Tief enttäuscht: die VfB-Profis Ron-Robert Zieler, Timo Baumgartl und Marcin Kaminski (von links) benötigen nach dem 2:3 in Mainz Aufbauhilfe. Foto: Getty

Der VfB Stuttgart hat beim FSV Mainz 05 seine schlechteste Saisonleistung gezeigt. Nach dem 2:3 erhöht sich nun der Druck auf Trainer Hannes Wolf. Denn es gibt Kritik an der Einstellung, Spielweise und Entwicklung des Fußball-Bundesligisten.

Stuttgart - Nur eine Handvoll Trainingskiebitze hat am Sonntagvormittag den Weg in die Mercedesstraße gefunden. Es schien, als hätten die Fans nach der 2:3-Niederlage des VfB Stuttgart beim FSV Mainz 05 erst einmal genug gesehen von ihren Lieblingen aus der Fußball-Bundesliga. Und einer der unentwegten weiß-roten Anhänger fahndete dann auch noch nach dem Trainer. Wo war Hannes Wolf?

Auf dem Platz. Wie immer in diesen kalten Tagen hatte sich der Trainer einen wärmenden Anorak angezogen und die Mütze tief ins Gesicht gezogen. Offenbar bis zur Unkenntlichkeit für den Fan, der Wolfs Auftritt spät am Abend zuvor im ZDF- „Sportstudio“ verfolgt hatte. Nun war er neugierig gewesen, ob der Chefcoach dort ist, wo er hingehört. Doch Wolf hatte sich gleich nach der TV-Sendung vom Mainzer Lerchenberg zurückfahren lassen. Um am nächsten Morgen seinem Job nachzugehen. Frisch motiviert und voller Tatendrang. Wie immer halt. Nur: Der Wind bläst Wolf immer eisiger ins Gesicht, und die Fragen um in herum werden drängender.

Zu enttäuschend verlief die Begegnung, als dass die Stuttgarter jetzt zur Tagesordnung übergehen könnten. „Wir hatten eine große Chance, uns etwas abzusetzen“, sagte Wolf. Diese Gelegenheit wollte der VfB im Abstiegskampf nutzen. Mit voller Kraft. Doch dann ging das Spiel los und die Gäste erweckten den Eindruck, als hätten sie ihren Siegeswillen zu Hause vergessen. „In Summe waren uns die Mainzer in allen Belangen überlegen“, sagte Michael Reschke. Der Sportchef schob aber noch hinterher: „Wir werden uns in dieser Woche hinsetzen, um uns taktische und spielerische Änderungen zu überlegen.“

Das ließ aufhorchen, da diese Aussage so verstanden werden kann, dass sich der Manager in den Kernbereich des Trainers einmischt, weil er eine klare Abwärtstendenz erkennt. Von den Ergebnissen her gab es in den vergangenen sieben Spielen auch nur einen Stimmungsaufheller: das glückliche 1:0 gegen Hertha BSC zum Rückrundenstart. Alles andere waren Niederlagen. Wolf selbst hinterfragt sich in dieser kritischen Phase. Dennoch will er Reschkes Aussage nicht isoliert betrachten: „Wir befinden uns ständig im Austausch. Das empfinde ich als gesund.“ Und Reschke betonte: „Das ist keine Rapport-Veranstaltung.“ Eine Plauderstunde ebenso wenig. Der Druck erhöht sich. Wolf muss Ergebnisse liefern – und dafür muss er drei Problembereiche bearbeiten.

Die Einstellung

In der Opel-Arena standen alle Zeichen auf Abstiegskampf: das Wetter mies, die Platzverhältnisse schwierig, der Gegner angezählt. Doch der VfB nahm nichts davon an, um als Sieger vom Rasen zu gehen. „Zum ersten Mal in dieser Saison hat uns der Gegner über die Faktoren Intensität und Willen den Schneid abgekauft“, sagte Wolf. Das ist für einen Tabellen-14. bedenklich, und ein Perspektivwechsel zeigt, wie wichtig den nun punktgleichen Mainzern die Einstellung zu dieser Partie gewesen ist. Mehrfach sprach der FSV-Coach Sandro Schwarz davon, wie stolz er sei, dass sein Team alle Widerstände überwunden habe. Dagegen wussten die Stuttgarter die Gunst der Stunde nicht zu nutzen, denn das Glück war zunächst auf ihrer Seite. „Reichlich“, wie Reschke befand. Erst verhinderte der Torhüter Ron-Robert Zieler mehrfach einen Rückstand, dann erzielte offiziell Holger Badstuber die Führung (19.). Anschließend wurde noch ein Treffer des Mainzers Suat Serdar aufgrund des Videobeweises zurückgenommen (42.) – und dennoch reichte es nicht für den ersten Auswärtssieg der Saison, da Zieler patzte und die Gastgeber unmittelbar vor und kurz nach der Pause trafen.

Die Spielweise

Die Kritik an der Spielweise des VfB wird lauter – und sie trifft den Trainer, denn Wolf mischt seine Mannschaft auf defensive Stabilität ab. Das ist grundsätzlich gut, da die Stuttgarter nicht zuletzt aus ihrer Abstiegssaison wissen, was es bedeutet, zu viele Gegentore hinnehmen zu müssen. Allerdings ist es so, dass es die VfB-Elf spürbar Angriffswucht kostet, wenn sie den Fokus auf das Verteidigen legt. Seit aber Mario Gomez wieder das Trikot mit dem Brustring trägt, tariert Wolf sein Team anders aus. In Mainz führten jedoch weder das anfängliche 4-2-3-1 noch das spätere 5-2-2-1 zum Erfolg. „Es ist gleichgültig, in welcher Systematik wir spielen, wenn so viele Duelle verloren gehen“, sagte Wolf und sprach von der „schlechtesten Saisonleistung“. Unabhängig davon, läuft der VfB jedoch nicht Gefahr, in einen Offensivrausch zu verfallen. Vielmehr erzielt er zu wenige Tore, da er auch nur wenige Torchancen erspielt. In Mainz gab es außer den Treffern von Holger Badstuber und Daniel Ginczek lediglich noch eine Kopfballmöglichkeit für Berkay Özcan (11.) und einem Ausrutscher von Emiliano Insua (30.). So ergeht es Gomez bisher nicht anders als seinem Vorgänger Simon Terodde. Der Mittelstürmer bekommt kaum brauchbare Zuspiele. Deshalb hält Reschke weiter Ausschau nach einer Verstärkung.

Die Entwicklung

Der VfB stagniert. Das trifft sowohl auf die Mannschaft zu als auch auf Einzelspieler. Jedenfalls fallen einem nur wenige Stuttgarter ein, die einen Leistungsschub erfahren haben und dieses neue Niveau dauerhaft zeigen. Benjamin Pavard ist so einer. In Mainz war der Franzose jedoch ebenso schlecht wie sein Abwehrkollege Timo Baumgartl. Das kann passieren, obwohl Baumgartl insgesamt besser und stabiler geworden ist. Ein Effekt, der gern auch der Qualität seines Nebenmanns zugeschrieben wird: Holger Badstuber. Der Innenverteidiger bildet mit Ron-Robert Zieler, Christian Gentner und Mario Gomez eine Führungsachse. Dazu kommen gestandene Profis wie Emiliano Insua, Dennis Aogo, Daniel Ginczek und Andreas Beck. Es kann also keiner mehr behaupten, der VfB sei unerfahren. Wenngleich noch genügend Talente zum Team gehören. Doch es sieht so aus, als müsse sich diese neue Mischung erst noch zurechtrütteln. Trainerarbeit ist das. Denn für einen nicht anfälligen Routiniersfußball ist die Mannschaft nicht ausgebufft genug – und für einen jugendlichen Eroberungsstil ist sie nicht forsch genug.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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