Beim VfB Stuttgart sehnen sie den Umschwung herbei. Doch vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen an diesem Samstag stockt die Suche nach einem echten Hoffnungsschimmer.
Stuttgart - Mitunter ist es ja eine Kunst, sich auch im Ernst der Lage den Humor zu bewahren. Gerade in einer Branche wie der Fußball-Bundesliga. Alles nur ein Spiel? Von wegen. Wer hier in der Verantwortung und unter öffentlicher Beobachtung steht, verliert gern mal die Lockerheit. Armin Veh jedoch ist diesbezüglich ein Künstler.
Vermutlich ist es seine Erfahrung, wahrscheinlich auch eine gewisse Unabhängigkeit – jedenfalls nagt der mäßige Saisonstart des VfB zwar am Stuttgarter Meistertrainer, seinen Humor hat der Augsburger aber noch lange nicht verloren. „Wär’ ja schlimm“, erklärt er seinen Wesenszug, den er demonstriert, wann immer sich eine Chance bietet.
Kurz vor dem Heimspiel an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Bayer Leverkusen zum Beispiel: Da klagt Mittelfeldspieler Moritz Leitner über Oberschenkelprobleme beim Torschuss. Und was meint Veh dazu? „Ist nicht so schlimm, der schießt eh nicht so oft.“ Um sich dann noch über den sich stets stauenden Stuttgarter Straßenverkehr zu mokieren: „Wozu haben die hier Blitzer aufgestellt? Man kann ja gar nicht schnell fahren.“ Dabei fährt Armin Veh doch so gern schnell. Zumindest im übertragenen Sinne.
Offensivfußball hat er sich vorgestellt für seine zweite Amtszeit beim VfB Stuttgart. Leidenschaftliche Auftritte, Begeisterung in der Arena, eine attraktive Mannschaft, zufriedene Fans und eine Saison frei von Turbulenzen und Sorgen bezüglich eines drohenden Abstiegs. Nun steht der achte Spieltag an – und von all dem gibt es bisher genau genommen: gar nichts.
Fünf Punkte hat der VfB in der Bundesliga gesammelt, das Pokal-Aus kam in Runde eins, der Sportvorstand ist freigestellt, die Zustimmung der Mitglieder zur geplanten Ausgliederung mehr denn je in Gefahr, die Zuschauerzahlen gehen zurück – und noch schlimmer als all das: Die Zeichen der Hoffnung auf baldige Besserung sind so zahlreich wie Pfützen im Saharasand. Die bislang letzte aufsehenerregende Nachricht aus dem weiß-roten Haus: Daniel Didavi hat sich verletzt, der Mittelfeldmann mit dem gewissen Etwas fällt sechs Wochen lang aus. Was bedeutet: Der Tanz auf der Rasierklinge bleibt bis auf weiteres Dauerzustand beim Traditionsclub vom Cannstatter Wasen.
Der Kader, daran hat Armin Veh schon vor der Entlassung Fredi Bobics keinen Zweifel gelassen, entspricht nicht wirklich seinen Qualitätsstandards. Nach weiteren Tagen des Zusammenseins ist klar: Der Aufbruch zu neuen Ufern ist mit dieser Truppe kaum machbar – nicht ohne Grund redete der sonst durchaus selbstbewusste Coach früh vom Kampf gegen den Abstieg.
Es gibt ein paar Talente (Rüdiger, Werner, Kostic) – aber kaum einen, der sie führen kann. Es gibt eine Hierarchie – aber diejenigen, die an deren Spitze stehen, spielen (außer Kapitän Gentner) sportlich kaum mehr eine Rolle. Es gibt Spieler, die einst als hoffnungsvolle Neuzugänge nach Stuttgart kamen, für die der aktuelle Trainer aber keine Verwendung mehr hat. Es gibt Akteure, die schon eine gewisse Klasse nachgewiesen haben, von denen Veh aber deutlich mehr erwartet. Dazu kommt das Verletzungspech ausgerechnet bei Schlüsselspieler Didavi – und die Erkenntnis: Es passt alles nicht so recht zusammen, weshalb der sportliche Weg nach oben mehr als nur steinig ist – derzeit wirkt er eher unbegehbar. Was also tun?
Armin Veh reagiert auf den Mangel mit einem verfrühten Umbruch – wohl wissend, dass er ein riskantes Spiel treibt, weil er den Jungspunden keine stützenden Pfeiler an die Seite stellen kann. Dazu kommt eine vorübergehende Abkehr vom Erlebnisfußball. „Ich habe am Anfang der Saison gesagt, wir wollen den Zuschauern was bieten“, erklärt Veh deutlich desillusioniert, „wenn es aber besser ist, man macht es nicht, dann wäre es dumm, seinen Kopf durchzusetzen.“ Also gibt er nach – für den Moment.
Auf lange Sicht aber pocht der 53-jährige Meistercoach von 2007 auf Verstärkungen, weil er weiß: Nur der sportliche Erfolg sorgt letztlich für einen Stimmungswandel im Club. Das musste auch Bernd Wahler in seiner bisherigen Amtszeit bitter erfahren.
Der Präsident packt an, keine Frage. Heimspielkarten kann man nun auch daheim ausdrucken, die Ticketbörse Viagogo ist beim VfB wie von den Fans gewünscht aus dem Rennen, rund um die Arena kann wieder ohne Fankarte bezahlt werden, Sponsoren haben sich zum VfB bekannt, und die Imagekampagne („Furchtlos und treu“) ist zumindest gut gemeint. In sportlich ordentlichen Zeiten stünde zumindest eine Zwei-bis-drei in Wahlers Zwischenzeugnis. So aber gilt er vielen als Präsident, der den Niedergang verwaltet, statt ihn aufzuhalten.
Mit der Entlassung von Bobic hat der Remstäler ein erstes Zeichen der Stärke gesendet – wenn auch mit tatkräftiger Unterstützung des Aufsichtsrats. Das gemeinsame Projekt, die Ausgliederung der Profiabteilung, soll schließlich im Frühjahr 2015 gelingen. Eine überzeugende Antwort auf die Frage, wer denn nun Fredi Bobics Nachfolger wird, ist dafür zwingend erforderlich.
Nur wenig deutet darauf hin, dass Jochen Schneider von der Übergangs- zur Dauerlösung wird. Zusammen mit Armin Veh plant er nun aber die kommende Transferperiode, wird versuchen, Bankdrücker wie Konstantin Rausch zu verkaufen und Qualität zu günstigen Konditionen zu bekommen. „Wir arbeiten daran“, sagt er zu entsprechenden Planungen, „aber bis dahin sind es noch etliche Wochen.“
Eine Zeit, so viel steht fest, die nicht als die vergnüglichste der Vereinsgeschichte in die VfB-Historie eingehen wird. Der Existenzkampf in der Bundesliga lässt eben nicht viel Raum für Spaß und Spielfreude. Nur gut, wenn man sich seinen Humor dennoch bewahrt.