Die Hüter des guten Geistes von Cannstatt: Ron-Robert Zieler, Mario Gomez, Christian Gentner und Holger Badstuber (v.li.). Foto: Baumann, Getty (3) Illustration: Ruckaberle

Der VfB Stuttgart hat sich gewandelt. Taktische Disziplin und großer Wille sind die Stärken des Fußball-Bundesligisten. Darauf soll auch das Spiel in der neuen Saison fußen – aber nicht nur.

Stuttgart - Jeder Moment zählt. Das ist Tayfun Korkuts Fußballcredo. Nicht einen Augenblick der Unaufmerksamkeit sollen sich seine Spieler leisten, nicht eine Sekunde des Nachlassens. Schon jetzt während der Vorbereitungsphase auf die neue Saison, aber vor allem wenn es am 18. August mit dem DFB-Pokalspiel beim Drittligisten Hansa Rostock wieder ernst wird für den VfB Stuttgart.

Das ist ein hoher Anspruch des Cheftrainers, für Korkut aber nicht verhandelbar. Noch ehe er über neue Systeme oder eine attraktivere Spielweise diskutiert, will er die Mannschaft wieder an den Punkt bringen, an dem er sie schon hatte. „Wir müssen uns zunächst darauf besinnen, was uns in der abgelaufenen Rückrunde stark gemacht hat“, sagt Korkut und zählt auf: „Kompaktheit in der Defensive, unheimliche Disziplin, großer Wille.“

Manager Michael Reschke verspricht leidenschaftliches Team

Unter Mentalität lässt sich das zusammenfassen, denn der VfB hat sich zu einer Mannschaft entwickelt, die nur schwer zu schlagen ist. Exakt der VfB, der jahrelang unter dem Verdacht stand, ein Team in der Wohlfühloase zu beherbergen – oberflächlich betrachtet nicht schlecht besetzt, aber bei genauerer Betrachtung mit dem Hang zur Selbstzufriedenheit.

Doch nun herrscht ein anderes Leistungsklima. Laufstark und widerborstig war der VfB, und den Glücksfaktor mal ausgeklammert auch effektiv. Was daran lag, dass sich die Stuttgarter nicht mehr einbildeten, die besseren Kicker in ihren Reihen zu haben. „Darauf können sich die Fans verlassen“, sagt der Manager Michael Reschke, „die Mannschaft wird wieder mit Hingabe und Leidenschaft spielen.“ So wie in der vergangenen Saison, als es nicht immer lief und Widerstände überwunden wurden. Oder als es dann lief, und der VfB einfach nicht aufhören wollte zu gewinnen, nur weil das Saisonziel Klassenerhalt frühzeitig erreicht war.

„In den 37 Pflichtspielen mussten wir nur zweimal die Mentalitätsfrage stellen“, sagt Reschke. Zweimal nach Niederlagen in Mainz (Pokal- und Punktspiel). Ausreißer nach unten waren das im Nachhinein. Das nährt die Zuversicht, es in der nächsten Runde vielleicht ein bisschen besser hinzubekommen als Tabellenplatz sieben. Zumal der Manager im Verbund mit dem Trainer dabei ist, aus der Mentalitätsmannschaft auch eine Qualitätsmannschaft zu formen.

Der Manager warnt allerdings davor, aus der Vorfreude auf die neue Saison eine zu hohe Erwartungshaltung abzuleiten. „Wir können die guten Voraussetzungen, die wir geschaffen haben, nicht damit gleichsetzen, dass wir einen großen tabellarischen Sprung vollziehen“, sagt Reschke. Noch immer siedelt er den VfB zwischen Rang sechs und zwölf an. Ein enges Feld. Doch im Gegensatz zur Vorsaison glaubt er ein so festes Fundament gegossen zu haben, dass es auch nicht tiefer gehen wird. „Wir werden nicht absteigen und wir werden auch nicht groß mit dem Abstiegskampf zu tun haben“, sagt Reschke.

Gentner, Zieler, Gomez und Badstuber in spezieller Rolle

Unter normalen Umständen. Dabei vertraut er im Kader auf die vier Hüter des guten Geistes von Cannstatt: Christian Gentner, Ron-Robert Zieler, Mario Gomez und in spezieller Form Holger Badstuber. Denn die ersten drei Routiniers neigen weder zu großen Gesten noch sind sie Lautsprecher. Sie führen das Team durch starke Leistungen und das stille Vorleben von Professionalität. Ansagen gibt es nur intern, und jeder junge Spieler kann sich abschauen, wie Gentner und Co. ihrem Beruf nachgehen. Dagegen trägt Badstuber seinen Unmut schon mal zur Schau. Er, sozialisiert beim ruhmreichen FC Bayern, sorgt für ein Reizklima, wenn es sein muss – so wie er es aus München kennt, wo bekanntlich ein Siegergen entwickelt wurde.

Hinter den Alphatieren positionieren sich aber noch so erfahrene Spieler wie Andreas Beck, Gonzalo Castro, Daniel Didavi und Dennis Aogo. Auch sie stehen für Stabilität, und an ihnen zeigt sich, wie Reschke den Kader umgebaut hat. Vorzugsweise mit deutschen Spielern. Zehn seiner 14 Verpflichtungen sind es, und der Rest hat einen ausgeprägtem Hang zur spanischen Sprache. „Wir sehen das nicht dogmatisch, aber es ist kein Nachteil viele deutsche Spieler in der Mannschaft zu haben“, sagt Reschke.

Das spüren die Fans, und die Konkurrenten sehen es. Für mehr als 30 Millionen Euro hat sich der VfB personell verstärkt. Einen Kader wie schon lange nicht mehr ergibt das. Und getragen wird das Ganze nun von einer Stimmung, die den ganzen Verein erfasst hat und Aufbruch in eine neue Zeit signalisiert.