Kampf, bis sich die Eckfahne biegt: VfB-Kapitän Christian Gentner (links) und der Bochumer Nico Rieble Foto: Baumann

Der VfB Stuttgart ist nicht nur Tabellenführer, sondern wird von den Gegnern auch gern zur Übermannschaft erklärt. Doch das 1:1 gegen Bochum verdeutlicht wieder einmal, dass der Fußball-Zweitligist nur als 100-Prozent-Mannschaft funktioniert.

Stuttgart - Ob es wohl einen Fußballlehrer in der zweiten Liga gibt, der nicht gerne den VfB Stuttgart anleiten würde? Diesen Club, der ja eigentlich gar nicht da hingehört, wo er tatsächlich spielt, und der sich die teuerste und tollste Mannschaft leisten kann. So ungefähr sieht jedenfalls das Bild aus, das die gegnerischen Trainer gerne vom Tabellenführer skizzieren. Ihr Fazit: der VfB Stuttgart werde auf jeden Fall in die Bundesliga aufsteigen.

Gertjan Verbeek vom VfL Bochum ist nur der Letzte in einer Reihe, der beim Blick auf den Spielberichtsborgen leicht aufgestöhnt und erklärt hat: „Der VfB verfügt über enorme Qualität – vorne, aber auch hinten.“ Wer kann es sich schon erlauben, Talente für Millionen zu verpflichten und sie anschließend über Monate zu entwickeln? Und welcher Trainer hat die Möglichkeit, Nationalspieler auf die Tribüne zu setzen und dennoch Daniel Ginczek oder Alexandru Maxim einzuwechseln? Manchmal aber auch Carlos Mané, Takuma Asano oder Josip Brekalo. Alles Offensivleute, die ein Spiel entscheiden können und auch schon entschieden haben.

Vor Verbeek hat das Torsten Lieberknecht von Eintracht Braunschweig identisch analysiert, auch Kenan Kocak vom SV Sandhausen und und und. Was sich die gewieften Trainer aber nur hinter vorgehaltener Hand zuraunen, ist: Der VfB wird trotzdem nicht durchmarschieren. Denn wir werden es dem Favoriten mit unseren Mannschaften unter Aufbietung aller Kräfte schwer machen, ganz schwer.

Der VfB ist nicht der FC Bayern der zweiten Liga

Der Gedanke, dass die Stuttgarter aufgrund ihrer finanziellen Mittel, ihrer individuellen Klasse und ihres Selbstverständnisses Spiele beherrschen, erweist sich deshalb immer wieder als Trugschluss. Der VfB ist nicht der FC Bayern der zweiten Liga, als der er gerne bezeichnet wird. Er gewinnt keine Partien im Urlaubsmodus, weil sich die Gegner chancenlos wähnen und sich der Dominanz des Gegners frühzeitig unterwerfen. Der VfB muss kämpfen. „Bis zum Ende“, wie der Manager Jan Schindelmeiser betont – und am besten vom Anpfiff weg. Denn beim 1:1 gegen aufmüpfige Bochumer hat sich am Freitagabend erneut bestätigt, dass der VfB eine 100-Prozent-Mannschaft ist. Er braucht hundertprozentige Fitness, er braucht hundertprozentige Bereitschaft, schnell zu spielen, und er bräuchte auch mehr Konstanz innerhalb der 90 Minuten, um nicht immer wieder in Schwierigkeiten zu geraten.

Doch gegen die Gäste aus dem Ruhrgebiet mangelte es dem Stuttgarter Spiel zunächst an Klarheit und Kompaktheit. „Wir hatten den Hang zum Schlampigwerden“, sagt der Kapitän Christian Gentner. Den Pässen fehlte die Härte und Präzision, den Spielern die Leichtigkeit, sich von den manndeckenden Gegnern zu lösen, und den Aktionen somit die Geschwindigkeit, um die VfL-Defensive aus den Angeln zu heben. Schlimmer noch: der Trainer stellte in der Defensivarbeit eine gewisse Desorientierung fest. „Wir haben zu viel rückwärts verteidigt“, sagt Hannes Wolf.

In Fürth wird es nicht einfacher

Zurückweichen statt draufgehen, wie es im Fußballjargon heißt – das wirft für die Stuttgarter zwei Probleme auf. Erstens: er braucht für sein Spiel auch hundertprozentigen Mut. Zweitens: zeigt er diesen nicht, fühlt sich der Gegner in seinem Tun bestärkt. Aus dem großen Kampf gegen die da oben wird dann ein noch größeres Highlight-Spiel, das den Unterschied zwischen dem Spitzenreiter und dem Mittel- oder Unterklassenteam schrumpfen lässt. Hier die Stuttgarter, die ein paar Prozentpunkte nachlassen. Dort die Bochumer, die mehr geben als in anderen Begegnungen.

Eine ähnliche Konstellation erwartet Wolf am Samstag in Fürth. „Es wird nicht einfacher“, sagt der Trainer, „aber wir sind davon überzeugt, dass wir Lösungen finden werden.“ Zumal ihm diesmal eine komplette Trainingswoche zur Verfügung steht, um nicht nur darüber zu reden, wie man am wirkungsvollsten auftritt. Er kann es auch üben lassen. Anders als zuletzt im Montag-Freitag-Rhythmus, in dem der VfB von der Sieger- auf die Unentschiedenstraße eingebogen ist. „Wir haben in der Rückrunde aber noch nicht verloren“, betont Wolf.

Fünf Siege plus zwei Unentschieden ergeben immerhin satte 17 Zähler mehr auf dem Konto im Jahr 2017. Mit der Einschränkung allerdings, dass Union Berlin und Hannover 96 dennoch wieder nähergerückt sind. Weshalb Gentner neben der trügerischen Überlegenheit auch vor einer trügerischen Sicherheit warnt: „Es wäre fatal, wenn wenn wir uns auf dem Punktepolster ausruhen würden.“

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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