatte, ist offenbar zur Rückkehr bereit – entweder als Interimspräsident für die Dauer von zwei Jahren oder als künftiger Chef des Aufsichtsrats. Mäuser ist eigentlich bis 2015 gewählt, Dieter Hundt will nächstes Jahr nicht wieder für den Aufsichtsrat kandidieren. „Ich habe zwar keine Ambitionen“, sagte Erwin Staudt, „aber klar ist auch, dass ich den Verein in dieser Situation nicht hängenlasse.“
Charme hat in den Augen von Teilen der VfB-Anhänger offenbar auch eine Alternative, die sich aus Ex-Daimler-Sprecher Matthias Kleinert (75), dem früheren Celesio-Chef Fritz Oesterle (60) und Staudt zusammensetzt. Der frühere VfB-Präsident soll in dieser Variante den Aufsichtsrat führen, Fritz Oesterle wäre geschäftsführender Vizepräsident, Matthias Kleinert ehrenamtlicher VfB-Präsident.
Oesterle, gebürtiger Stuttgarter und promovierter Jurist, verhandelte mit Staudt einst über einen Vertrag als Trikotsponsor. Der damalige Celesio-Chef, ein VfB-Fan, aber kein ausgewiesener Fußball-Fachmann, wollte mit der Internet-Apothekenkette Doc Morris des Pharmagroßhandelsunternehmens Celesio aufs weiß-rote Trikot. Dann änderten sich die Mehrheitsverhältnisse im Unternehmen, am Ende wurde Oesterle von den Mehrheitseignern aus der Firma gedrängt. Gazi, das Unternehmen von Aufsichtsratsmitglied Eduardo Garcia, schlüpfte in die Rolle des Hauptsponsors und gab den Helfer in der Not.
Joachim Schmidt sollte ursprünglich VfB-Präsident werden
Seit dieser Saison leuchtet die Mercedes-Benz-Bank von der Brust des Trikots in Weiß und Rot. Eingefädelt hat die Werbe-Partnerschaft Joachim Schmidt (64), Marketing- und Vertriebsleiter bei Mercedes-Benz. Er sollte ursprünglich VfB-Präsident werden, Daimler-Chef Dieter Zetsche ließ ihn aber nicht ziehen und verlängerte Schmidts Vertrag beim Autobauer bis 2015. Danach kürte Dieter Hundt den nun so umstrittenen Gerd Mäuser zum alleinigen Kandidaten. Ein Verfahren, das Ex-Profi Karl Allgöwer (56) bis heute schmerzt.
„Mein Name wurde bei dem Personal-Poker doch immer nur als Alibi benutzt“, ärgert sich der frühere Mittelfeldspieler, Kapitän und Star des VfB Stuttgart – und sieht es mit gemischten Gefühlen und wenig Optimismus, dass er jetzt wieder als Führungsfigur auf dem Cannstatter Wasen gehandelt wird. „Diesmal“, so fürchtet er, „wird es wieder so sein. Dieter Hundt will mich einfach nicht.“