Der Herr der Zahlen: 35 Jahre lang diente Ulrich Ruf dem VfB in verschiedenen Funktionen – jetzt genießt er den Ruhestand. Mehr Bilder aus seiner Karriere in unserer Bildergalerie. Foto: dpa

Er durfte große Triumphe mitfeiern, aber er hat auch viele Prügel bezogen. Jetzt verlässt Finanzchef Ulrich Ruf (59) den VfB Stuttgart. Wehmut schwingt mit, aber auch ein Stück Erleichterung.

Stuttgart - Es charakterisiert Ulrich Ruf als Menschen und in seiner langjährigen Funktion als VfB-Finanzvorstand aufs Trefflichste, wenn er von seinen letzten Stunden im Amt erzählt. Die erlebte er vergangenen Donnerstag, und nachdem er seinen Schreibtisch geräumt hatte und ins Auto gestiegen war, warf er einen Blick auf die Uhr. „Um 21.58 Uhr bin ich vom Hof gefahren – wie an vielen Tagen“, sagt er.

Da kommt der gelernte Bankkaufmann durch, dem Werte wie Pünktlichkeit und Exaktheit über alles gehen. Ebenso, wenn er auf seine Amtszeit zurückblickt. 35 Jahre! Ruf jedoch spricht nicht von 35 Jahren, er sagt: „35 Jahre und 15 Tage.“ So penibel hat er auch stets dem VfB gedient, was nicht zum Nachteil des Vereins war, auch wenn das einige Außenstehende anders beurteilen mögen.

Doch Ruf kann auch anders. Bevor er an jenem Donnerstag die Tür ins Schloss zog, kamen seine engsten Wegbegleiter in sein Büro, um sich zu verabschieden: Stefan Heim, sein Nachfolger; Markus Schmidt, der Direktor Rechnungswesen und Controlling; und natürlich Loni Braun, seine Sekretärin über all die Jahre. Ulrich Ruf schildert die Szene, mitten im Satz muss er gerührt abbrechen, sich sammeln: „Das hat mich schon gerührt“, sagt er und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Der Herr der Zahlen, der Kopfmensch

Ulrich Ruf, der Herr der Zahlen. Der Kopfmensch. Einer, dem „Seriosität und Berechenbarkeit“ über alles gingen. Andererseits ist er ein Typ voller Emotionen. „Der VfB“, sagt er, „wird immer mein Verein bleiben.“ Auch jetzt, da er sich aus gesundheitlichen Gründen dem Tagesgeschäft entzieht.

Seit längerem spürt Ulrich Ruf, wie ihm die Belastungen immer mehr nahegehen. Der jährliche Kampf gegen den Abstieg, der Spagat zwischen sportlichen Ansprüchen und wirtschaftlichen Zwängen, das immer komplexere Geschäft: „Ich habe mich ein Stückchen vom Verein fressen lassen. Daran kaue ich seit geraumer Zeit. Deshalb musste ich Druck und Verantwortung wegnehmen.“

Wie das dann kommuniziert wurde, als verklausulierte Abschiebung durch den Verein, hat ihn gefuchst. Andererseits war das Grummeln über seine Amtsführung in Vorstand und Aufsichtsrat zuletzt unüberhörbar. Ruf, der bis heute auf die Segnungen eines Computers verzichtet, habe sich nicht weiterentwickelt und dulde keine starken Mitstreiter an seiner Seite, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Den Fans galt er ohnehin als Sparkommissar – als einer, der den Tresor nur öffnet, um Geld reinzulegen, und nicht, um es in Verstärkungen zu investieren.

„Ich habe nie allein entschieden, sondern die Vereinspolitik umgesetzt“, sagt Ruf und erzählt die Geschichte von der gescheiterten Vertragsverlängerung mit Julian Schieber. Der VfB war sich mit dem Stürmer längst einig, da kam im letzten Moment Borussia Dortmund um die Ecke. Schieber knickte ein, „und ich musste mir vorwerfen lassen, ich hätte ihn des schnöden Mammons wegen verkauft“.

Gerechtigkeit ist immer auch eine Frage des Standpunkts. Ulrich Ruf hat beim VfB Höhen und Tiefen erlebt. Als er 1980 begann, war die Geschäftsstelle in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Bad Cannstatt untergebracht. Damals machte der VfB 8,5 Millionen Mark Umsatz, heute sind es über 100 Millionen Euro.

In seine Zeit fielen die Meistertitel 1984, 1992 und 2007, der Pokalsieg 1997, die Europapokal-Endspiele 1989 und 1998 sowie glanzvolle Champions-League-Nächte, aber auch die Kirch-Krise, der Stadionumbau, die rasante Kapitalisierung des Fußballs und die daraus resultierenden Probleme für Traditionsclubs wie den VfB. „Ich habe mich nie davongeschlichen.“

Jetzt geht Ulrich Ruf, der Kreis schließt sich. Am Tag seines Vorstellungsgesprächs anno 1980 spielte der VfB im DFB-Pokal gegen Eintracht Frankfurt. Zur Pause stand es 0:2, am Ende 3:2. „Jetzt war mein letztes Spiel im Amt gegen Bremen“, sagt Ruf, „wieder 3:2 – und ähnlich dramatisch.“