Dem VfB gelingen derzeit trotz großer Spielanteile wenige Treffer. Der Trainer nimmt seine Offensive in die Pflicht, in der sich personelle Änderungen abzeichnen.
Auf den ersten Blick sind die Voraussetzungen für den VfB Stuttgart nicht schlecht, die Auftakt-Niederlage bei Union Berlin schleunigst aus den Köpfen zu bekommen. Nur drei Tage beträgt die Pause bis zum nächsten Spiel an diesem Dienstag, das zudem auch noch in einem anderen Wettbewerb steigt. Einem mit vielen positiven Erinnerungen: Drei Monate nach dem Sieg im DFB-Pokal geht es für den Titelverteidiger in der ersten Runde am Dienstag (20.45 Uhr) auswärts zu Zweitligist Eintracht Braunschweig. Weit weg vom Bundesliga-Alltag. Einerseits.
Auf der anderen Seite aber zeichnet sich ab, dass auf die Mannschaft von Trainer Sebastian Hoeneß sehr ähnliche Aufgaben zukommen wie zuletzt in Berlin-Köpenick. Eine erneute Feldüberlegenheit und viel Ballbesitz für den Bundesligisten wären in Braunschweig alles andere als eine Überraschung – verbunden mit der Aufgabe, das Ganze auch mit der nötigen Durchschlagskraft zu versehen und in Tore umzumünzen. Wenige Fragen sind von so großer Relevanz für den VfB unter Hoeneß, der in Stuttgart einen dominanten Spielstil mit hohen Ballbesitz-Werten entwickelt hat. Zuletzt war der Ertrag hieraus jedoch ein überschaubarer, sowohl in der Liga gegen Union Berlin (1:2) als auch zuvor im Supercup gegen den FC Bayern (1:2) stand jeweils nur ein eigener Treffer in der Schlussphase zu Buche. In der Generalprobe gegen den FC Bologna blieb man gar komplett torlos (0:1).
Sebastian Hoeneß: „Wir müssen die letzten Prozentpunkte herauskitzeln“
Das Thema ist längst ganz oben auf der Tagesordnung – und die Ansatzpunkte sind vielfältig. Zunächst: Am Thema Chancenverwertung kommt man dabei nicht vorbei. Der Expected-Goals-Wert – also die Zahl der zu erwartenden Tore aufgrund der Qualität der Abschlusspositionen – war gegen die Münchner (1,9) und auch in Berlin (1,7) jeweils deutlich höher als der eine Treffer, der am Ende auf der Anzeigetafel stand.
Zugleich aber weist der VfB an guten Tagen noch höhere Expected-Goals-Werte auf – weshalb auch der Trainer das Ganze weiter fasst und das Herausspielen der Möglichkeiten miteinbezieht. „Wir müssen die letzten Prozentpunkte rauskitzeln, nicht nur in der Verwertung der Chancen. Am Ende brauchst du insgesamt mehr Konsequenz und Energie“, fordert Hoeneß. Das gelte sowohl für die Abschlusssituationen, aber auch generell für den eigenen Ballbesitz. Ein Beispiel: In manchen Phasen war das Stuttgarter Spiel zuletzt von wenigen Tempo- und Rhythmuswechseln geprägt. „Es geht darum“, so Hoeneß, „von der ersten Sekunde Power und Zielstrebigkeit von der ersten Sekunde auszustrahlen.“
Und das nicht nur mit flachem Kombinationsfußball. Die vielen Flanken in Berlin aus dem Halbfeld waren kein Zufall, sie gehören längst zum Offensiv-Repertoire. Der VfB will das weiter forcieren. „Natürlich“, sagt der Stuttgarter Trainer, „müssen wir einen tiefstehenden Gegner über außen knacken. Aber nicht immer nur komplett über außen, sondern auch über das Halbfeld.“ Wenn hohe Hereingaben möglich seien, wolle er sie auch sehen: „Insbesondere gegen tiefstehende Gegner ist das sicher ein Mittel.“
Was zur Frage des Personals führt. In Berlin hatte Hoeneß auch mit Blick auf besagte Flanken in den Strafraum die seltene Entscheidung getroffen, alle drei zentralen Stürmer auf einmal aufzubieten, um viel Personal und Abschlussqualität im voll besetzten Strafraum sicherzustellen. Nur: Ein nachdrückliches Bewerbungsschreiben bildete die Partie nicht wirklich. Das Trio um Ermedin Demirovic, Deniz Undav und Nick Woltemade blieb torlos, hatte nicht die große Bindung zum Spiel und auch keine Torchancen im Überfluss.
Der Trainer will eine Wiederholung dieser Besetzung dennoch nicht ausschließen. Für ihn zählen dabei auch die Räume, die seine Stürmer für andere freiziehen. Die Variante mit allen drei Angreifern bleibt deshalb auf dem Tisch. „Sicher wird das eine Konstellation bleiben“, sagt Hoeneß, „die für uns interessant ist.“ Am Dienstag in Braunschweig wäre sie aber eine Überraschung – aus mehreren Gründen. Zum einen sorgten Chris Führich und Tiago Tomas als Einwechselspieler für viel frischen Wind und bewarben sich mit Nachdruck für die Startelf. „Es ist eine Option. Vielleicht einer, vielleicht auch beide“, sagt auch Hoeneß, der zudem auf die englische Woche verweist: „Es ist eine kurze Pause. Es wird sicher Veränderungen geben.“
Es zeichnet sich also etwas mehr Dribbelstärke statt Physis und Wucht ab – gegen einen Kontrahenten, den die Stuttgarter äußerst ernst nehmen. „Sie sind gut gestartet, wir sind gewarnt“, sagt Hoeneß mit Blick auf den Saisonstart der Eintracht mit sechs Punkten aus drei Spielen. Vieles wird am Dienstagabend also auf die Offensive ankommen. Und Ansatzpunkte gibt es einige.