Gemeinsam stark: Der VfB brauchte lang, um Teamgeist zu entwickeln Foto: dpa

Gegen Freiburg feierte Huub Stevens in der Hinrunde sein Saisondebüt als Trainer des VfB - trotz des 4:1-Erfolgs schwor der Niederländer die weiß-rote Gemeinde auf einen langen Leidensweg ein. Vor dem Rückspiel gegen den Sportclub ist klar: Der Coach hat recht behalten.

Stuttgart - Huub Stevens ist alles andere als ein Frischling in der Fußballbranche, er kennt die Höhen, er kennt die Tiefen des Geschäfts – und er ist Vater und Großvater. Eine Tatsache abseits des Sportlichen, die einen seiner Wesenszüge womöglich besonders ausgebildet hat. Huub Stevens ist geduldig.

In diesen Tagen ist das nicht die schlechteste Eigenschaft. Eigentlich war sie das noch nie, seit der Coach im vergangenen Herbst zum zweiten Mal als Retter beim VfB eingestiegen ist. Damals schien es zunächst zwar, als wirke der Niederländer als Heiler mit Wunderkräften – die Roten gewannen das erste Spiel unter Stevens 4:1 in Freiburg –, doch dann wurde schnell klar: Das Vorankommen des VfB gleicht einer Besteigung des Mount Everest ohne Seil und Sauerstoff. Es geht nur in kleinen Schritten vorwärts. Was den Trainer – leider Gottes – bestätigt.

„Letzte Saison war eine Riesenaufgabe“, hatte Stevens nach seiner Amtsübernahme am 25. November gesagt und gewarnt: „Diese Saison wird es noch schwieriger.“ Also schwor er die weiß-rote Gemeinde auf einen Leidensweg ein.

An diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) trifft der VfB erneut auf den SC Freiburg, was bedeutet: 17 Spiele hat Stevens mit dem VfB mittlerweile absolviert – und weil die Bilanz (vier Siege, fünf Unentschieden, acht Niederlagen) ziemlich durchwachsen ist, stellt sich die Frage: Waren die Fort-Schritte viel zu klein? Und: Fehlt am Ende die Zeit, um den Weg erfolgreich zu Ende zu gehen? Womöglich. Es gibt im Endspurt der Bundesliga-Saison aber auch Anzeichen dafür, dass sich Stevens’ Geduld gerade zum richtigen Zeitpunkt auszahlt. In vielerlei Hinsicht:

Der Teamgeist: Vor den letzten fünf Partien versichert Sportvorstand Robin Dutt: „In der Mannschaft ist ein sehr großer Zusammenhalt.“ Der sich allerdings erst mühsam bilden musste. Nach den ersten Misserfolgen zu Saisonbeginn hatte das VfB-Team wenig von einer funktionierenden Einheit. Der Frust der neuerlichen Talfahrt war Motor für Grüppchenbildung und das Ausleben von Egoismen. „Wir haben wieder lange gebraucht, um zu verstehen, dass wir es nur gemeinsam schaffen“, gab Martin Harnik kürzlich zu. Stevens förderte das Zusammensein unter anderem durch ein gemeinsames Frühstück an Trainingstagen. Am Teamgeist „haben wir hart gearbeitet“, versichert Harnik nun, Stevens wurde nicht müde, das Zusammenwirken anzumahnen. Zuletzt arbeitete das Team tatsächlich Hand in Hand und ließ sich auch von Rückschlägen nicht vollends aus dem Konzept bringen.

Die lang verletzten Spieler: Die Verlockung war groß – schließlich hatte der VfB lange Zeit nichts mehr nötig als einen treffsicheren Stürmer. Und da Daniel Ginczek unter Trainer Armin Veh bereits in der Vorrunde zum Einsatz gekommen war, hätte es zu Beginn der Rückrunde ja sowieso klappen müssen. Doch es kam anders: Die ersten fünf Bundesliga-Spiele im Jahr 2015 war Ginczek nicht am Ball. Stevens’ Begründung: „Er denkt in bestimmten Momenten immer noch an seine Verletzung.“ Der Coach („Ich weiß, was er kann“) aber wollte 100 Prozent Ginczek, nicht weniger. Also geduldete er sich, ließ den Angreifer beim VfB II Spielpraxis sammeln, setzte dann aber voll auf den Hünen – der zunächst nicht traf, dann aber das Vertrauen rechtfertigte. Ähnlich liegt der Fall bei Daniel Didavi. Der Mittelfeldmann gehört zu Stevens’ Lieblingsspielern, dennoch bekommt er alle Zeit für Genesung und Aufbau. Der mögliche Lohn: Didavi-Einsätze in den entscheidenden Partien.

Die Neuzugänge: Filip Kostic ist einer der teuersten Transfers der VfB-Geschichte. Unter Armin Veh durfte sich der Serbe gleich zu Saisonbeginn präsentieren – allerdings immer mit dem Hinweis versehen, dass sich der Flügelflitzer erst an die neue Liga gewöhnen müsse. Von solch halben Sachen hält Huub Stevens nichts. Unter ihm war Kostic lange nur Joker und musste den Coach in Kurzeinsätzen und im Training von seiner Bundesliga-Reife überzeugen. Die hat er nun erreicht – und Timo Werner aus der Startelf verdrängt. Bei Winter-Neuzugang Geoffroy Serey Dié sieht Stevens regelmäßig über die Patzer des Ivorers hinweg, viel wichtiger ist dem Trainer, dass der Mittelfeldmann Aggressivität, Zweikampfstärke und Führungsqualitäten mit einbringt. Im Spiel gegen Werder Bremen ist ihm das in der Schlussphase eindrucksvoll gelungen, gegen den SC Freiburg fehlt Dié gesperrt.

Die Spielweise: Die Klagen waren laut, die Kritik groß – und zahlreiche Fans trieb die Frage um: Wie will der VfB die notwendigen Siege einfahren, wenn er nicht mal aufs Tor schießt? Huub Stevens nahm die Missstimmung um seine Person und die damit verbundene Spielweise wahr, wich zunächst aber nicht davon ab. Das war zwar nur schwer zu ertragen, im Gegensatz zu manch einem Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg ging der VfB mit Ausnahme der Partie in Leverkusen (0:4) in keinem Spiel unter und schonte so sein Torverhältnis. Als der Coach die Defensive für stabil hielt und der Druck des Gewinnenmüssens größer wurde, sattelte er um. Seitdem hat sich auch das Offensivspiel des VfB mit Regisseur Alexandru Maxim entwickelt – und Ginczek erhält als Spitze die notwendige Unterstützung.

Der VfB Stuttgart also ist unter Huub Stevens die notwendigen Schritte gegangen. Das macht Hoffnung für den Schlussspurt. Allerdings gilt auch: Der Faktor Zeit spricht gegen die Roten. Womöglich muss auch der Niederländer am Ende feststellen, dass die Entwicklung viel zu langsam vonstattenging. Für ein Fazit allerdings ist es noch zu früh. „Die Tabelle zählt erst nach 34 Spielen“, sagt Stevens – wohl wissend, dass die Schritte so langsam größer werden sollten.