Jos Luhukay – ein Trainer zwischen den Extremen. Foto:  

Hopp oder top: Der Trainer des VfB Stuttgart ist Zweitbester in der zweiten Liga und Drittschlechtester in der Bundesliga. Was ist die wahre Seite von Jos Luhukay?

Stuttgart - Mit Statistiken ist das ja so eine Sache, weiß Jos Luhukay (53). Der Trainer des VfB Stuttgart hat schon öfter die Erfahrung gemacht, dass die Daten relativ beliebig interpretierbar und dadurch kaum aussagekräftig sind. Deshalb hält er von diesem Thema prinzipiell nicht besonders viel. Allerdings heißt es ja auch immer, dass Zahlen so wenig lügen wie Tabellen. So gibt es bei Luhukay zwei Bilanzen, die ganz erstaunlich sind, weil sie total gegensätzlich ausfallen.

 

Hinter Ralf Rangnick, aber etwa vor Jürgen Klopp ist er in der 42-jährigen Geschichte der zweiten Liga der zweitbeste Trainer, der auf dieser Ebene mindestens 50 Partien im Amt gewesen ist. Während Rangnick einen Punktedurchschnitt von 1,96 erreicht, bringt es Luhukay bei seinen 174 Auftritten auf einen Wert von 1,83 Punkten. Das ist seine erfolgreiche Seite.

Seine erfolglose Seite sieht so aus, dass er in der Historie der ersten Liga seit 1963 den dritten Platz unter den größten Floptrainern einnimmt, die wenigstens 100 Begegnungen in der Verantwortung gestanden sind – mit einem Punkteschnitt von lediglich 1,00 aus 110 Spielen. Schlechter als Luhukay sind nur noch Herbert Burdenski (0,99) und Michael Frontzeck (0,95).

Was ist die wahre Seite?

Hopp oder top: so weit wie bei Luhukay geht die Schere bei keinem auseinander – und so gesehen ist es statistisch betrachtet ein Glück, dass der VfB abgestiegen ist und in der neuen Saison in der zweiten Liga antreten muss. Da ist Luhukay top. Mit diesem Fazit könnte die Geschichte bereits zu Ende sein, wären da nicht folgende Rätsel: Zweitbester Trainer aller Zeiten in der zweiten Liga, aber drittschlechtester Trainer aller Zeiten in der Bundesliga – wie kann das sein? Oder anders ausgedrückt: was ist die wahre Seite von Jos Luhukay? Als Antwort muss vorläufig genügen, dass sein Weg jetzt mit dem VfB in der zweiten Liga fortgesetzt wird und dass er dadurch die Chance hat, zu Rangnick aufzuschließen.

Vielleicht wäre er sogar schon an der Spitze, wenn seine Ausbeute beim 1. FC Köln mit in diese Wertung eingeflossen wäre. Dort arbeitete er bis 2005 jedoch nur als Assistenztrainer – und das zählt nicht für den Punkteschnitt. Das sind die Fakten, die nicht wegdiskutiert werden können. Das versucht Luhukay auch gar nicht. „Ich sehe beide Seiten ganz nüchtern“, sagt er – und beginnt, über seine Erfahrungen zu reden.

Grundsätzlich sei es für die Arbeit eines Trainers völlig unerheblich und uninteressant, ob er eine Mannschaft in der zweiten Liga oder in der Bundesliga betreut, sagt Luhukay, „es wäre doch seltsam, wenn ich meine Methoden und mein Auftreten davon abhängig machen würde, in welcher Spielklasse wir sind.“ Das Einzige, was sich in der Bundesliga verändere, sei die dann höhere Qualität der Gegner, ansonsten bleibe für einen Trainer alles gleich. „Überall haben wir es mit jungen Menschen zu tun, die wir anleiten und führen müssen.“

Die Ergebnisse könnten kaum unterschiedlicher sein

Dennoch könnte das Ergebnis bei Luhukay kaum unterschiedlicher sein. So holte er beispielsweise mit Hertha BSC in der Aufstiegssaison mehr Punkte als der Verein jemals zuvor oder danach in einer Runde erreichte. Ziemlich eindrucksvoll gelang in Berlin der Sprung nach oben – wie auch schon in Augsburg und bei Borussia Mönchengladbach. Das ist die Bilanz des Erfolgstrainers Luhukay, der das jetzt als Bestätigung dafür wertet, „den richtigen Kurs eingeschlagen und für eine kontinuierliche Entwicklung der Teams gesorgt zu haben.“ Bei diesen drei Vereinen habe einfach alles gepasst und gestimmt – anfangs.

Aber danach kamen gravierende Probleme, die Luhukay nicht lösen konnte. Eine negative Dynamik entstand – siehe Platz drei in der Bilanz der erfolglosesten Bundesligatrainer. Dabei waren diese Schwierigkeiten für ihn im Rückblick „eigentlich normal, weil man es als Aufsteiger schwer hat, Stabilität und Kompaktheit zu finden.“ Um die Mannschaft auf die neuen Gegebenheiten und Anforderungen einzustellen, benötige man in der Regel zwei bis drei Jahre – was die Vereine aber immer vergessen würden. Das Geschäft sei unglaublich schnelllebig geworden, sagt Luhukay – und fragt: „Bei welchen Clubs bekommt ein Trainer heutzutage im Profifußball denn überhaupt noch Zeit?“

Nur drei Adressen fallen ihm da ein: der FC Augsburg, der SC Freiburg und der FSV Mainz. Er habe auf jeden Fall auch bezüglich seiner Tätigkeiten in der Bundesliga ein reines Gewissen, sagt Luhukay, der jetzt ohnehin zunächst einmal den Zweitligarekord von Rangnick jagen kann. Und wenn der VfB aufgestiegen ist, sieht man nicht nur in Sachen Statistik weiter.