Schwer getroffen: Marc Oliver Kempf muss operiert werden. Foto: Baumann

Kieferbruch und bis zu acht Wochen Pause: Marc Oliver Kempf hat es beim 1:1 in St. Pauli knüppelhart erwischt. Für den VfB Stuttgart kommt die Verletzung des Kapitäns zur Unzeit – doch haben die Verantwortlichen schon eine Idee, wie sie den Ausfall kompensieren können.

Stuttgart - In der Fachklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Katharinenhospitals Stuttgart wird an diesem Montag wieder ein Patient des VfB Stuttgart auf dem Operationstisch liegen. Vor gut zwei Jahren ist es Christian Gentner gewesen, dessen Brüche im Gesicht erfolgreich von Chefarzt Dieter Weingart repariert wurden. Jetzt nimmt sich der Professor mit doppeltem Doktortitel den nächsten VfB-Kapitän vor: Marc Oliver Kempf, der schwer gezeichnet vom 1:1 beim FC St. Pauli zurückgekehrt ist.

Verhängnisvoller Zusammenprall mit Ryo Miyaichi

Schon kurz nach Beginn des Spiels war der Abwehrspieler mit dem Japaner Ryo Miyaichi zusammengeprallt und musste mit Gesichtsverletzungen vom Feld geführt werden. „Leider haben sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt“, berichtet Sportdirektor Sven Mislintat am Sonntagmorgen und vermeldet die genaue Diagnose: zwei Brüche am Kiefer, darunter ein Trümmerbruch, dazu ein herausgerissener Zahn. Es sei keine Absicht gewesen, beteuert Miyaichi via Twitter und wendet sich direkt an den Pechvogel: „Ich hoffe, Du wirst bald wieder gesund.“ Doch wird das eine Weile dauern. Beim VfB rechnen sie mit einer Ausfallzeit von sechs bis acht Wochen.

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Für schwere Verletzungen gibt es nie einen geeigneten Zeitpunkt – ungeeigneter als jetzt könnte er aber kaum sein. Einerseits stehen in den kommenden zwei Monaten neben dem „Bonusspiel“ (Mislintat) im DFB-Pokalachtelfinale am Mittwoch bei Bayer Leverkusen acht Ligapartien auf dem Programm – eine (vor-)entscheidende Phase also im Kampf um die Rückkehr in die Bundesliga. Andererseits ist Kempf nach Holger Badstuber und Marcin Kaminski bereits der dritte Innenverteidiger, der langfristig ausfällt.

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Und schließlich endete keine 20 Stunden vor Kempfs verhängnisvollem Zweikampf die Transferfrist und damit auch die letzte Möglichkeit, den Kader noch einmal aufzubessern. Anders als in der Sommer-Transferperiode untersagen es die Regularien im Winter, im Notfall nach Ablauf der Frist vereinslose Spieler wie Serdar Tasci zu verpflichten. Vorige Woche hatte Mislintat noch laut über einen möglichen Neuzugang für die Abwehr nachgedacht, die Idee aber nach dem überzeugenden Auftritt gegen den 1. FC Heidenheim (3:0) verworfen. Jetzt muss das Problem intern gelöst werden.

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Die Hoffnung stützt sich vor allem auf einer baldigen Rückkehr von Holger Badstuber, der sich zu Jahresbeginn einen Muskelfaserriss in den Adduktoren zugezogen hat, und/oder Marcin Kaminski, der noch an den Folgen eines Kreuzbandrisses laboriert. „Mindestens einer von ihnen“, sagt Mislintat, soll im Spiel beim VfL Bochum (17. Februar) zur Verfügung stehen. Was bedeuten würde, dass der ganz akute Notstand nur für das Pokalspiel in Leverkusen und die nächste Zweitligapartie am Samstag gegen Erzgebirge Aue gilt. In diesen beiden Spielen, so der Sportdirektor, „müssen wir uns über Wasser halten – entweder mit unseren Talenten oder Spielern, die normalerweise auf anderen Positionen zum Einsatz kommen“.

Atakan Karazor wurde zum Libero umfunktioniert

Zur zweiten Kategorie zählt Mittelfeldspieler Atakan Karazor, der sich (mit wechselndem Erfolg) gegen den 1. FC Heidenheim und in St. Pauli fachfremd als Libero betätigte. Zur Garde der Talente aus der zweiten Reihe gehört vor allem Maxime Awoudja (22), auf den der mittlerweile entlassene Trainer Tim Walter große Stücke gehalten hatte. Doch steckten ihm lange die beiden missratenen Einsätze in der Vorrunde in den Kleidern.

Auch wegen dieser Erfahrung ist der auf den letzten Drücker verpflichtete englische Nachwuchsmann Clinton Mola (18) trotz aller Probleme vorerst keine Option. „Wir können die Jungs nicht unvorbereitet ins Spiel werfen“, sagt Mislintat: „Wir sollten ihnen Zeit geben, erst einmal in Ruhe anzukommen und zu verstehen, wie wir als Mannschaft spielen wollen.“