Glücklich nach dem ersten Saisonsieg: VfB-Profi Antonio Rüdiger (li.) Foto: dpa

So groß die Erleichterung nach dem ersten Saisonsieg beim VfB Stuttgart auch ist – die Wende zum Guten ist noch lange nicht geschafft. Nur gut, dass das anscheinend allen bewusst ist.

So groß die Erleichterung nach dem ersten Saisonsieg beim VfB Stuttgart auch ist – die Wende zum Guten ist noch lange nicht geschafft. Nur gut, dass das anscheinend allen bewusst ist.

Stuttgart - Natürlich war er am Samstag noch einmal ein großes Thema, der ehemalige Sportvorstand des VfB Stuttgart. Und natürlich wollten auch die wenigsten der Protagonisten in Weiß und Rot den Eindruck erwecken, sie würden Fredi Bobic drei Tage nach dessen Entlassung noch allerhand schmutziges Zeug hinterherwerfen. Also sagte etwa der Mittelfeldspieler Daniel Didavi: „Ich finde es schade, dass er nicht mehr da ist. Er war immer für mich da.“ Abwehrspieler Antonio Rüdiger erklärte, der 1:0-Erfolg gegen Hannover 96 sei auch ein wenig dem geschassten Sportchef zu widmen. Trainer Armin Veh meinte, die zuletzt vier Punkte aus zwei Spielen „hätten wir auch mit Fredi geholt“, und selbst die Fans spannten noch vor dem Anpfiff ein wohlwollendes Transparent: „Danke für die Verdienste und die Treue zum VfB.“ Was aber auch zu lesen war: „Fredi, es war Zeit zu geh’n.“ Entsprechend war die Atmosphäre rund um die Partie gegen Hannover 96.

Trotz allen Bemühens um ein versöhnliches Ende der zuletzt vierjährigen Beziehung zwischen dem VfB und Fredi Bobic war die befreiende Wirkung der unter Druck vollzogenen Trennung nicht zu übersehen. Vor allem, als sich die Partie gegen die extrem defensiv eingestellten Niedersachsen zur Geduldsprobe entwickelte. Kein Unmut von den Rängen bei misslungenen Aktionen, kein Pfeifen selbst beim x-ten Querpass – stattdessen Unterstützung vom An- bis zum Abpfiff. Die Mannschaft schien dieser Langmut zu stabilisieren.

Sicher, auch der solide Auftritt in Dortmund (2:2) hatte schon seine Wirkung erzielt. „Dieser Punkt hat uns viel Sicherheit gegeben“, sagte Mittelfeldmann Oriol Romeu. Dazu kam vor der Partie gegen Hannover noch die deutlich sichtbare Konsequenz des Trainers.

Das Vertrauen auf die roten Trikots, mit denen es in Gladbach und Dortmund ganz ordentlich gelaufen ist, fiel noch unter die Rubrik Psychotrick. Auf der Torhüterposition aber schenkte Armin Veh dann Thorsten Kirschbaum statt Sven Ulreich das Vertrauen – die Mannschaft war deswegen alles andere als verstört: Nach dem Abpfiff bildete sich gleich eine Jubeltraube um die neue Nummer eins. Obwohl wieder von einer Grippe genesen, verdrängte Vedad Ibisevic eben nicht den jungen Timo Werner in der Spitze, und als Veh während der Partie etwas mehr Offensivgeist im Team benötigte, brachte er Neuzugang Filip Kostic statt den bewährten Alternativen Martin Harnik oder Alexandru Maxim. Der Coach begründete seine Personalpolitik derart: „Mit Spielern wie Ibisevic, Kostic, Harnik oder Maxim auf der Bank kann ich das Spiel verändern.“ Man kann nach den vergangenen beiden Partien aber auch sagen: Die Zeichen, die Armin Veh sendet, werden deutlicher, seine Jungs dadurch stabiler. Nur: In Sicherheit wiegen können sich alle Beteiligten noch lange nicht.

Statt grenzenloser Zuversicht herrschte denn auch erst mal nur Erleichterung über den ersten Sieg der Saison – und vor allem darüber, in den Schlussminuten nicht wieder ein Erfolgserlebnis hergeschenkt zu haben. „Psychologisch war das ein ganz wichtiges Spiel“, sagte Armin Veh. Kapitän Christian Gentner meinte: „Das war sehr wichtig für die Entwicklung.“ Und Thorsten Kirschbaum, die neue Nummer eins, erklärte: „Das ist ein brutal wichtiger Schritt gewesen. Das gibt uns einen Schub.“ Ob er recht behält, wird sich schon am Freitag (20.30 Uhr/Sky) zeigen.

Dann tritt der VfB Stuttgart zum Auswärtsspiel bei Hertha BSC in Berlin an. Und womöglich erlangt das neue VfB-Modell dann endgültig Serienreife. Dessen Prinzipien sind: Erst einmal gut stehen mit den Defensivspezialisten Oriol Romeu und Carlos Gruezo in der Mittelfeldzentrale, Geduld haben und das Risiko gering halten. Dann nach und nach mutiger werden und den Weg nach vorn konsequenter suchen, gerne auch wieder in Person von Filip Kostic. „Er hat uns gegen Hannover gutgetan“, lobte Veh den 21-jährigen Serben.

Filip Kostic also weckt bei seinem Trainer durchaus Erwartungen – die ganz generell nach nun fünf Punkten aus sechs Spielen aber noch nicht in den Himmel wachsen. „Wir können noch nicht gelassen nach vorne schauen“, warnte Christian Gentner und ergänzte mit ernstem Blick: „Wir haben einen langen und schwierigen Weg vor uns.“ Auf dem Platz, aber auch daneben – gemäß der Forderung der Anhänger: „Vorstand und Aufsichtsrat: Die Probleme jetzt anpacken und nicht weiter schlafen.“