Das mit dem „niemals“ stimmt so leider nicht mehr. Wie wäre es mit dem Aufdruck „nie mehr“? Foto: Baumann

Es gibt kein Abstiegsgespenst. Aber ansonsten ist das Aufstiegsrennen mit dem VfB Stuttgart genauso nervenaufreibend wie der jahrelange Überlebenskampf in der Bundesliga.

Stuttgart - Sechs Spieltage vor Schluss brach in der Vergangenheit beim VfB Stuttgart meist die Zeit für Aktionismus an. Immer dann, wenn das Ende nah war, ergriff Fans und Verantwortliche Panik. Irgendwas musste angesichts des sich ständig wiederholenden Nahtoderlebnisses ja unternommen werden, wenn die Kicker mit dem Brustring schon das Tor nicht trafen. Also wurden Schals entworfen („Niemals 2. Liga“), Hashtags kreiert (#mirschaffendas) und Videos produziert („Im Brustring vereint“). Den Klassiker unter den sportlichen Psychotricks nicht zu vergessen: „Dein Bart für Stuttgart“. Fans der Roten verzichteten so lange auf die Rasur, bis der Klassenverbleib geschafft war.

Dreimal ging die Sache gut, bis im vergangenen Jahr alles Mobilisieren nichts mehr half. Zusammenhalt schießt eben keine Tore. Der VfB war abgestiegen.

Doch nach dem Untergang soll die Auferstehung folgen. Die Zeit ist reif. Für den alles entscheidenden Schlussspurt, den heißen Mai, in dem es für die Mannschaften der ersten und zweiten Liga um alles geht: Auf oder Ab. Held oder Depp. Nächstes Jahr Bayern oder Sandhausen.

Zuletzt reichten im Schnitt 65 Punkte

Anders als in den vergangenen Jahren veranlasst der Aufstiegskampf die Fans und Verantwortlichen (bislang) aber zu keinen Mitmachaktionen. Was den Schluss nahelegt, dass die weiß-rote Gemeinde vor dem Spiel bei Arminia Bielefeld am Ostermontag (20.15 Uhr/Sport 1) noch einigermaßen in sich ruht. Und damit rechnet, dass sich das mit dem Aufstieg schon von alleine fügen wird. Irgendwie.

Dabei ist es doch mindestens genauso schwer, wieder hochzukommen, wie drinzubleiben. Oder, Christian Gentner? „Im Prinzip ist es dasselbe“, sagt der VfB-Kapitän. „Der Druck ist ähnlich groß. In der vergangenen Saison ging es darum, dass wir im Jahr darauf in der Bundesliga spielen können. Und jetzt geht es genauso darum.“

65 Punkte reichten in der Vergangenheit durchschnittlich zum direkten Aufstieg. Das wären elf mehr, als der VfB als Spitzenreiter im Moment auf seinem Konto hat. Drei, besser vier Siege aus den restlichen sechs Spielen sollten es also nach Möglichkeit sein. Die Teilnahme an der Relegation empfände jeder beim VfB als Zumutung. Platz vier am Ende wäre nichts weniger als eine sportliche Katastrophe.

Was sagt Peter Neururer?

Weshalb eines klar wird: Der Druck ist kein bisschen geringer als in den Vorjahren. Der Motivationsexperte Stefan Reutter vergleicht: „Eigentlich ist der Aufstiegskampf leichter. Man hat eine Vision vor Augen, die vor allem jüngere Spieler, die noch nie Bundesliga gespielt haben, beflügeln kann.“ Andersherum ist der Kampf gegen den Abstieg destruktiv. Das Abstiegsgespenst. Die ständigen Niederlagen. Die negative mediale Begleitung, aber auch die Angst vor den finanziellen Folgen und manchmal auch vor den eigenen Fans können die Beine lähmen, je näher das Ende rückt. Im Falle des großen Aufstiegsfavoriten käme ein Nichtaufstieg von der Wahrnehmung her aber dem Abstieg vor einem Jahr gleich, meint Reutter, der den Akteuren eines empfiehlt: „entspannt konzentriert“ bleiben. Der VfB kann unterm Strich nicht mehr gewinnen, als er zuletzt zu verlieren hatte. Insofern verhält es sich in Stuttgart, aber auch in Hannover anders als bei den Außenseitern aus Braunschweig und Berlin. Wobei es sich grundsätzlich verbietet, beim VfB von Druck zu reden. So sieht es zumindest Zweitliga-Kenner Peter Neururer: „Die sind ihren Gegnern eigentlich so überlegen“, meint der auf- und abstiegserprobte Trainer. „Wer beim VfB für die zweite Liga unterschrieben hat, darf mir nichts von Druck erzählen. Der weiß, dass es nichts anderes als eine Verpflichtung ist aufzusteigen.“

Druck vom ersten Spieltag an

„Wir wissen das seit dem ersten Spieltag und haben gelernt, damit umzugehen“, sagt Torjäger Simon Terodde. Trainer Hannes Wolf ergänzt: „Der Unterschied ist, dass der Traum vom Aufstieg jetzt näher rückt. Das sollte uns nur noch mehr anspornen.“ Zwei Einschätzungen, die einen feinen Unterschied aufzeigen: Diese Saison gingen die Profis vom Wasen von Anbeginn mit einem klaren Auftrag ins Rennen – während die Zielsetzung in den letzten Jahren ständig verschoben wurde. So war der ganze Verein im Frühjahr 2016 des ständigen Abstiegskampfs überdrüssig – folgerichtig verlor er ihn auch. Aller Gemeinschaftsaktionen der Fans zum Trotz.

Die nun hoffen, dass in den kommenden fünf Wochen keine mehr nötig werden. Und dass es die Spieler von alleine richten.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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