Mahnende Worte: VfB-Kapitän Christian Gentner (Zweiter von links) sieht viel Redebedarf. Foto: dpa

In den vergangenen neun Spielen hat der VfB nur einmal gewonnen. Abstiegsplätze rücken immer näher – die Stuttgarter müssen den Trend stoppen. Doch das ist nicht einfach.

Stuttgart - Es gab scheinbar gute Gründe für die Niederlage und daher auch keinen Grund, sich ernsthafte Sorgen zu machen. Jede Menge bester Chancen hatte der VfB Ende Februar beim 1:2 gegen Hannover 96 vergeben, viel Pech kam zusammen, weil der Gegner nur zweimal gefährlich vor dem Stuttgarter Tor aufgetaucht war. Kein Drama also für den VfB, auch wenn Hannover schon damals als abgeschlagenes Schlusslicht ganz am Ende der Tabelle lag; kann schon mal passieren, wenn man davor acht lang Spiele lang nicht verloren hat.

Inzwischen weiß man, dass die Heimpleite vor knapp zwei Monaten mehr war als nur ein kleiner Dämpfer. Sie beendete nicht nur die Erfolgsserie unter Trainer Jürgen Kramny – sie bildete vor allem den Auftakt eines Negativlaufs. der zuletzt immer rasanter geworden ist. Nur eines der anschließenden sieben Spiele hat der VfB gewonnen (5:1 gegen Hoffenheim) und ansonsten den Platz viermal als Verlierer verlassen.

Die Angst ist mit voller Wucht zurückgekehrt

Die Folge: von Tabellenplatz elf sind die Stuttgarter auf Rang 15 durchgereicht worden. Von einst acht Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz sind nur noch zwei übrig geblieben. Und die Angst vor dem Abstieg, die sich vor Wochen bereits verflüchtigt zu haben schien, ist vor den letzten vier Spielen mit voller Wucht zurückgekehrt.

„Reine Kopfsache“ sei es, den Trend zu stoppen, sagt der Mentaltrainer Mirko Irion, ein Experte beim Thema Abstiegskampf. Die Trendwende hat der VfB im vergangenen Jahr in letzter Sekunde geschafft, nachdem der Abstieg bereits besiegelt schien und nichts weiter blieb als ein Fünkchen Hoffnung. Diesmal allerdings könnte die Rettung noch komplizierter werden – denn jetzt kommt der VfB von oben, und „jetzt gibt es etwas zu verlieren“, wie Irion meint.

Die schwierige Korrektur von Saisonzielen

Es ist kein neues Phänomen, dass am Ende die Clubs besonders zittern müssen, die sich bereits in Sicherheit gewähnt und ganz andere Ziele als nur den Klassenverbleib formuliert haben. Ihnen fällt es naturgemäß schwerer, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren, als jenen Teams, die dauerhaft mit einem Bein in der zweiten Liga standen. Der Blick in die jüngere Bundesligageschichte zeigt, dass der endgültige Absturz in solchen Fällen nicht immer aufzuhalten war.

Saison 2010/2011: Den teuersten Kader aller Zeiten schickt Eintracht Frankfurt ins Rennen und gibt vollmundig 50 Punkte als Saisonziel aus. Die Mannschaft hält Wort – zur Winterpause stehen bereits 26 Zähler auf dem Konto. Die Träume vom Europapokaleinzug blühen. Nach Weihnachten aber folgt ein beispielloser Absturz. Eine Niederlage reiht sich an die nächste, fast 800 Minuten lang fällt kein ohne Tor – und es gibt keinen, der den freien Fall stoppen könnte. Nicht Michael Skibbe, der entlassen wird, und schon gar nicht Christoph Daum, der als Retter engagiert wird.Es reicht nur zu drei Punkten aus sieben Spielen – die Frankfurter steigen ab.

Saison 2006/2007: Dass es allein gegen den Abstieg geht, das ist Alemannia Aachen vom ersten Spieltag an klar – doch schon Mitte März scheint der Kampf gewonnen. Ein Sieg gegen den FSV Mainz 05, ein Auswärtserfolg in Cottbus, ein 2:0 gegen Bielefeld: nach drei Siegen in Serie ist der Aufsteiger vor dem 27. Spieltag mit bereits 33 Punkten Neunter. Was soll da noch passieren, so fragen sich Fans und Spieler – und merken schnell, dass sie sich zu früh gefreut haben. Trainer Michael Frontzeck suspendiert in Jan Schlaudraff seinen talentiertesten Spieler, weil der „nicht bei der Sache“ ist. Doch kommen auch die anderen nicht mehr in Schwung. In den letzten acht Spielen kommt nur noch ein Punkt dazu – zu wenig, um in der Bundesliga zu bleiben.

Saison 1998/1999: Zwischen trügerischer Sicherheit und totalem Entsetzen liegen in Nürnberg nur 90 Minuten plus Nachspielzeit. Die Abstiegsgefahr scheint vor der letzten Partie nur theoretischer Natur – schließlich ist der Club Tabellenzwölfter. Doch kommt in diesem Saisonfinale, dem dramatischsten aller Zeiten, alles zusammen, was nicht zusammenkommen darf. Nürnberg verliert gegen Freiburg, der VfB schlägt Bremen, Rostock gewinnt in Bochum, Frankfurt schießt beim 5:1 gegen Lautern auch noch die nötigen Tore. Und in Franken fließen die Tränen.