Bester Laune: Tayfun Korkut Foto: Baumann

Tayfun Korkut kam im Winter und hatte nur einen Auftrag: Um jeden Preis den Abstieg verhindern. Nun will er das Team weiterentwickeln. Im Trainingslager hat er erklärt, wie er sich das vorstellt, für welche Werte er steht, was er an Joachim Löw bewundert und warum er nicht der Freund der Spieler sein will.

Grassau - Durch das Fenster des Teamhotels Achental sieht Tayfun Korkut noch, wie sich die hintere Tür des Busses schließt. Dann rauscht die Mannschaft ohne ihn vom Hof.

Die Fahrt führt Mario Gomez, Christian Gentner und Co. von Grassau aus am Ufer der Tiroler Ache entlang flussaufwärts. Korkut hat seinen Spielern am Donnerstagnachmittag trainingsfrei gegeben – eine Rafting-Tour im Wildwasser steht jetzt an. Teambuilding-Maßnahmen werden derlei Trips gerne genannt. „Die Spieler sollen gemeinsam etwas erleben, sollen zusammen lachen“, sagt der VfB-Trainer. Der Chef, also er selbst, störe dabei nur.

Am Vormittag hatte Tayfun Korkut seine Jungs auf dem Trainingsgelände des ASV Grassau zunächst 95 Minuten lang hart ran genommen. „Da ist schon das ein oder andere unschöne Wort über den Platz geflogen“, erzählt der Chefcoach, lehnt sich in seinem Stuhl zurück – und schlägt die rechte Faust links in die Handfläche. Bumm! „Es muss in Spielformen auf engem Raum auch mal krachen. So wie heute“, erklärt der 44-Jährige und muss ein wenig grinsen: „Natürlich kann man das nicht jeden Tag machen. Denn sonst fehlt bald der eine oder andere.“

Korkut über seine Möglichkeiten

Ein halbes Jahr steht Tayfun Korkut inzwischen auf der sportlichen Kommandobrücke des VfB. „Als Trainertyp, was meine Werte angeht wie den direkten, ehrlichen Umgang miteinander, habe ich mich nicht verändert“, sagt der 44-Jährige. Und doch, das ist dieser Tage im Sonnenlicht der oberbayerischen Alpen deutlich geworden, ist Korkut in eine neue Rolle geschlüpft.

Als Feuerwehrmann mit Trillerpfeife ist er Ende Januar beim VfB an Bord gegangen, als es galt, den drohenden Abstieg, das erneute Fiasko abzuwenden. Viel Zeit für kreative Lösungen blieb da nicht. „Wir mussten sofort funktionieren – und die Mannschaft auch“, sagt Korkut: „Und das hat ja zum Glück auch sehr gut geklappt.“

Nun ist die Basis gelegt. „Wir sind nicht mehr neu und wissen, was funktioniert“, sagt Korkut über seine Arbeit und die seines Trainerteams, zu dem neben den beiden Assistenten Steve Cherundolo und Ilja Aracic, dem Torwarttrainer Marco Langner und dem Konditionstrainer Matthias Schiffers seit Neuestem auch das ehemalige deutsche Sprintass Tobias Unger als Athletikcoach zählt.

Sieben Neuzugänge hat Michael Reschke seinem Cheftrainer frühzeitig auf den Rasen gestellt. Das weiß Korkut sehr zu schätzen: „Unser Management hat einen tollen Job gemacht“, sagt der 42-fache, ehemalige türkische Nationalspieler, der schnell gemerkt hat, dass die Spielervielfalt neue Möglichkeiten wie taktische Alternativen bietet. „Wir haben jetzt Konkurrenzkämpfe auf jeder Position. Dadurch ist eine tolle Dynamik entstanden“, sagt Korkut, den man als Trainer eher der konservativen Schule zurechnen darf.

Also sind dem 44-Jährigen Werte wie gegenseitiger Respekt sehr wichtig. Hierarchien innerhalb eines Teams sind dennoch logisch. „Es ist ein Unterschied, ob ein Spieler 20 Jahre alt oder bereits ein gestandener Nationalspieler ist“, sagt Korkut, dem seine eigene Spielerkarriere als Trainer wie er findet sehr zu Gute kommt. „Ich weiß, wie eine Kabine riecht“, sagt der Mann, den man dieser Tage in Grassau häufiger mit einem Lächeln antrifft.

Korkut über seine Lehrmeister

Große Lehrmeister hat Korkut in seiner Spielerkarriere erlebt, „von denen ich für meine Arbeit viel mitnehmen konnte.“ Da war etwa bei Fenerbahce der brasilianischer 94er-Weltmeistercoach Carlos Alberto Parreira („Er war seiner Zeit taktisch sehr weit voraus“), bei Besiktas der Spanier Vicente del Bosque („Ein echter Senior“) – und auch einen damals jungen Trainer namens Joachim Löw hat Korkut in der Türkei erlebt – und sagt: „Er hatte schon damals ein gutes Gefühl für seine Spieler.“

Auch Korkut setzt gerne sein Gespür ein. Moderne Methoden der Spieleranalyse und Trainingskontrolle sind auch für ihn wichtig. Also tragen seine Profis in Grassau häufig die sogenannten Sportler-BH’s mit integriertem Speicherchip, die neben der Herzfrequenz etwa auch die Laufwege dokumentieren. Allerdings zählt der VfB-Trainer zu der Spezies Fußballlehrer, die sich gerne auch von ihrer Nase, ihrem Gefühl leiten lassen.

Also hat Korkut erst am Mittwochabend entschieden, nach einer knackigen Vormittagseinheit am Donnerstag die Spieler zum Rafting zu schicken. Dass nun eine Prise Spaß auf dem Tagesplan steht, das hat Korkut seinen Profis allerdings erst nach dem Training verraten.

Warum? „Als Trainer ist man nie der Freund der Spieler“, sagt Korkut: „Dazu ist der Erfolgsdruck viel zu groß.“