Argentinisches Trio: Die VfB-Profis Nicolas Gonzalez, Santiago Ascacibar und Emiliano Insua (von links) fühlen sich 11 000 Kilometer fern der Heimat fast wie zu Hause. Foto: Baumann/Montage: Miller

Man spricht Spanisch beim VfB. Unter den Fußball-Gastarbeitern des Bundesligisten geben die Argentinier den Ton an und lassen am Rande der Stadt Heimatgefühle aufleben.

Stuttgart - Die Farben Blau und Weiß sieht man beim VfB Stuttgart eigentlich nicht so gerne. Verständlich: Seit 1912 dominieren beim Club aus Cannstatt Weiß und Rot. Vor der am 24. August beginnenden Bundesliga-Saison hat sich die Farbgebung auf dem Wasen jedoch ein wenig verändert. Gleich vier Spieler mit dem roten Brustring tragen Himmelblau zumindest im Herzen: Emiliano Insua, Santiago Ascacibar, Nicolas Gonzalez sowie Nicolas Sessa vom VfB II. Sie bilden die argentinische Fraktion beim VfB.

Drei Ausländer mit derselben Nationalität und Stammplatzpotenzial – das gab es zuletzt in der Saison 2004/05. Damals standen in Zvonimir Soldo, Jurica Vranjes und Boris Zivkovic drei Kroaten im Kader. Der 29-jährige Insua, seit 2015 in Diensten der Stuttgarter, gehört praktisch schon zum Inventar. Kürzlich wurde sein Vertrag bis 2020 verlängert. Ascacibar (21) ist zwar erst seit einem Jahr hier, kam aber so schnell auf Betriebstemperatur wie ein Kessel Kohlen. Über den Neuen lässt sich noch nicht viel sagen. Nicolas Gonzalez fügte sich in den Testspielen aber prompt mit zwei Treffern und einer Vorlage ein.

Asado bei Vater Sessa

Mehr als 20 Jahre nach dem magischen könnte beim VfB das argentinische Dreieck aufblühen: mit Linksverteidiger Insua, Abräumer Ascacibar im Mittelfeld und Gonzalez als Mann für die Tore. Noch braucht der stürmende 8,5-Millionen-Euro-Neuzugang Zeit zur Eingewöhnung. Die ihm Trainer Tayfun Korkut einräumt: „Wir werden bei den neuen Spielern Geduld an den Tag legen, ohne sie zu streicheln.“

Bislang zeigt sich der 20-Jährige auf und neben dem Platz recht unerschrocken. Man könnte auch sagen: erstaunlich abgeklärt für sein Alter und seine Herkunft. Schließlich liegen zwischen seiner Heimat Buenos Aires und dem Schwabenland nicht nur 11 000 Kilometer Luftlinie, sondern es gibt auch die eine oder andere kulturelle Barriere. Argentinier gelten als die Italiener Südamerikas. Was einen gewissen Mentalitätsunterschied zu hiesigen Zeitgenossen impliziert. Für so manchen Fußballprofi aus Südamerika war das Abenteuer Europa in der Vergangenheit deshalb schnell wieder beendet.

Um Gonzalez’ Eingewöhnung an die neue Umgebung zu erleichtern, kommt Nicolas Sessa ins Spiel. Besser gesagt: Sessas Vater Marcello. Er stammt ebenfalls aus dem Land der Maradonas und Messis, seit 30 Jahren lebt er in Fellbach. Als Oberhaupt einer fußballverrückten Familie: Neben Nicolas spielen auch die anderen Söhne ambitioniert Fußball, Kevin beim Zweitligisten 1. FC Heidenheim, Dominic in der Oberliga beim SSV Reutlingen. Seit einigen Jahren dient das Casa Sessa in Fellbach als Anlaufstelle für die argentinische Fraktion beim VfB.

Nicoles Gonzalez verstärkt die Argentinien-Fraktion

In regelmäßigen Abständen kommen Santiago Ascacibar und Emiliano Insua samt ihren Familien dort zusammen. Vater Sessa serviert dann heimisches Asado (Gegrilltes), gewürzt mit dem Chimichurri von Großmutter Sessa. Auch der Mate-Tee darf natürlich nicht fehlen. Die Kinder spielen im Garten, die Eltern Karten. Fußball ist nur eines von vielen Themen. „Das sind immer richtige Familienfeste“, erzählt Marcello Sessa.

Fiesta Argentina in Fellbach! Eine schöne Tradition, die künftig auch Nicolas Gonzalez bereichern soll. „Wir versuchen gerade, für ihn in der Nähe eine Wohnung zu finden, vielleicht in Oeffingen oder Schmiden“, erzählt Marcello Sessa, dessen Sohn immer mal wieder bei den Profis mittrainiert und einen engen Draht zu seinen argentinischen Mitspielern hält. Aktuell kümmert sich das Patenkind von Marcello Sessa – ein Immobilienmakler – um eine Bleibe. So lange kommt Gonzalez bei Mitspieler Ascacibar in Esslingen unter. Der Kreis schließt sich.

Was freilich nicht zur Grüppchenbildung führen soll. Doch erleichtert es die Integration. Was nicht immer so reibungslos funktioniert habe, erinnert Sessa an das Beispiel Emanuel Centurion. Der Argentinier stand zwischen 2003 und 2006 in Stuttgart unter Vertrag. Glücklich oder gar heimisch wurde der Mittelfeldspieler aber nie. „Er hatte damals nicht so die Unterstützung“, erinnert sich Sessa. Heute würden die Clubs ihren Spielern das Einleben aber leichter machen als früher.

Weshalb einem um Nicolas Gonzalez nicht bange sein muss. Auch vonseiten des Vereins erhält er Unterstützung, bekommt unter anderem Sprachkurse angeboten. Und dann gibt es ja auch noch den Spanier Pablo Maffeo sowie einen Spanisch sprechenden Cheftrainer. Bei den Weiß-Roten fällt es zurzeit nicht schwer, blau-weiße Heimatgefühle aufleben zu lassen.