Das vorläufig letzte Jokertor: Florian Kleins Schuss ins Glück in Nürnberg Foto: Baumann

Wenn nichts mehr zu gehen scheint, geht beim VfB Stuttgart meistens doch noch was. Der Aufstiegsaspirant profitiert wie kaum ein zweiter Club in der zweiten Liga von seinen Einwechselspielern. Coach Hannes Wolf hat also ein glückliches Händchen – aber nicht nur.

Stuttgart - Diese 14 Punkte sind eine Menge Holz. In der zweiten Liga zum Beispiel können sie den Unterschied machen zwischen Platz zwei und Rang fünf. Oder zwischen Platz fünf und Platz 17. Der VfB Stuttgart muss sich mit der Lage unterhalb der Spitzenposition derzeit zwar nur am Rande beschäftigen – mit 63 Punkten thront er über dem Rest der Liga. Die 14 Punkte haben aber auch für die Weiß-Roten aus Bad Cannstatt eine Bedeutung. Ohne sie wäre der VfB nach 31 Spielen gerade einmal Fünfter – und das Aufstiegsrennen fände im Saisonfinale ohne die Stuttgarter statt. Nur gut also, dass der Club die 14 Punkte hat. Oder anders gesagt: Nur gut, dass der VfB seine Joker hat.

Die Männer von der Ersatzbank fristen meistens nicht das beste Sportlerdasein, im Grunde wollen sie ja alle von Beginn an auf den Rasen. Schnell fühlen sie sich unwichtig, überflüssig, nicht mehr gebraucht. Anders beim VfB in dieser Saison. „Wir brauchen alle Spieler“, betont Jan Schindelmeiser seit Wochen gebetsmühlenartig. Und manch einer hätte wohl schon genervt den Kopf geschüttelt über das Mantra des Sportvorstands, wenn dessen Trainer nicht wieder und wieder Belege dafür liefern würde.

Wolf schöpft fast immer sein Wechselkontingent aus

Coach Hannes Wolf reagiert jedenfalls gerne auf das Geschehen auf dem Rasen, passt Taktiken an, verändert Positionen – und tauscht das Personal. So gut wie immer schöpft der 36-Jährige das Wechselkontingent aus. Und beweist dabei immer wieder ein glückliches Händchen. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass Einwechselspieler des VfB schon elf Tore erzielt und vier direkt vorbereitet haben?

Zum Beispiel mit dem Potenzial des Kaders. „Die Spieler, die bei uns in die Partie reinkommen, bringen ja auch eine Qualität mit“, sagt etwa Daniel Ginczek, der Stürmer, der in dieser Saison eine Art Edeljoker ist. Drei Treffer hat der bullige Angreifer als Einwechselspieler in der Rückrunde schon vorbereitet, drei hat er selbst erzielt, fast immer hat der VfB dadurch zusätzliche Punkte gesammelt. Insgesamt waren acht Spieler erfolgreich, nachdem sie ins Spiel gekommen sind, das Mehr an Punkten summiert sich durch diesen Faktor auf ebenjene 14 Zähler. Und, wie gesagt: Es ist nicht (nur) der Faktor Glück, der dabei eine Rolle spielt.

Die jeweiligen Gegner sind dem VfB in der zweiten Liga spielerisch meist unterlegen. Bedeutet: Der Aufwand, den sie betreiben müssen, um das Spiel offen zu gestalten, ist überdurchschnittlich hoch. Irgendwann aber kommt die Müdigkeit, die Konzentration leidet – und wenn Hannes Wolf dann noch frische Kräfte der Marke Ginczek ins Spiel bringt, tun sich früher oder später die entscheidenden Lücken auf.

So ähnlich ist das seit Jahren beim FC Bayern zu beobachten, wenn fälschlicherweise vom Bayern-Dusel die Rede ist. Voraussetzung in Stuttgart wie in München ist aber, dass das eigene Team die Schwächen des Gegners dann auch nutzen kann. „Es ist eine mentale Qualität“, sagt deshalb Jan Schindelmeiser über die VfB-Mannschaft, „dazu ist das Team in einer körperlich guten Verfassung.“

Die Türen sind immer offen

Dafür ist Hannes Wolf mit seinem Team verantwortlich, das auch in der Trainingssteuerung penibel darauf achtet, dass jene Profis, die wenig zum Einsatz kommen, in körperlicher Topverfassung sind oder bleiben. Die Übungseinheit für die Ersatzspieler nach den Zweitligapartien ist jeweils höchst intensiv, in Länderspielpausen organisiert Wolf zudem mindestens ein Testspiel, damit auch wirklich alle ein wenig Wettkampfluft schnuppern können. Und nie überlässt der Chefcoach einem seiner Assistenten allein eine Einheit. „Die Türen“, sagt er, „sind immer offen.“ Und er hat es geschafft, dass die Spieler auch durchgehen, wenn er sie braucht. Dabei weiß Wolf: „Die Jungs hätten allen Grund, sauer auf mich zu sein.“ Er ergänzt jedoch stets: „Aber nicht auf die Mannschaft.“ Den Kollegen sollen die Einwechselspieler helfen, Spiele zu drehen und Siege zu sichern. „Wichtig ist, sofort da zu sein“, fordert Wolf von den Jokern und kann sagen: „Das hat meistens geklappt.“

Am vergangenen Samstag etwa erzielte Daniel Ginczek nur fünf Minuten nach seiner Einwechslung in Nürnberg das 2:2. Florian Klein, ebenfalls eingewechselt, gelang kurz vor Schluss der 3:2-Siegtreffer.

Nun sind noch drei Spiele dieser Zweitligasaison zu absolvieren – und wenn es läuft wie zuletzt, wird auch gegen Erzgebirge Aue am Sonntag (13.30 Uhr) und danach in Hannover und gegen die Würzburger Kickers jeder Spieler im Kader gebraucht. Sechs Punkte will der VfB auf jeden Fall noch holen, um den Aufstieg zu sichern. Jokertore sind da weiter willkommen.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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