Felix Magath kennt sich mit komplizierten Rettungen aus - klicken Sie sich durch unsere Bildergalerien der Vereine, die erprobt sind im Drinbleiben. Foto: AP

Der VfL Bochum schmückte sich einst mit dem Titel „Die Unabsteigbaren“. Aktuell schickt sich der VfB Stuttgart an, diese Rolle in der Bundesliga auszufüllen. Doch das Beispiel Bochum lehrt: Auf Dauer geht das selten gut.

Stuttgart - Wenn der erfolgreiche Kampf gegen den Abstieg in der Fußball-Bundesliga ein Gesicht hat, dann das von Jan-Aage Fjörtoft. Sein Übersteiger am letzten Spieltag der Saison 1998/1999 gehört zum Kulturgut der Bundesliga. Mit seinem Tor zum 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern rettete er Eintracht Frankfurt im wohl dramatischsten Bundesliga-Finale der Geschichte vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit.

„Die Nichtabstiegsparty hatte es in sich“, erinnert sich der ehemalige Angreifer, „und weil es so schön war, haben wir im nächsten Jahr gleich noch mal gefeiert.“ Auch damals rettete sich die Eintracht erst am 34. Spieltag – durch ein 2:1 gegen den SSV Ulm.

Die Hessen sind, betrachtet man die letzten 20 Jahre im Oberhaus, so etwas wie die Nichtabstiegskünstler. Gleich viermal retteten sie sich auf den letzten Drücker. Einer der Trainer-Helden von damals: Felix Magath. Er erinnert sich: „Als ich Weihnachten 1999 kam, herrschte Chaos. Der Präsident war auf dem Absprung, die Mannschaft völlig durcheinander.“ Trotz des furiosen Finales im Jahr zuvor hatte die Mannschaft eine katastrophale Hinrunde gespielt. Der Abstand zum rettenden Ufer betrug acht Punkte. Als Magath anheuerte, holte er gleich zwei Neue. Die Hessen starteten eine famose Aufholjagd. „Die Erfahrung aus dem Jahr zuvor war gerade auf den letzten Metern sehr hilfreich“, erinnert sich der 61-Jährige.

Magath hatte sich schon zuvor den Ruf des Retters erworben. Sowohl den 1. FC Nürnberg als auch Werder Bremen bewahrte er vor dem Absturz in Liga zwei. Nach seiner Station in Frankfurt gelang ihm dieses Kunststück auch noch beim VfB Stuttgart, wo der Kampf gegen den Abstieg bis dahin unbekanntes Terrain war. „Es kommt vor allem darauf an, dass im Verein Einigkeit herrscht und alle an einem Strang ziehen“, sagt Magath. Das sei damals in Stuttgart der Fall gewesen. Heute könne er die Situation beim VfB nicht beurteilen.

Mit den Jahren hat sich der Wasen-Club in die Riege der ewigen Abstiegskämpfer eingereiht. Auf einer Stufe mit dem Hamburger SV oder dem SC Freiburg, die strampeln und strampeln und sich mit Händen und Füßen gegen den Abstieg wehren – noch erfolgreich. In der Zeit davor nahmen Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 die Rolle der stets am Abgrund Taumelnden ein. Den einen oder anderen hat es dabei immer mal erwischt. Unvergessen auch die Kampfhähne aus Bielefeld oder Cottbus, die beachtlich lange die Unterlippe über Wasser hielten. Nicht zuletzt der VfL Bochum, der ab der Saison 1992/93 mit dem Prädikat „Die Unabsteigbaren“ bundesweit zur Marke wurde, bis auch das irgendwann nicht mehr half.

Vergangene Erfolge als leistungsförderndes Merkmal

„Das System nimmt den Einzelnen ein Stück weit in Besitz“, sagt der Sportpsychologe Lothar Linz. Das heißt, dass die Spieler der jeweiligen Mannschaft die Mentalität, die Geschichte des Vereins verinnerlichen. Ein Spieler wird in der Regel besser, wenn er zum FC Bayern München wechselt. Genauso können sich Erfolge aus der Vergangenheit – auch wenn es sich nur um den geglückten Klassenverbleib handelt – leistungsfördernd auf einzelne auswirken.

Diese Karte müsste der VfB in der momentanen Lage spielen, meint Linz. „Es muss eine Rückbesinnung auf die Spielzeiten, in denen es der VfB geschafft hat, stattfinden.“ Schließlich habe sich ja bereits ein Großteil des aktuellen Kaders erfolgreich gegen den Abstieg gestemmt. Gleichzeitig warnt Linz, der sich beruflich unter anderem mit dem Thema Angstgegner beschäftigt hat, davor, dass die Widerstandskraft irgendwann erlahmen und der Krug zur Neige gehen könnte. Der FSV Mainz und der SC Freiburg sind Beispiele dafür. Irgendwann sind die Mannschaft, der gesamte Verein, das Umfeld des ewigen Kampfes gegen den Abstieg müde – der Absturz ist dann keine Überraschung mehr. Ein Szenario, das sich momentan durchaus auf den VfB Stuttgart übertragen ließe.

Auch für Robin Dutt ist der Überlebenskampf nichts Neues. Der VfB-Sportvorstand kennt ihn aus Bremen wie aus Freiburg. „Es kommt darauf an, Ruhe auszustrahlen und Vertrauen zu signalisieren“, sagt er. Ruhe strahlt Dutt aus, aber nur mit Ruhe allein ist noch keiner dringeblieben. Auch in Freiburg oder Paderborn verfällt niemand in Panik. Vertrauen in den Trainer ist bei den Roten vorhanden. Es scheint der letzte Trumpf zu sein. Wobei Huub Stevens gar nicht der klassische Retter ist, als der er gern gesehen wird. Außer vergangene Saison beim VfB zog er nur mit einem Club den Kopf aus der Schlinge: 2007 beim Hamburger SV, den einzig wirklich Unabsteigbaren.

Übersteiger wie seinerzeit von Jan-Aage Fjörtoft sieht man im Kampf gegen den Abstieg eher selten. „Das traut sich heute keiner mehr“, sagt der 48-Jährige und lacht. Im Zweifel reicht auch ein über die Linie gestocherter Ball zur Rettung.