Die Neugestalter beim VfB Stuttgart: Thomas Hitzlsperger (li.), Sven Mislintat Foto: Baumann

Dem geplanten Neuaufbau beim VfB Stuttgart stehen eine ungewisse Zukunft und zahlreiche bestehende Verträge entgegen. Warum Sportvorstand Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat nicht zu beneiden sind.

Stuttgart - Die Botschaft war unmissverständlich. „Alle könnt Ihr geh’n, alle könnt Ihr gehen!“, tönte es aus dem VfB-Fanblock. Die Mannschaft hatte beim 0:6 in Augsburg den Offenbarungseid geleistet, als die Anhänger den Stab über jenem Ensemble brachen, das den Namen Mannschaft ihrer Meinung nach gar nicht verdient hat.

Ein Umbruch, das steht auch nach der 1:3-Niederlage von Berlin außer Frage, muss her. Die Frage ist nur: Wie radikal wird dieser ausfallen? Die Botschaft der Fans vermittelt zwar eine plakative Enttäuschungs- und Erwartungshaltung, hat aber mit der Realität nicht viel gemein. Ein Umbruch light ist wahrscheinlicher als die Radikalversion, was im Wesentlichen mit den vorherrschenden Sachzwängen zu tun hat. Ein Überblick:

Mateo Klimowicz im Visier

Vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr) ist die Faktenlage übersichtlich. Benjamin Pavard (für 35 Millionen zu Bayern München) steht als einziger Abgang fest, die Verträge von Christian Gentner, Dennis Aogo, Andreas Beck und Ersatztorhüter Alexander Meyer laufen aus. Für alle anderen gilt: Nichts Genaues weiß man nicht. Thomas Hitzlsperger schaut im Moment jedenfalls genau hin: „Welcher Spieler ist bereit, alles für den Verein zu geben? Und welcher Spieler hilft uns nicht?“, beschrieb der Sportvorstand im SWR die schwierige Kaderplanung. Über der groß die Frage steht: Erste oder zweite Liga?

Anders als im Vorjahr, als der Klassenverbleib bereits im März so gut wie feststand und der VfB seine Personalplanungen früh vorantreiben konnte, agieren Hitzlsperger und sein Kompagnon Sven Mislintat aktuell im luftleeren Raum. So steht auch noch kein Neuzugang für die kommende Saison fest. Auch wenn argentinische Medien vermeldeten, der VfB sei sich mit Mateo Klimowicz (18) – dem Sohn des früheren Bundesligastürmers Diego Klimowicz – bereits einig. 1,5 Millionen soll dem VfB das Talent aus Südamerika wert sein.

Doch vor der Kaderneuplanung steht die Bestandsaufnahme. Sämtliche Spielerverträge haben auch in der zweiten Liga ihre Gültigkeit. So oder so wird ein Großteil des aktuellen Kaders auf dem kommenden Transfermarkt nicht zur heißen Ware gehören. Das gilt für Problemfälle wie Pablo Maffeo genauso wie für all jene, die ihren Ansprüchen hinterherhinken. Holger Badstuber, Chadrac Akolo oder Emiliano Insua etwa. Hinter Spielern wie Anastasios Donis, Nicolas Gonzalez, Erik Thommy, Mario Gomez und Gonzalo Castro steht zumindest ein Fragezeichen. Für sie alle gilt: Sie haben noch mindestens bis 2020 Vertrag.

Alles deutet auf Tim Walter als neuen Trainer hin

Was das Quartett ohne längerfristigen Kontrakt angeht, deutet sich zumindest bei Gentner und Aogo eine Trennung an. „Christian hat unheimlich viel für den Verein geleistet“, sagt Hitzlsperger. „Aber auch er muss sich in den kommenden Wochen beweisen.“ Klar sei, dass man den 33-Jährigen langfristig an den VfB binden will. Ob der Kapitän aber in der nächsten Saison weiter im Trikot mit dem Brustring auflaufen wird, gilt Stand jetzt als eher unwahrscheinlich. Anders die Situation bei Andreas Beck. Bei dem hochgeschätzten Profi stehen die Zeichen auf Weiterbeschäftigung.

Gerne länger an den VfB binden würde der Stuttgarter Sportchef auch die Hoffenheim-Leihgabe Steven Zuber. Bei dem Schweizer ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Alexander Essweins Kaufoption mit Hertha BSC wird im Falle des Klassenverbleibs zur Kaufverpflichtung. „Wenn wir die Klasse halten, können wir unsere besten Spieler halten“, sagt Hitzlsperger und denkt dabei vor allem an Ozan Kabak (15-Millionen-Ausstiegsklausel im Abstiegsfall), Marc Oliver Kempf und Timo Baumgartl. Sie alle sind wiederum woanders begehrt.

Wie passt Walters Philosophie zum VfB?

In all die Personaldiskussionen eingebunden werden soll natürlich auch der neue Trainer. Die Zeichen verdichten sich, dass er Tim Walter heißen und unabhängig von der Ligazugehörigkeit in Stuttgart anheuern wird. Der 43-jährige Coach von Holstein Kiel hat seine Philosophie einmal wie folgt beschrieben: „Ich will immer die Kontrolle über das Spiel haben. Und Kontrolle habe ich, wenn der Ball bei mir ist. Mit kurzen Pässen minimiere ich Risiko.“ Ballbesitzfußball a la Walter, bei dem schon die Innenverteidiger ein Kombinationsspiel aufziehen, wäre die Radikalumkehr zum zuletzt praktizierten und nur leidlich funktionierenden Konterfußball. „Ich will einen Trainer, der sich damit beschäftigt, wie wir Chancen herausspielen und wieder attraktiven Fußball spielen“, formuliert Hitzlsperger das passende Anforderungsprofil. Mit Mut und Leidenschaft als hervorstechenden Merkmalen.

Zwei Transferperioden an Zeit, so lautet eine Faustregel, benötigt ein Trainer, um eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen zu formen. Beim VfB könnte dieser Prozess etwas länger dauern.

Sehen Sie in unserer Bildergalerie: Die Vertragslaufzeiten der VfB-Profis.