VfB-Präsident Wolfgang Dietrich bezieht Stellung Foto: dpa

Seit der Entlassung von Hannes Wolf beim VfB Stuttgart schlagen die Wellen der Empörung hoch. Im Zentrum der Kritik: die Vereinsführung. Nun äußert sich erstmals VfB-Präsident Wolfgang Dietrich zur Kritik. Sechs Brennpunkte, sechs Fragen, sechs Antworten.

Stuttgart - Eine Nacht hat vieles verändert beim VfB Stuttgart. Von Samstag auf Sonntag fiel die Entscheidung, sich von Hannes Wolf zu trennen – und am Montag wurde Tayfun Korkut als neuer Trainer des Fußball-Bundesligisten vorgestellt. Seither schlagen die Wellen der Empörung auf dem Wasen hoch. Nun äußert sich erstmals Vereinspräsident Wolfgang Dietrich zur Kritik.

Brennpunkt eins: die Stimmung

Die Situation: Mitglieder kündigen ihren Vereinsaustritt an, Dauerkartenbesitzer wollen nie mehr ins Stadion und viele Fans sind fassungslos, da sie geglaubt hatten, der VfB befinde sich mit einer neuen Führung, einem jungen Trainer sowie einer entwicklungsfähigen Mannschaft auf dem richtigen Weg. Doch von Aufbruch ist nun nicht mehr die Rede. Der Stuttgarter Anhang fühlt sich nach der Trennung von Hannes Wolf getäuscht – und ist maßlos enttäuscht.

Die Frage: Herr Dietrich, sehen Sie sich in der Hauptverantwortung für die verheerende Stimmung rund um den VfB?Herr Dietrich

Wolfgang Dietrich sagt: „Was die Stimmungslage angeht, muss man differenzieren. Das Internet beziehungsweise die sozialen Medien sind das eine. Mit Kritik kann ich umgehen, nicht aber mit Häme und Hass für den Verein oder handelnde Personen. Das blende ich aus. Ich bekomme aber auch direkte Rückmeldungen, und die sind bei weitem nicht so drastisch. Viele, die uns jetzt für den Trainerwechsel kritisieren, hielten in den vergangenen Wochen auch nicht mit Kritik an Hannes Wolf hinterm Berg. Insofern sehe ich das relativ gelassen. Im Übrigen habe ich in meinem Leben schon ganz andere Krisen durchgemacht und auch ausgestanden. Aber natürlich sehe ich mich als Präsident in der Verantwortung – und der stelle ich mich auch. Mein Job ist es, jetzt besonnen zu bleiben und das große Ganze über den Moment zu stellen.“

Brennpunkt zwei: die Fehlentwicklung

Die Situation: Mit Wolfgang Dietrich als Präsident sollte beim VfB der Erfolg zurückkehren und eine neue Vereinskultur Einzug halten. Das gilt nach wie vor. Der Vereinschef nimmt für sich in Anspruch, korrekt gehandelt zu haben. Nur: es wird anders wahrgenommen. Von Wortbrüchen ist die Rede und viele Anhänger sehen nicht mehr das Bild eines VfB vor sich, der mit neuen Kräften zu alter Stärke zurückfindet. Sondern einen VfB, der womöglich dort endet, wo er vor Kurzem hergekommen ist: in der zweiten Liga.

Die Frage: Herr Dietrich, was ist aus dem versprochenen Neuanfang geworden?

Wolfgang Dietrich sagt: „Ich kann nur die Phase bewerten, in der ich im Amt bin. In dieser Zeit haben wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern, Fans, der Mannschaft und den Mitarbeitern alle Ziele erreicht, die wir uns gesteckt haben. Mit diesem Geist und der Besonnenheit im Umgang mit kritischen Situationen werden wir auch unser nächstes großes Ziel, den Klassenerhalt, erreichen. Die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft sind gegeben, weshalb wir weit davon entfernt sind, dass hier ein Chaos ausbricht. Vielleicht ist die öffentliche Wahrnehmung im Moment deshalb eine andere, weil es in den vergangenen 18 Monaten stets aufwärts ging. Ich bin aber überzeugt, dass wir auch aus dieser Situation herauskommen.“

Brennpunkt drei: der alte Trainer

Die Situation: Die schöne Erzählung, mit einem jungen Trainer die Gegenwart anzugehen und mit ihm in die Zukunft durchzustarten, ist jäh beendet worden. Damit ist zunächst auch ein Entwicklungsprozess abgewickelt. Bis November des vergangenen Jahres lief es gut, dann passte vieles beim VfB auf dem Rasen nicht mehr. Das Ergebnis: sieben Niederlagen in den vergangenen acht Spielen. Das lässt sich nicht wegdiskutieren und die Kritik an Hannes Wolf wuchs. Dennoch hätten sich viele Fans gewünscht, dass der Verein an dem 36-Jährigen festhält.

Die Frage: Herr Dietrich, warum haben Sie Hannes Wolf so schnell fallen lassen?

Wolfgang Dietrich sagt: „Wir haben ihn nicht fallen gelassen. Seine Bedenken nach dem Schalke-Spiel waren so grundsätzlich, dass wir keine andere Wahl hatten, als diesen Weg gemeinsam mit Hannes so zu gehen. Wobei der eigentliche Nackenschlag für ihn die Niederlage in Mainz war. Diese hat ihm – nach dem Sieg gegen Hertha BSC eine Woche zuvor – ein Stück weit den eigenen Glauben geraubt. Und wenn er dann nach Schalke der Meinung ist, es geht nicht mehr, weil er nicht mehr die 100-prozentige Überzeugung hat, können wir nicht sagen: ,Doch Hannes, Du musst.’ Das wäre ja absurd. Hannes Wolf und ich haben nach wie vor ein enges Vertrauensverhältnis und er hat mir von Anfang an klargemacht, dass wir die Ersten seien, die davon erführen, wenn er irgendwann einmal das Gefühl hat, dass es für ihn mit der Mannschaft nicht mehr weitergeht. Insofern hat er sehr verantwortungsbewusst gehandelt – und wir auch. Den Vorwurf, wir hätten ihn in der erstbesten Krise fallen gelassen, lasse ich nicht gelten. Denn wenn er glaubt, die Mannschaft nicht mehr zu erreichen, helfen die besten Stützen und Ratschläge nichts.“

Brennpunkt vier: der neue Trainer

Die Situation: Das Gefühl nach der Verpflichtung von Tayfun Korkut: Wie konnte man nur? Der neue Chefcoach wirkt für viele Anhänger wie eine Notlösung. Selten ist ein Trainer beim VfB so argwöhnisch empfangen worden. Korkut bringt das nicht aus der Ruhe. Er weiß um seine große Chance, noch einmal in der Bundesliga arbeiten zu dürfen. Trotz der Fachkompetenz, die dem 43-Jährigen nachgesagt wird, glänzen seine Bilanzen nicht. Die VfB-Fans glauben sogar, dass der gebürtige Stuttgarter zwar Schwäbisch kann – aber vieles andere nicht.

Die Frage: Herr Dietrich, warum ist Tayfun Korkut der bessere Trainer als Hannes Wolf?

Wolfgang Dietrich sagt: „Diese Frage stellt sich für uns gar nicht – und sie hat sich auch bei der Suche nach einem neuen Trainer nicht gestellt. Es gab im Wesentlichen drei Punkte, die für Tayfun Korkut gesprochen haben. Erstens: er hat als Spieler öfters schwierige Situationen in seiner Karriere bewältigt. Zudem hat er als Trainer bereits mit Hannover 96 und Bayer Leverkusen Abstiegskampf pur erlebt. Dabei wurde jeweils das Ziel klar erreicht. Zweitens: Tayfun Korkut hat uns mit seiner Persönlichkeit sowie mit seinen Ansätzen überzeugt, wie er gemeinsam mit der Mannschaft wieder die Kurve kriegen will. Dazu haben wir auch viele Gespräche mit Menschen geführt, die schon mit ihm gearbeitet haben – und die Referenzen waren ausnahmslos gut. Drittens: er ist einer von uns, ein Junge aus der Region.“

Sehen Sie im Video Fanstimmen zum Trainerwechsel und zur Zukunft des VfB:

Brennpunkt fünf: das Auftreten des Sportchefs

Die Situation: Einen leisen Einstand legte Michael Reschke nicht hin. Als erste Kritik an seinen Transfers (Beck, Aogo) laut wurde, watschte er die Nörgler als „Vollidioten“ ab. Was ihm beim Anhang prompt die ersten Minuspunkte einbrachte. Spätestens seit seinen Äußerungen nach der Niederlage in Mainz gilt der Sportchef in der Öffentlichkeit als derjenige, der Hannes Wolf ins Stolpern gebracht hat. Die Abmoderation der Entlassung war schließlich auch kein Lehrstück in gelungener PR. Der Rheinländer redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und will sich auch nicht verbiegen.

Die Frage: Herr Dietrich, tritt Michael Reschke in der Öffentlichkeit zu unüberlegt auf?

Wolfgang Dietrich sagt: „Wir haben in Michael Reschke keinen Zauberer verpflichtet, der alles kann, sondern einen harten Arbeiter. Es ist jedoch klar, dass er eine sehr direkte Art der Kommunikation pflegt. Das gefällt nicht jedem. Eine solche Art kann aber auch auf einen zurückschlagen, wenn es sportlich nicht so läuft. Das ist nun der Fall. Ich verwehre mich jedoch gegen den Eindruck, dass die Aussagen unseres Sportvorstandes nach der Partie in Mainz der Anfang vom Ende mit Hannes Wolf waren. Er hat im Kern gesagt, dass er sich mit dem Trainer in dieser Woche austauschen werde. Es hat nur das Wörtchen „auch“ gefehlt, denn die beiden haben ständig miteinander gesprochen. Und von Hannes Wolf weiß ich definitiv, dass ihn diese Aussage vor dem Schalke-Spiel nicht belastet hat.“

Brennpunkt sechs: die Transfers des Sportchefs

Die Situation: Kaum hatte sich nach dem Trainerwechsel bei den Fans der Sturm der Entrüstung gelegt, fachte er am Mittwochabend wieder auf. Zum Zeitpunkt, als das Transferfenster schloss und klar war, dass sich der VfB mit den zuvor getätigten Wintertransfers begnügen wird: Mario Gomez, Jacob Bruun Larsen und Erik Thommy. Im Kern lassen sich Michael Reschkes Winter-Aktivitäten auf den Tausch Mario Gomez gegen Simon Terodde (1. FC Köln) reduzieren.

Die Frage: Herr Dietrich, was halten Sie von den Transfers ihres Sportvorstandes?

Wolfgang Dietrich sagt: „Wenn ich sehe, wie sich Michael Reschke für den Verein einbringt, obwohl er kein geborener VfBler ist, dann ist dieses Engagement außergewöhnlich. Er ist auch bereit, sich der Kritik zu stellen, die jetzt auf ihn und mich einprasselt. Das eine ist aber die äußere Wahrnehmung seiner Arbeit, das andere sind die Fakten. Im Sommer, als er wenige Tage vor Ende der Transferperiode zu uns gekommen ist, hat er innerhalb kürzester Zeit mit Andreas Beck und Dennis Aogo wichtige Positionen besetzt. Zudem hat er Santiago Ascacibar verpflichtet – ein absoluter Toptransfer. Über die Qualitäten eines Mario Gomez brauchen wir nicht zu reden. Erik Thommy war ein Vorgriff auf den Sommer und trotz seines unglücklichen Einstandes ist Jacob Brunn-Larsen ebenfalls ein Spieler mit Potenzial. Michael Reschke hat auch die Verträge mit Benjamin Pavard, Timo Baumgartl und Berkay Özcan verlängert. Und zu seinen Stärken zähle ich, dass er am letzten Tag der Transferperiode nicht in Aktionismus verfällt. Er hat bis zuletzt gekämpft, um einen guten offensiven Mittelfeldspieler zu bekommen. Als das nicht möglich war, haben wir die Finger davon gelassen.“