Vedad Ibisevic jubelt nach seinem Tor zum 2:0 gegen Bochum. Beim Vorstoß ins Pokal-Halbfinale gibt es Wut und Erleichterung: Die Mannschaft lässt viele Wünsche offen, doch der sportliche Erfolg versöhnt. In unserer Fotostrecke können Sie das Spiel nochmals revue passieren lassen. Foto: dpa

Viel Fußball habe er nicht gesehen, lästerte Fredi Bobic nach dem 2:0 im DFB-Pokal gegen Bochum. „Aber wir sind im Halbfinale, das zählt“, sagte der Sportdirektor des VfB Stuttgart. Die Fans sind da anderer Meinung: Für sie heiligt der Erfolg längst nicht alle Mittel.

Stuttgart - 80 Minuten lang hatte der VfB sich und seinen Anhang bis aufs Blut gequält. Mit einfachen Ballverlusten, Fehlpässen und ideenlosem Spiel. Dann kam die 81. Minute, ein nahezu perfekter Vorstoß über sechs, sieben Stationen und das 2:0 durch Vedad Ibisevic – Fußball zum Genießen. Allerdings währte die Freude nur für Sekunden, dann mochte Bruno Labbadia nicht mehr an sich halten. Wutentbrannt kickte der Trainer eine Flaschenkiste durch die Coachingzone. Der Grund: Das Laufverhalten von Martin Harnik hatte ihm missfallen. „Da musste die Anspannung raus. Wir haben zu viele einfache Fehler gemacht“, sagte Labbadia und nahm Harnik vom Platz, was wiederum den Österreicher auf die Palme brachte. Missmutig stapfte Harnik später aus dem Stadion: „Ich sage nichts.“

Solche Szenen verdeutlichen: Beim VfB ist einiges aus dem Lot geraten, nicht nur auf dem Platz. Die eigenen sportlichen Ansprüche decken sich seit Wochen nicht mit der Realität, die Fans verweigern zunehmend die Gefolgschaft – gegen Bochum kamen nur 20.200 Zuschauer. Der harte Kern der Anhänger richtet seinen Unmut gegen die Vereinsführung, namentlich Präsident Gerd Mäuser. Der Fanausschuss fühlt sich von ihm bei diversen Themen übergangen. Mäuser dagegen propagiert unbeirrt den Stuttgarter Weg und wird von den abgewanderten Jugendleitern Frieder Schrof und Thomas Albeck konterkariert: „In den letzten Jahren“, sagen die beiden, „ ist beim VfB das Vertrauen in den Nachwuchs gesunken.“

Zwischen den Fronten stehen Trainer Bruno Labbadia und Sportdirektor Fredi Bobic, sie moderieren die gepflegte Langeweile auf dem Platz. Positive Ausnahmen waren nur der spielfreudige Ibrahima Traoré, der dominante Christian Gentner und Vedad Ibisevic, der seine Torflaute beendet hat. „Wir haben nie die Spielkontrolle erlangt“, monierte Labbadia. „Unser größtes Manko war, dass wir keine Ruhe ins Spiel gebracht haben“, sagte Bobic.

Ein Sieg fehlt noch

Andererseits platzen die sportlichen Strategen schier vor Stolz: Der VfB steht im Halbfinale des DFB-Pokals und im Achtelfinale der Europa League, er hat in der Bundesliga noch Chancen nach oben, und überhaupt ist er neben dem FC Bayern die einzige deutsche Mannschaft, die noch in drei Wettbewerben vertreten ist. „Wenn uns das mit unserem dünnen Kader einer vor der Saison gesagt hätte, hätten wir das sofort unterschrieben“, sagte Bobic. Ihm hat das Auftreten gegen Bochum auch nicht gefallen, „aber wenn man erst einmal in Berlin ist, dann ist es egal, wie man hingekommen ist“.

Berlin, das Finale: Ein Sieg fehlt noch. Wenn dann der FC Bayern der Endspielgegner ist, spielt der VfB sogar wieder international, weil die Münchner sich über die Bundesliga für die Champions League qualifizieren. Dann hätte der VfB eine durchwachsene Saison nicht nur gerettet, sondern gekrönt. Das Problem: Zuerst kommt das Halbfinale. Wenn es nicht hier schon gegen den FCB geht, trifft der VfB auf den SC Freiburg oder den VfL Wolfsburg: In der aktuellen Form müsste man auch gegen diese Kontrahenten um den VfB bangen. Weil neben der Begeisterung auch das letzte Zutrauen in die eigenen Stärken fehlt. „In unserer Verfassung spielt man einen Zweitligisten nicht einfach an die Wand“, sagte Sven Ulreich.

„Die Ergebnisse passen ja inzwischen“, sagte Kapitän Serdar Tasci

Dabei hat der VfB zuletzt fünf Spiele ohne Niederlage überstanden. „Die Ergebnisse passen ja inzwischen“, sagte Kapitän Serdar Tasci, „aber wir schaffen es auch gegen einen Zweitligisten nicht, 90 Minuten stabil zu stehen. Doch wir werden besser spielen, wenn wir noch ein paar Erfolge erzielen.“