Konnte die eigenen Erwartungen gegen Mainz nicht erfüllen: VfB-Profi Kevin Großkreutz Foto: dpa

Jürgen Kramny hat noch einmal alles versucht im letzten Heimspiel der Saison. Doch er ist nicht der erste Trainer, der an dieser VfB-Mannschaft gescheitert ist.

Stuttgart - Die Schritte waren fest und zügig, die Entschlossenheit war groß, der Mut sowieso – und wie man Christian Gentner und Kevin Großkreutz so sah, wie sie auf die wütenden Fans zugingen, die gerade auf den Rasen der Mercedes-Benz-Arena stürmten, musste man sich fast schon fragen: Warum nur ist diese Mannschaft nicht immer so? Immer im Glauben, das Richtige zu tun. Immer mit größtmöglicher Entschlossenheit, immer mutig. Doch das, was die Herren in Weiß und Rot in den bitteren Minuten zuvor abgeliefert hatten, entsprach so gar nicht diesen Vorstellungen. Ganz im Gegenteil.

„Für uns“, ordnete Jürgen Kramny am Abend das Geschehene ein, „ist das eine brutale Geschichte.“ Weil dieses wohl entscheidende Heimspiel im Kampf gegen den Abstieg so vieles offenbarte, was seit Monaten, wenn nicht Jahren, das sportliche Problem dieses Clubs ist. Dabei waren doch wieder einmal ordentliche Voraussetzungen geschaffen worden.

Das Stadion voll, die Unterstützung da, der Spielbeginn ganz nach dem Geschmack des VfB: 1:0 gegen den FSV Mainz 05, den Vorteil auf der eigenen Seite. Doch dann fing der Gegner an dagegenzuhalten – und der VfB fing an, die Kontrolle zu verlieren. 1:1, 1:2 – rein gar nichts mehr war aufzuhalten, eigene Chancen gab es nicht mehr, „mit dem dritten Tor war es erledigt“, klagte Kramny.

Siegesserie, aber kein nachhaltiger Erfolg

Der Trainer machte einen bemitleidenswerten Eindruck nach der Pleite: brüchige Stimme, feuchte Augen, traurig im Ton. Aber das war ja auch kein Wunder. Als „100 Prozent VfB“ hatte ihn Robin Dutt, der Sportvorstand, kürzlich noch bezeichnet. Nun wird der 44-Jährige wohl als der zweite Trainer der Roten in die Geschichte eingehen, der eine VfB-Mannschaft in die zweite Liga führt. Bittere Krönung dieser leidigen Geschichte: Die zweite Mannschaft des Clubs, für die der Coach bis November letzten Jahres verantwortlich war, ist bereits aus der dritten Liga abgestiegen.

Das Urteil über den Trainer Kramny könnte also schnell gefällt werden – wären da nicht zwei gegenteilige Aspekte. Zum einen gab es die Phase nach Kramnys Amtsantritt bei der Bundesligatruppe. Gegenüber einer vom Vorgänger genervten Truppe fand er schnell die richtigen Worte, drehte an den richtigen Schrauben und legte mit dem Team eine Siegesserie hin, die beinahe jegliche Abstiegssorgen in weite Ferne verbannte. Und genau da kommt Punkt zwei ins Spiel: diese Mannschaft, an der sich schon vor Kramny zahlreiche Trainer abgearbeitet haben, ohne dass sich nachhaltiger Erfolg eingestellt hätte.

In dieser Saison stoppte die Erfolgsserie just in dem Moment, in dem das Team dachte, durchatmen zu können. Dieser Spannungsabfall konnte bis zum gefühlten Abstieg am Samstag nie wieder rückgängig gemacht werden, dazu kamen andere Faktoren wie die Verletzungen wichtiger Spieler (Dié, Ginczek), lange offene Zukunftsfragen (Didavi, Kostic), die ungünstigen Ergebnisse der Konkurrenz. Und Kramny wird sich ankreiden, dass er den Trend seiner Mannschaft nicht mehr hat umkehren können. Auch nicht mit dem Mut der Verzweiflung, den er am Samstag an den Tag legte.

Kramny: „Es ist noch nicht vorbei“

Er wagte den Torwartwechsel, er bot Timo Baumgartl und Toni Sunjic in der Innenverteidigung auf, er nominierte den bis dahin für nicht gut genug befundenen Philipp Heise, er verzichtete auf einen echten Stürmer. Kurz schien all das gutzugehen, dann aber lähmte die Gegenwehr der Mainzer wieder einmal das Stuttgarter Ensemble. Dass Spieler mit Führungsanspruch wie Martin Harnik und Florian Klein es nicht einmal in den Kader geschafft hatten, spricht auch nicht für den bedingungslosen Willen aller Akteure, sich gegen den Abstieg zu stemmen. Nicht noch einmal, möchte man sagen.

Einige Spieler, so schien es zuletzt, waren den Existenzkampf leid, konnten oder wollten die Situation nicht noch einmal annehmen. Doch ohne sie, ohne die verletzten Stützen, sowie ohne eine Verstärkung des Kaders im Winter (nur Großkreutz war eine echte Hilfe) fehlten dem Team am Ende Substanz und Mentalität, um wenigstens vor sicher nicht besser besetzten Mannschaften wie Darmstadt 98, dem FC Ingolstadt oder dem 1. FC Köln zu stehen. Die immer wieder hoch gelobten VfB-Profis funktionierten in den vergangenen Jahren viel zu selten als Mannschaft, die personelle Neuausrichtung kam zu langsam voran, die spielerische Basis vom spektakulären Saisonende 2014/15 hatte Ex-Coach Alexander Zorniger mit seiner kompletten spielerischen Neuorientierung gleich zum Rundenstart zerstört. Was nun bleibt? Die Hoffnung.

Im definitiven Abstiegsfall auf eine schnelle Rückkehr ins Oberhaus, davor auf einen würdigen Saisonabschluss – und auch noch ein bisschen auf ein Wunder am letzten Spieltag in Wolfsburg und zwei neue Chancen in den Relegationsspielen. „Es ist noch nicht vorbei“, sagte Jürgen Kramny, „wir werden bis zum letzten Tropfen alles geben.“ Vermutlich wird es wieder nicht genug sein.

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